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Welttag des Urheberrechts 2021: Das neue Urheberrecht – Fluch oder Segen des Uploadfilters

23.04.2021 - Lesezeit: 4 Minuten

AutorIn

Michael Froner

Rechtsanwalt

Am 23.4. wird jährlich der Welttag des Buches und des Urheberrechts begangen. In diesem Jahr hat aus Sicht des europäischen und österreichischen Urheberrechts aber auch noch ein weiteres Datum maßgebliche Bedeutung, nämlich der 7.6.2021. Bis dahin muss nämlich die Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt in nationales Recht umgesetzt werden. Teil davon ist der höchst umstrittene „Upload-Filter“.

Art 17 der Richtlinie (EU) 2019/790 zieht diverse Verpflichtungen für Dienstanbieter für das Teilen von Online-Inhalten vor. Betroffen sind Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, bei dem einer der Hauptzwecke darin besteht, eine große Menge an von seinen Nutzern hochgeladenen, urheberrechtlich geschützten Werken zu speichern und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wobei dieser Anbieter diese Inhalte organisiert und zum Zwecke der Gewinnerzielung bewirbt. Erfasst sind also z.B. Google oder Facebook.

Durch Art 17 der Richtlinie (EU) 2019/790 wird normiert, dass solche Dienstanbieter eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe oder eine Handlung der öffentlichen Zugänglichmachung vornehmen, wenn sie der Öffentlichkeit Zugang zu von seinen Nutzern hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen verschaffen. Daher werden die Dienstanbieter zur Einholung der Erlaubnis der jeweiligen Rechteinhaber verpflichtet, z.B. durch den Abschluss einer Lizenzvereinbarung.

Wenn eine solche Erlaubnis vom Rechteinhaber nicht erteilt wird, ist der Dienstanbieter für nicht erlaubte Handlungen der öffentlichen Wiedergabe und der öffentlichen Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Werke verantwortlich. Dieser Haftung kann er sich dadurch entledigen, dass er den Nachweis erbringt, dass er

  •  alle Anstrengungen unternommen hat, um die Erlaubnis einzuholen; und
  • nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt alle Anstrengungen unternommen hat, um sicherzustellen, dass jene geschützten Werke, zu denen die Rechteinhaber dem Dienstanbieter einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt haben, nicht verfügbar sind; und
  • nach Erhalt eines hinreichend begründeten Hinweises vom jeweiligen Rechteinhaber unverzüglich gehandelt hat, um den Zugang zum geschützten Werk zusperren bzw. es von seinen Internetseiten zu entfernen sowie alle Anstrengungen unternommen hat, um das künftige hochladen dieser Werke zu verhindern.

Für die Beurteilung der Frage, ob ein Dienstanbieter alle Anstrengungen unternommen hat, sind die Art, das Publikum und der Umfang der Dienste sowie die Art der von den Nutzern hochgeladenen Werke sowie die Verfügbarkeit geeigneter und wirksamer Mittel und deren Kosten zu berücksichtigen. Welche Anforderungen an die Dienstanbieter hier tatsächlich gestellt werden, bleibt der nationalen Umsetzung oder – was zu vermuten ist – den Gerichten überlassen. Fraglich ist unter anderem, welche Maßnahmen die Dienstanbieter für die Einholung von Lizenzen setzen müssen; welche Anstrengungen unternommen werden müssen, um individuelle Rechteinhaber ausfindig zu machen; ob bei Inhalten, die nicht zum typischen Angebot des Dienstanbieters gehören, eine passive Lizenzbereitschaft ausreicht; etc.

Für Start-Ups, die ihre Dienste weniger als drei Jahre anbieten und deren Jahresumsatz einen Betrag von EUR 10 Millionen nicht übersteigt, sind geringere Verpflichtungen vorgesehen. Wenn sie aber durchschnittlich mehr als 5 Millionen unterschiedliche Besucher pro Monat auf ihren Internetseiten haben, müssen auch sie den Nachweis erbringen dass sie alle Anstrengungen unternommen haben, um das künftige hochladen von gemeldeten Werken zu verhindern.

Bei dieser Anforderung handelt es sich um den in der Zivilgesellschaft höchst umstrittenen „Upload-Filter“, der nach Ansicht mancher zum „Tod oder zumindest der Zensur des freien Internets“ führen wird. Doch sind diese Befürchtungen tatsächlich berechtigt?

Selbstverständlich besteht die Gefahr, dass sich Dienstanbieter zur Erfüllung der genannten Verpflichtungen automatisierten Systemen bedienen, die das Hochladen von geschützten Werken durch ihre Nutzer ohne näherer (menschlicher) Prüfung per se unterbinden, wenn der jeweilige Dienstanbieter für das betroffene Werk keine Lizenzvereinbarung abgeschlossen hat. Durch solche Systeme ist es aber schwierig, die Nuancen des Urheberrechts richtig zu erfassen; schließlich dürfen urheberrechtlich geschützte Werke unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Erlaubnis des Rechteinhabers genutzt werden. Die Bedenken, dass es durch „Upload-Filter“ zur Einschränkung der Meinungsfreiheit kommen kann, sind daher nachvollziehbar.

Dem möchte aber Art 17 der Richtlinie (EU) 2019/790 vorbeugen. Dort ist zum Schutz der Meinungsfreiheit vorgesehen, dass die Umsetzung dieser Vorgaben nicht dazu führen darf, dass von Nutzern hochgeladene Werke, bei denen kein Verstoß gegen das Urheberrecht vorliegt, nicht verfügbar sind. Das gilt auch dann, wenn die Nutzung des Werks im Rahmen einer Ausnahme oder Beschränkung erlaubt ist. Ausdrücklich genannt wird, dass sich Nutzer z.B. auf Ausnahmen oder Beschränkungen des Urheberrechts im Rahmen von Zitaten und Rezensionen sowie für die Nutzung zum Zweck von Karikaturen oder Parodien berufen können.

Außerdem müssen Dienstanbieter den Nutzern für Streitfälle (z.B. über Zugangssperren oder die Entfernung von hochgeladenen Werken) wirksame und zügige Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren zur Verfügung stellen. Wenn ein Rechteinhaber eine Zugangssperre oder die Entfernung eines Werks verlangt, muss die Entscheidung darüber einer von Menschen durchgeführten Überprüfung unterzogen werden.

Wie die Umsetzung in Österreich durch die geplante Urheberrechtsnovelle 2021 konkret aussehen wird, ist noch nicht bekannt. Es gibt zwar bereits erste Arbeitsentwürfe, die Stakeholdern (Verwertungsgesellschaften, WKO, ORF, etc.) übermittelt wurden; dabei sind die Reaktionen seitens der Verwertungsgesellschaften als Vertreter der Rechteinhaber und den Wirtschaftsorganisationen laut Medienberichten höchst unterschiedlich ausgefallen. Letztere befürchten eine Überregulierung (sogenanntes „Gold-Plating“) zugunsten der Rechteinhaber. Eine reguläre Begutachtung, im Rahmen derer auch die Öffentlichkeit dazu Stellung nehmen kann, hat aber noch nicht stattgefunden.

In einer parlamentarischen Anfragebeantwortung vom 11.5.2020 (GZ: 2020-0.179.112) hat die Bundesministerin für Justiz zur Frage Stellung genommen, ob Inhalte beim Hochladen automatisiert gefiltert werden sollen. Dazu wird die Ansicht vertreten, dass sich aus der Formulierung von Art 17 der Richtlinie (EU) 2019/790 ergibt, dass die Rechteinhaber selbstständig tätig werden sollen, weil sie einschlägige und notwendige Informationen zu geschützten Werken bereitstellen müssen. Eine automatisierte Filterung nicht lizenzierter Inhalte ist daher nicht vorgesehen.

Es ist richtig, dass Art 17 der Richtlinie (EU) 2019/790 keine Pflicht zur Einführung eines „Upload-Filters“ vorsieht, weil vorrangig Lizenzvereinbarungen zwischen den Dienstanbieter und Rechteinhabern abgeschlossen werden sollen. Wenn es aber keine Erlaubnis des jeweiligen Rechteinhabers gibt, greift die Haftung der Dienstanbieter. Diese haben damit ein nachvollziehbares Interesse daran, von Hochladen urheberrechtlich geschützter Inhalte (für die er über keine Lizenz verfügt) Kenntnis zu erlangen. Angesichts der Datenmengen erscheint daher der Einsatz von „Upload-Filtern“ faktisch unvermeidbar.

Wie rechtlich (und auch technisch) bewerkstelligt wird, dass das Hochladen von geschützten Werken im Rahmen einer Ausnahme oder Beschränkung des Urheberrechts möglich bleibt, wird den österreichischen Gesetzgeber und die Dienstanbieter vor eine beträchtliche Herausforderung stellen.

AutorIn

Michael Froner

Rechtsanwalt