Update Wohnrecht: WEG-Novelle 2022
01.07.2021
AutorIn
Lukas Flener
Partner
Edda Moharitsch-Unfricht
Rechtsanwältin
Wir geben in unserem Update einen Überblick über die konkret geplanten Neuerungen, die insgesamt vor allem die Förderung des Umwelt- und Klimaschutzes zum Ziel haben.
In unserem Blog-Beitrag „Ausblick auf die WEG-Novelle“ haben wir bereits über die wichtigsten Eckpunkte der bevorstehenden Novelle, mit welchem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird (WEG-Novelle 2022), berichtet. Nun liegt der entsprechende Ministerialentwurf der geplanten Gesetzesänderung vor. Die Begutachtungsfrist für den Entwurf endet am 13. August 2021. Die Novelle soll mit 1.1.2022 in Kraft treten und sieht unter anderem folgende Neuerungen vor:
Erleichterte Vornahme bestimmter Änderungen des Wohnungseigentümers
Ein Wohnungseigentümer, der sein Wohnungseigentumsobjekt in einer Weise verändern möchte, dass dadurch auch schutzwürdige Interessen anderer Wohnungseigentümer beeinträchtigt werden könnten, muss dafür grundsätzlich die Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer einholen (§ 16 Abs 2 WEG 2002). In der Praxis ist die Erlangung aller Zustimmungen vielfach eine große Hürde insbesondere bei großen Wohnungseigentumsanlagen.
Die Novelle sieht nun die Einführung einer Zustimmungsfiktion vor, die die Umsetzung von (allerdings nur bestimmten) Änderungen erleichtern soll. Der Wohnungseigentümer würde dann für solche Änderungen nicht mehr die aktive Zustimmung aller übrigen benötigen, sondern es würde ausreichen, wenn er die übrigen Wohnungseigentümer davon verständigt und diese in der Folge keinen Widerspruch erheben. Diese Zustimmungsfiktion soll jedoch nicht alle Änderungen betreffen, sondern nur die im Gesetz ausdrücklich genannten. Dies sind die behindertengerechte Ausgestaltung eines Wohnungseigentumsobjektes oder von allgemeinen Teilen der Liegenschaft, der Einbau von einbruchsicheren Türen sowie die Anbringung einer Vorrichtung zum Langsamladen eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs, einer Photovoltaikanlage und von Beschattungsvorrichtungen (Rollläden, Markisen, Außenjalousien, etc). Letztere jedoch nur dann, wenn sie sich in das Erscheinungsbild des Hauses harmonisch einfügen.
Die Zustimmungsfiktion ist damit eine Ausnahme von der Regel und soll keineswegs für andere, nicht privilegierte Maßnahmen gelten. Darüber hinaus muss das genau im Gesetz festgelegte Prozedere eingehalten werden, damit die Zustimmungsfiktion zum Tragen kommt (qualifizierte Verständigung der anderen Miteigentümer mit klarer und verständlicher Beschreibung der Änderung; Abwarten der Äußerungsfrist von 2 Monaten).
Inhaltlich entschärft wird die Zustimmungsfiktion durch den letzten Satz des § 16 Abs 5 WEG 2002: Eine wesentliche und dauernde Beeinträchtigung seines Wohnungseigentums oder Zubehörobjektes muss ein Wohnungseigentümer selbst dann nicht dulden, wenn er trotz ordnungsgemäßer Verständigung keinen Widerspruch erhoben hat. Die genaue Begriffsabgrenzung werden die Gerichte vornehmen.
Pflicht zur Unterlassung der Nutzung einer Einzelladestation
Damit gewährleistet wird, dass die Errichtung solcher unter Punkt 1. genannten Einzelladestationen dem späteren Betrieb einer Gemeinschaftsanlage nicht im Wege stehen, wird im neuen § 16 Abs 8 WEG 2002 die Pflicht zur Unterlassung der Nutzung einer Einzelladestation festgelegt. Diese Verpflichtung ist allerdings an ganz bestimmte zeitliche, formale und inhaltliche Voraussetzungen geknüpft.
Neue Auskunftspflicht des Verwalters
Damit die zuvor genannte Zustimmungsfiktion auch umsetzbar ist und tatsächlich eine erleichterte Vornahme von Änderungen bringt, wird im neuen § 20 Abs 8 WEG 2002 eine Auskunftspflicht des Verwalters über die Namen und die Zustellanschriften der anderen Wohnungseigentümer statuiert. Hintergrund dieser Regelung ist, dass dem Wohnungseigentümer, der eine Änderung durchsetzen möchte, die Zustellanschriften der anderen Wohnungseigentümer oft nicht bekannt sind und er auch meist nicht über alle E-Mail-Adressen verfügt.
Erleichterte Willensbildung der Eigentümergemeinschaft
Diese Neuerung des § 24 Abs 4 WEG 2002 betrifft vor allem die Durchsetzung von Verbesserungsmaßnahmen als Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung, bei denen eine Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft unumgänglich ist. Bisher wurde bei Beschlussfassungen die Anteilsmehrheit der Miteigentümer von den insgesamt vorhandenen Miteigentumsanteilen berechnet. Verbesserungen konnten bisher also nur dann in Angriff genommen werden, wenn sich eine Mehrheit der Wohnungseigentümer (berechnet nach den Miteigentumsanteilen) aktiv dafür aussprach.
Diese bisherige Möglichkeit der Beschlussfassung bleibt weiterhin aufrecht. Neu ist aber, dass neben dieser bisherigen Möglichkeit der Beschlussfassung eine weitere Möglichkeit der Beschlussfassung geschaffen wird: Bei dieser neuen, zweiten Variante kommt es für die Mehrheitsbildung nicht auf die Miteigentumsanteile, sondern auf die qualifizierte Mehrheit der abgegebenen Stimmen an. Dafür müssen sich zwei Drittel der abgegebenen Stimmen (berechnet nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile der abgegebenen Stimmen) für den Beschluss aussprechen. Darüber hinaus müssen die Stimmen, die sich für den Beschluss aussprechen, mindestens ein Drittel aller Miteigentumsanteile erreichen. So soll gewährleistet sein, dass das Meinungsbild in der Eigentümergemeinschaft gut repräsentiert ist und nicht die Mehrheit von einer sehr kleinen, aktiven Minderheit überstimmt werden kann.
Mindestdotierung der Rücklage
Schon bisher war gesetzlich vorgesehen, dass eine angemessene Rücklage zur Vorsorge für künftige Aufwendungen zu bilden ist. Vielfach werden in der Praxis jedoch zu niedrige Beträge erhoben, sodass Eigentümergemeinschaften oft nicht ausreichend auf Investitionen vorbereitet sind.
Nunmehr soll ein gesetzliches Mindestmaß in Höhe von derzeit 0,90 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche für die monatliche Dotierung der Rücklage festgelegt werden. Dies wird durch einen Verweis im Gesetzestext auf § 15a Abs 3 Z 4 MRG umgesetzt, der den vorgesehenen Kategoriebetrag für Wohnungen der Ausstattungskategorie D festlegt (dieser beträgt derzeit 90 Cent, dürfte sich in nicht allzu ferner Zukunft jedoch um 5% erhöhen).
Der Gesetzgeber nimmt auf die praktische Handhabung der gesetzlichen Mindestdotierung insofern Rücksicht, als er eine gewisse Flexibilität zugesteht. So ist etwa eine Unterschreitung des Mindestbetrages in bestimmten Ausnahmefällen vorgesehen, andererseits kann es im Einzelfall durchaus notwendig sein, deutlich höhere Beträge einzuheben, um eine angemessene Rücklage zu bilden.
Fazit
Die WEG-Novelle 2022 ist in ihrer Gesamtheit vor dem Hintergrund international vorgegebene Klimaziele zu sehen. Die neuen Regelungen erleichtern vor allem die Durchsetzbarkeit von Erhaltungsmaßnahmen, sowie die Schaffung von Elektro-Tankstellen und Photovoltaik-Anlagen. Für die leichtere Umsetzbarkeit sorgen einerseits die nun insgesamt leichtere Beschlussfassung, sowie die Zustimmungsfiktion für jene im Gesetz ausdrücklich geregelten Fälle. Auch die Einführung einer Mindestdotierung für die Rücklage dient der leichteren Umsetzung von Erhaltungs- und Sanierungsarbeiten. Insgesamt wird mit der Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes ein weiterer Beitrag zum Klimaschutz im Gebäudesektor und zur Förderung des emissionsfreien Individualverkehrs angestrebt.
Eine umfassende Reform, wie vielfach gefordert, wurde es nicht.
AutorIn
Lukas Flener
Partner
Edda Moharitsch-Unfricht
Rechtsanwältin