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Arbeitsrechtliche Auswirkungen des Coronavirus

06.11.2020 - Lesezeit: 5 Minuten

AutorIn

Monika Sturm

Partnerin

Florian Dauser

Rechtsanwalt

Die Maßnahmen zur Abfederung der Folgen der Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus betreffen im Bereich des Arbeitsrechts vor allem die Kurzarbeit und die Sonderbetreuungszeit.

Die Sozialpartner haben sich mit der Bundesregierung über eine Verlängerung der Kurzarbeit über den 30.9.2020 hinaus geeinigt. Ab 1.10.2020 gilt das neue, angepasste Kurzarbeitsmodell. Die am 1.10.2020 vom Arbeitsmarktservice erlassene Bundesrichtlinie Kurzarbeitsbeihilfe (KUA-COVID-19) regelt die Kurzarbeit (befristete Herabsetzung der Normalarbeitszeit) im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme und Gewährung der Kurzarbeitsbeihilfe an Unternehmen für die Leistung von Kurzarbeitsunterstützung an Arbeitnehmer wegen Arbeitszeitausfalles in Form von Ausfallstunden. Der Zugang zur Kurzarbeit wird erleichtert und ihr Anwendungsbereich erweitert.

Die wesentlichen Aspekte bei der Kurzarbeit sind im Einzelnen:

  • Der Kurzarbeitszeitraum wird ab 1.10.2020 auf höchstens sechs Monate verlängert.
  • Binnen 48 Stunden ab Vorliegen einer Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit (in Betrieben ohne Betriebsrat ab Vorliegen der Einzelvereinbarungen mit den Arbeitnehmern) werden die Sozialpartner eine Vereinbarung über die Kurzarbeit abschließen. Diese Vereinbarung ist Voraussetzung für die Unterstützung der Kurzarbeit durch das Arbeitsmarktservice.
  • Für den Zugang zur Kurzarbeit muss eine zusätzliche wirtschaftliche Begründung erbracht werden; dafür steht ein gesondertes Formular zur Verfügung, in dem Kennzahlen wie die Bewilligung anderer Förderungen, Umsatzentwicklung vor Kurzarbeit und Prognose für den beantragten Zeitraum, abgefragt werden. Wenn die Kurzarbeit für mehr als fünf Arbeitnehmer beantragt wird, muss eine Bestätigung der Angaben von einem Steuerberater/Bilanzbuchhalter/Wirtschaftsprüfer beigelegt werden. Für Unternehmen, die unmittelbar vom Lockdown betroffen sind (behördliche Schließung) oder Unternehmen, die Kurzarbeit nur für den Monat November 2020 beantragen, ist keine Bestätigung durch Steuerberater/Bilanzbuchhalter/Wirtschaftsprüfer erforderlich.
  • Förderbar sind Arbeitgeber, die im Betrieb im Sinne des ArbVG mit einem Betriebsstandort in Österreich Kurzarbeit durchführen, und alle arbeitslosenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer und Lehrlinge, die ein aufrechtes Dienstverhältnis und einen voll entlohnten Kalendermonat vor Beginn der Kurzarbeit beim Arbeitgeber vorweisen können und wenn sie von der Sozialpartnervereinbarung umschlossen sind. Mitglieder geschäftsführender Organe sind förderbar, wenn sie nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) pflichtversichert sind. Einzelne Arbeitnehmergruppen können ausgenommen werden.
  • Die Dienstgeberbeiträge (mit Ausnahme des Beitrags zur betrieblichen Vorsorge) inklusive Lohnnebenkosten werden seit dem 1. Monat zur Gänze vom AMS übernommen.
  • Der Arbeitszeitausfall darf im Kurzarbeitszeitraum durchschnittlich nicht unter zwanzig Prozent und nicht über siebzig Prozent - in Sonderfällen nicht über neunzig Prozent - der gesetzlich oder kollektivvertraglich festgelegten oder, bei Teilzeitbeschäftigten, der vertraglich vereinbarten Normalarbeitszeit betragen; zeitweise Arbeitszeitausfälle von bis zu hundert Prozent sind zulässig. Wer bereits einen Antrag für die Kurzarbeit Phase 3 (ab Oktober) gestellt hat, kann nachträglich einen Antrag auf Senkung der durchschnittlichen Arbeitszeit auf 10% stellen. Eine rückwirkende Antragstellung für Kurzarbeitszeiträume ab 1. November 2020 ist bis Freitag, 20. November 2020, möglich. Danach sind nur in die Zukunft gerichtete Anträge möglich. Im November 2020 bzw für die Dauer des Lockdowns ist ein Arbeitszeitausfall von hundert Prozent möglich, was ein Überschreiten des durchschnittlichen Arbeitszeitausfalls von 70 % bzw 90 % zur Folge haben darf.
  • Die ausgefallene Arbeitszeit kann für Fortbildungen genutzt werden. Für Lehrlinge in Kurzarbeit besteht für die Zeit des Lockdowns keine Ausbildungsverpflichtung.
  • Der Arbeitgeber muss sich darum bemühen, dass Alturlaub und Zeitguthaben vor oder während der Kurzarbeit verbraucht werden. Der Arbeitgeber muss nachweisen können, dass er sich redlich um den Verbrauch von Urlaubsansprüchen vergangener Urlaubsjahre sowie Zeitguthaben bemüht hat. Falls Alturlaube und Zeitguthaben bereits abgebaut ist, soll während der Kurzarbeit tunlichst eine Woche des laufenden Urlaubs konsumiert werden.
  • Der vereinbarte Beschäftigtenstand ist grundsätzlich während der Kurzarbeit und in einem allenfalls darüber hinaus zusätzlich vereinbarten Zeitraum nach deren Beendigung (Behaltefrist) aufrecht zu erhalten.
  • Lohnerhöhungen (bspw durch KV-Erhöhungen, Biennalsprünge) werden künftig bei der Berechnung des Entgelts während der Kurzarbeit miteinbezogen.
  • Der Arbeitgeber hat die Kosten der Arbeitsleistung der kurzarbeitenden Personen zu übernehmen. Die Kurzarbeitsbeihilfe gewährleistet ein Mindestnettoentgelt gemäß nachfolgender Staffelung:
    • bei einem Bruttoentgelt vor Kurzarbeit bis zu € 1.700,- in der Höhe von 90% des bisherigen Nettoentgeltes;
    • bei einem Bruttoentgelt bis zu € 2.685,- in der Höhe von 85% des bisherigen Nettoentgeltes;
    • bei einem Bruttoentgelt bis zu € 5.370,- in der Höhe von 80% des bisherigen Nettoentgeltes;
    • bei Lehrlingen in Höhe von 100 % der bisherigen Nettoentgeltes;
    • Für Einkommensanteile über € 5.370,- gebührt keine Beihilfe.
    • Eine freiwillige höhere Entlohnung ist möglich, sofern damit die Förderbedingungen in Einklang stehen.
  • Arbeitnehmer in vom Lockdown betroffenen Branchen erhalten vom Arbeitgeber einen Trinkgeldersatz von monatlich EUR 100,   netto; das AMS ersetzt diesen Trinkgeldersatz.
  • Das AMS ersetzt dem Arbeitgeber gemäß den in der Richtlinie festgelegten Pauschalsätzen die Kosten für die Ausfallstunden. Die Kurzarbeitsunterstützung umfasst jedoch nur das Entgelt für die Normalarbeitszeit. Zulagen und Zuschläge sind dabei zu berücksichtigen, nicht jedoch Überstundenentgelte. Davon abweichend sind bei Beginn der Kurzarbeit nicht widerrufene Überstundenpauschalen, unwiderrufliche Überstundenpauschalen und Anteile von All inclusive-Entgelten, die der Abgeltung allfälliger Überstundenleistungen gewidmet sind, in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen.
  • Die im Abrechnungsmonat maximal verrechenbaren Ausfallstunden ergeben sich aus der Summe der kollektivvertraglichen Normalarbeitszeitstunden pro Abrechnungsmonat
    • abzüglich der im Abrechnungsmonat geleisteten bezahlten Arbeitsstunden (inkl. der im Abrechnungszeitraum angefallenen Überstunden, des konsumierten Urlaubs, des konsumierten Zeitguthabens und sonstiger Dienstverhinderungen), jedoch ohne betrieblich angeordnete Zeiten für Aus- und Weiterbildung;
    • während eines Krankenstandes abzüglich der für diesen Zeitraum tatsächlich vorgesehenen Arbeitsstunden; sowie
    • während Entgeltfortzahlungen gemäß § 1155 Abs 3 ABGB abzüglich der für diesen Zeitraum tatsächlich vorgesehenen Arbeitsstunden.

Neu ist die befristet für den Zeitraum 1.10.2020 bis 28.2.2021 eingeführte Sonderbetreuungszeit. Durch den § 18b Abs 1 AVRAG in der Fassung BGBl I Nr. 107/2020 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern erneut eine Sonderbetreuungszeit im Ausmaß von bis zu drei Wochen unter Fortzahlung des Entgelts gewähren können, wobei die Hälfte des fortgezahlten Entgelts vom Bund vergütet wird. Der Anspruch ist mit der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage nach dem ASVG (2020: EUR 5.370,--; voraussichtlich für 2021: EUR 5.550,--) gedeckelt. Zuletzt haben sich die Sozialpartner geeinigt, dass Arbeitnehmer zukünftig einen Anspruch auf Sonderbetreuungszeit haben sollen.

Dazu wurde vom Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend die Richtlinie Sonderbetreuungszeit erlassen. Die Möglichkeit der Anordnung einer Sonderbetreuungszeit knüpft an das Vorliegen folgender Voraussetzungen:

  • Die Arbeitskraft des Arbeitnehmers ist nicht für die Aufrechterhaltung des jeweiligen Betriebes erforderlich;
  • Bestehen einer Betreuungspflicht des Arbeitnehmers für
    • zumindest ein Kind, das zum ersten Tag der in Anspruch genommenen Sonderbetreuungszeit unter 14 Jahre alt ist;
    • Angehörige von Menschen mit Behinderung; oder
    • Angehörige von pflegebedürftigen Personen;
  • es darf kein anderer Anspruch auf Dienstfreistellung zur Betreuung bestehen.

Die Sonderbetreuungszeit kann für bis zu drei Wochen am „Stück“, wochen-, tage-, oder halbtageweise vom Arbeitgeber gewährt werden.

Die Sonderarbeitszeit ist möglich für Arbeiter, Angestellte, Lehrlinge und Arbeitnehmer, die den jeweiligen Landarbeitsordnungen und in Vorarlberg dem Land- und Forstarbeitsgesetz sowie dem Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz unterliegen. Freie Dienstnehmer, Beamte, Vertragsbedienstete sowie Landes- und Gemeindebedienstete sind von der Sonderbetreuungszeit somit nicht erfasst.

Hinzuweisen ist im Bereich des Arbeitszeitrechts (§ 20 Abs 1 AZG, § 8 Abs 1 KA-AZG) und des Arbeitsruhegesetzes (§ 11 Abs 1 Z 1 ARG) auf die Ausnahmebestimmungen in außergewöhnlichen Fällen. Es wurde zudem festgelegt, dass Arbeitnehmer in der erforderlichen Anzahl während der Wochenend- und Feiertagsruhe mit Lieferservice- und Güterbeförderungstätigkeiten im Bereich Lebensmittelhandel sowie Drogerien und Drogeriemärkten beschäftigt werden dürfen.

Zudem wurde klargestellt, dass Maßnahmen aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes, die zum Verbot oder zu Einschränkungen des Betretens von Betrieben führen, den Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichten, wenn die Arbeitnehmer ihre Dienstleistungen aufgrund der Maßnahmen nicht mehr erbringen können. Auf Verlangen des Arbeitgebers müssen die Arbeitnehmer in dieser Zeit Urlaubs- und Zeitguthaben im Ausmaß von maximal 8 Wochen verbrauchen, wobei Urlaubsansprüche aus dem laufenden Urlaubsjahr nur im Ausmaß von bis zu 2 Wochen verbraucht werden müssen. Von der Verbrauchspflicht sind solche Zeitguthaben ausgenommen, die auf der durch kollektive Rechtsquellen geregelten Umwandlung von Geldansprüchen beruhen. Diese Regelung lässt zahlreiche Fragen offen. So ist beispielsweise unklar, was gilt, wenn Arbeitnehmer etwa bereits Sommerurlaub vereinbart und keinen Resturlaub mehr offen haben.

Weiters wurde die Regelung, dass Unfälle bis 31.12.2020 während Tele-Arbeit (home-office) als Arbeitsunfälle versichert sind.

COVID-19 gehört zu den anzeigepflichtigen Krankheiten. Anzeigepflichtig sind in erster Linien Ärzte, Labors und Pflegepersonen. Arbeitgeber – ausgenommen die Inhaber von Gast- und Schankgewerben – sind nicht anzeigepflichtig. Die allgemeine Fürsorgepflicht, die den Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer einschließt, verlangt vom Arbeitgeber angemessene Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Dies umfasst etwa die Schaffung ausreichender Möglichkeiten, sich die Hände zu waschen bzw. zu desinfizieren oder die Reduktion von sozialen Kontakten (z.B. Absage von Treffen, Betriebsausflügen, Seminarbesuchen).

Erkranken Arbeitnehmer an COVID-19, besteht kein Unterschied zur Rechtslage bei sonstigen Erkrankungen. Ordnet die Behörde in einem Verdachtsfall Quarantäne an, ist das Entgelt vom Arbeitgeber im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes weiter auszuzahlen. Diese Kosten werden vom Bund ersetzt. Dieser Anspruch ist binnen sechs Wochen vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen geltend zu machen.

Ordnet der Arbeitgeber selbständig Vorsichtsmaßnahmen an (zB freiwillige Quarantäne nach einer Rückkehr aus einem Krisengebiet), ohne dass dies behördlich angeordnet ist, ist das Entgelt weiter zu zahlen. Arbeitnehmern, die von sich aus vom Arbeitsplatz fernbleiben wollen, müssen, wenn nichts Anderes vereinbart wird, Urlaub oder Zeitausgleich konsumieren.

Für das Arbeiten von zu Hause (Homeoffice) muss es grundsätzlich eine vertragliche Basis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geben. Eine einseitige Anordnung von Heimarbeit ist nur in engen Grenzen möglich.

Erlässt der Arbeitgeber Anordnungen, die über die behördlichen Anordnungen hinausgehen und insbesondere den privaten Lebensbereich des Arbeitnehmers betreffen, sind diese für den Arbeitnehmer nicht verbindlich. Der Arbeitnehmer ist aber gefordert, sich so zu verhalten, dass die berechtigten betrieblichen Interessen des Arbeitgebers gewahrt werden. Das schließt ein, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber meldet, wenn er mit einer Person Kontakt hatte, die positiv auf eine Coronavirus-Infektion getestet wurde oder wenn er sich in einem Gebiet aufgehalten hat, für das eine Reisewarnung besteht. Der Arbeitgeber kann außerdem vom Arbeitnehmer einfordern, dass er sich an die Empfehlungen der Behörde hält, sofern nicht im Einzelfall ganz überwiegende Interessen des Arbeitnehmers dem entgegenstehen.

Einer Anordnung des Arbeitgebers, sich einer Testung auf eine Infektion mit dem Coronavirus zu unterziehen, muss sich der Arbeitnehmer nicht fügen. Kontrollsysteme, die die Menschenwürde berühren, bedürfen nach allgemeinen Grundsätzen der Zustimmung des Betriebsrates. Das gilt auch für eine systematische Kontrolle auf mögliche Infektionen mit dem Coronavirus (zB durch verpflichtendes Fiebermessen).

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Monika Sturm

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