VfGH-Erkenntnis zu Wertsicherungsklauseln im Mietverträgen – viel Lärm um wenig Neues
25.07.2025
AutorIn
Edda Moharitsch-Unfricht
Rechtsanwältin

In den vergangenen Tagen war das neue Erkenntnis zu G 170/2024, G 37–38/2025 des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zu Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen ein dominierendes Thema in den Medien. Überschriften wie „Vermieter in Panik“ oder „Mietrecht vor Umbruch“ ließen vermuten, dass die österreichische Rechtslandschaft auf den Kopf gestellt wurde. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Das Erkenntnis bringt keine grundlegend neuen rechtlichen Maßstäbe, sondern bestätigt im Wesentlichen nur die bisherige Rechtsprechung und Rechtslage.
Worüber hat der VfGH entschieden?
Der VfGH hat über die Verfassungskonformität des § 6 Abs 2 Z 4 Konsumentenschutzgesetz (KSchG) entschieden. Nach § 6 Abs 2 Z 4 KSchG sind Vertragsbestimmungen gegenüber Verbrauchern unwirksam, die eine Anpassung des Entgelts innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsabschluss vorsehen. Konkret ging es um Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen, die eine Erhöhung des Mietzinses bereits kurz nach Vertragsabschluss ermöglichen. Solche Klauseln sind laut § 6 Abs 2 Z 4 Konsumentenschutzgesetz (KSchG) nur dann gültig, wenn sie individuell mit dem Mieter ausgehandelt wurden. Ansonsten sind sie nichtig, und das bedeutet womöglich: Die gesamte Klausel fällt weg, nicht nur der unzulässige Teil.
Der VfGH bestätigte nun die Verfassungskonformität des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG und betont, dass der Eingriff in das Eigentumsrecht der Vermieter durch legitime Ziele des Verbraucherschutzes gerechtfertigt und verhältnismäßig ist. Dass bedeutet, dass der vollständige Wegfall der nach KSchG unwirksamen Klausel – verfassungskonform ist. Damit stärkt das Erkenntnis den Verbraucherschutz, ändert aber nicht das bisherige Verständnis der Rechtslage. Bereits der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte zuvor mehrfach klargestellt, dass derartige Klauseln ohne Individualvereinbarung nicht zulässig sind und vollständig wegfallen (zuletzt in seiner Entscheidung OGH 2 Ob 36/23t vom 24.5.2023). Dieses Risiko der vollständigen Unwirksamkeit einer solchen Wertsicherungsklausel, besteht daher weiterhin, betrifft jedoch ausschließlich Mietverträge mit Verbrauchern.
Warum die Aufregung?
Die mediale Berichterstattung erweckte den Eindruck, als ob Vermieter künftig keine Wertsicherungsklauseln mehr verwenden dürften und war insofern irreführend. Wertsicherungsklauseln bleiben weiterhin zulässig – sie müssen nur richtig gestaltet sein. Das bedeutet konkret: Mietzinserhöhungen innerhalb der ersten zwei Monate dürfen nur dann erfolgen, wenn diese Erhöhung im Einzelfall ausdrücklich vereinbart wird. Erfolgt keine Individualvereinbarung, greift die gesetzliche Schutzbestimmung des KSchG und die gesamte Klausel fällt weg. § 6 KSchG, dessen Verfassungskonformität nun vom VfGH bestätigt wurde, gilt jedoch nur gegenüber Verbrauchern und ist auf Mietverträge mit Unternehmern nicht anzuwenden. Mieter sind dadurch vor unangekündigten kurzfristigen Mietzinserhöhungen geschützt – ein Prinzip, das bereits seit Jahren gilt.
Bemerkenswert ist daher weniger das Erkenntnis selbst, sondern vielmehr, dass die Entscheidung des VfGH über die Verfassungskonformität des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG (die an sich keine Überraschung ist) in der öffentlichen Diskussion als Sensation dargestellt wurde. In Wahrheit entspricht das Erkenntnis der bereits seit über zwei Jahren etablierten Rechtsprechung.
Was bedeutet das für bestehende Wertsicherungsklauseln?
Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen sind nach wie vor zulässig.
Zwar hat der Oberste Gerichtshof (OGH) in den letzten Jahren einige Angriffspunkte für Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen eröffnet und eine geltungserhaltende Reduktion von nach § 6 KSchG unzulässigen Wertsicherungsklauseln bei Verbraucherverträgen abgelehnt, sodass in einem solchen Fall die gesamte Wertsicherungsklausel nichtig ist. Doch darf nicht übersehen werden, dass der OGH zuletzt in seiner Entscheidung 10 Ob 54/24z vom 17.Dezember 2024 ausgesprochen hat, dass Vereinbarungen einer Wertsicherung auf Basis des Verbraucherpreisindex (VPI) in Mietverträgen grundsätzlich zulässig sind, und eine solche Vereinbarung nicht per se dem Sachlichkeitsgebot widerspricht. Weitere Informationen zu dieser Entscheidung des OGH finden Sie in diesem Blogbeitrag)
Auch gegenüber Verbrauchern können Wertsicherungsklauseln daher weiterhin verwendet werden, sofern diese eine erste Anpassung des Mietzinses erst nach Ablauf von zwei Monaten nach Vertragsschluss vorsehen oder im Einzelfall individuell ausgehandelt wurden. Nur Indexklauseln, die auf Zeitpunkte vor Vertragsabschluss Bezug nehmen oder innerhalb der ersten zwei Monate zu einer Erhöhung führen, sind unzulässig und werden zur Gänze unwirksam.
Was ist mit Rückforderungsansprüchen der Mieter?
Unzulässig formulierte Wertsicherungsklauseln sind ein Risiko für Vermieter und können Rückforderungsansprüche der Mieter nach sich ziehen, doch das ist nicht neu. Für Mieter hat sich durch das Erkenntnis des VfGH nichts geändert – die Chancen bei der Anfechtung von Wertsicherungsklauseln in ihren Mietverträgen sind dadurch weder besser noch schlechter geworden.
Im Hinblick auf etwaige Rückforderungsansprüche von Mietern sei Vermietern die Argumentationslinie der „Klauselteilbarkeit“ ans Herz gelegt, welche vom OGH bestätigt wurde. Ob Rückforderungsansprüche von Mietern tatsächlich zu Recht bestehen, wird im Zivilverfahren von den ordentlichen Gerichten und – immer unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – entschieden. Spannend wird dabei noch die Frage der Verjährungsfrist.
Vermietern ist (weiterhin) angeraten, bestehende Vertragsmuster zu prüfen und – wenn nötig – anzupassen und die Risiken aus der Vergangenheit zu evaluieren.
Fazit
Das VfGH-Erkenntnis bestätigt lediglich, dass die geltende Rechtslage verfassungskonform ist und beim Gesetz keine grundlegenden Änderungen erforderlich sind. Bei Mietverträgen kann dies aber sehr wohl dringend geboten sein, ebenso wie die Analyse des Bestandes und daraus resultierende Risiken.
AutorIn
Edda Moharitsch-Unfricht
Rechtsanwältin