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Ukraine Krise – Zeit um Geschäftsbeziehungen proaktiv auch aus rechtlicher Sicht zu prüfen

02.03.2022

AutorIn

Florian Kranebitter

Partner

Paul Luiki

Partner

Ergänzend zu den Belastungen durch COVID hat die Ukraine-Krise den Druck auf globale Geschäftstransaktionen drastisch erhöht. Dies kann sich auf die Strukturen der Anteilseigner und der Unternehmensführung auswirken und auch die Lieferketten in allen Wirtschaftszweigen unter erheblichen zusätzlichen Druck setzen.

Als Folge der anhaltenden Invasion Russlands in der Ukraine hat allein die Europäische Union seit dem 23. Februar 2022 vier weitreichende Sanktionspakete verabschiedet:

Die Sanktionen umfassen strenge Beschränkungen für den Finanzsektor sowie Einfuhrverbote für Waren aus Gebieten, die nicht von der ukrainischen Regierung kontrolliert werden, für bestimmte Wirtschaftszweige, Ausfuhrverbote für bestimmte Waren und Technologien sowie auch ein Verbot der Erbringung von touristischen Dienstleistungen.

Die Unternehmen sollten jetzt proaktiv prüfen, welche Maßnahmen sie ergreifen können, um ihr wirtschaftliches und rechtliches Risiko bestmöglich zu begrenzen. Zu diesen Maßnahmen gehören unter anderem die Überprüfung von Verträgen und die Analyse von Möglichkeiten, von Verpflichtungen befreit zu werden bzw vertragliche Rechte und Ansprüche zu sichern.

Optionen, Risiken und Chancen für Vertragsparteien können sich insbesondere in folgenden Bereichen ergeben:

Force majeure -Klauseln

Im Allgemeinen erlauben Klauseln über höhere Gewalt einer Partei, die von einem Ereignis betroffen ist, das sich ihrer Kontrolle entzieht, die Erfüllung ihrer Verpflichtungen auszusetzen. Eine detaillierte Analyse des spezifischen Wortlauts der Klausel über höhere Gewalt ist in mehrfacher Hinsicht von entscheidender Bedeutung, beispielsweise bei der Frage, ob ein bestimmtes Ereignis überhaupt als ein Ereignis außerhalb des Einflussbereichs der betreffenden Partei gilt. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Frage nach den konkreten Rechtsfolgen höherer Gewalt, wie etwa eine vorübergehende oder dauerhafte Aussetzung von Verpflichtungen, mit oder ohne die Verpflichtung, die ausgesetzten Leistungen nachzuholen, sobald das Ereignis, das als höhere Gewalt zu qualifizieren ist, beendet ist. Damit ein Ereignis als höhere Gewalt eingestuft werden kann, müssen im Allgemeinen die folgenden Kriterien erfüllt sein: (i) es muss sich um ein „äußeres“ Ereignis handeln (was grundsätzlich auch Handlungen unbeteiligter Dritter, beispielsweise Behörden, einschließt); (ii) das Ereignis muss „unvermeidbar“ sein, das bedeutet es kann nicht mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln vermieden werden; und (iii) es muss sich um ein „außergewöhnliches“ Ereignis handeln, das bedeutet es muss sich um ein Ereignis handeln, das nach dem normalen Verlauf der Dinge nicht zu erwarten war. Vor allem bei den letzten beiden Kriterien ist es oft besonders schwierig den Beweis für das Vorliegen dieser Kriterien zu erbringen, insbesondere, wenn Verträge erst kurz vor dem Ereignis geschlossen, geändert oder verlängert wurden.

MAC or MAE -Klauseln

Klauseln über wesentliche nachteilige Änderungen oder Auswirkungen sollen die Parteien im Allgemeinen vor unvorhergesehenen Umständen schützen, die wesentliche Auswirkungen auf die Rechte und/oder Pflichten einer oder mehrerer Parteien haben. Ob die Wesentlichkeitsschwelle erreicht ist, ist oft höchst umstritten und hängt in vielen Fällen auch davon ab, wie eng die Umstände, die die Änderung der Auswirkungen verursachen, mit den Parteien oder dem konkreten Gegenstand einer Vereinbarung verbunden sind. Auch hier gilt, dass vorhersehbare Ereignisse in der Regel nicht von einem MAC oder MAE erfasst werden. Andererseits können auch vorhersehbare Ereignisse erfasst sein, wenn die Klausel entsprechend weit gefasst ist, beispielsweise bei der Reduzierung von Exportmengen und einer damit einhergehenden drastischen, nicht nur vorübergehenden Preiserhöhung ohne entsprechende Substituierbarkeit. MAC-Klauseln finden sich auch in vielen Verträgen als Vollzugsbedingung, so dass mit einer MAC / MAE nicht nur Preis- oder Konditionsänderungsrechte, sondern auch Rücktrittsrechte von noch nicht vollständig erfüllten Verträgen verbunden sein können. Es ist auch denkbar, dass MAC / MAE-Klauseln so formuliert sind, dass sie erst mit einer zeitlichen Verzögerung in den verschiedenen Produkt-, Liefer- und Handelsstufen ausgelöst werden.

Anpassungs-Klauseln

Besonders langfristige Verträge enthalten oft Preisanpassungsklauseln, um sich ändernden Marktbedingungen Rechnung zu tragen, die in der Regel von den Parteien nicht vorhersehbar sind.

Compliance -Klauseln

Compliance-Klauseln in Verträgen, wie beispielsweise die Verplichtung zur Einhaltung oder Nichteinhaltung von Sanktionen, sollen den Handel mit Personen und Einrichtungen, die globalen Sanktionsregelungen unterliegen, verhindern oder einschränken. Finanzierungsvereinbarungen enthalten oft Verpflichtungen zur vorzeitigen Rückzahlung bei Nichteinhaltung dieser Compliance-Vorgaben. Kreditgeber und Kreditnehmer sind gut beraten, Bestimmungen, die in der Regel als Standardklauseln ohne konkreten Anwendungsbereich wahrgenommen werden, insbesondere auf solche Klauseln und ihre Auswirkungen im aktuellen Umfeld zu prüfen.

Corporate Governance

Regeln und Vereinbarungen zur Corporate Governance können Argumente liefern, um die Ausübung der Rechte von Gesellschaftern, Aktionären und anderen Stakeholdern in Unternehmen zu beeinflussen oder zu beschränken. Insofern sind Unternehmen gut beraten, sich im Vorfeld über etwaige rechtliche Unvereinbarkeiten zu informieren oder Vorkehrungen für die potentielle eingeschränkte Handlungsfähigkeit von Organen und Gesellschaftern zu treffen (dies gilt umso mehr in internationalen Joint-Venture-Szenarien).

Zusätzlich zu vertraglich vereinbarten Klauseln, die einzelfallbezogen im Detail zu prüfen sind, können sich insbesondere in jenen Fällen, in denen Unternehmen nur mittelbar betroffen sind, auch allgemein entwickelte Rechtsgrundsätze auf die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus Verträgen auswirken. Dazu gehören der Wegfall der Geschäftsgrundlage oder die vorübergehende Aussetzung von Verpflichtungen aufgrund der Unsicherheiteneinrede, Verzugsfolgen oder die nachträgliche rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit sowie die allgemeine Schadensminderungspflicht.

AutorIn

Florian Kranebitter

Partner

Paul Luiki

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