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Österreichs Corona-Impfpflicht

24.11.2021 - Lesezeit: 5 Minuten

AutorIn

Monika Sturm

Partnerin

Am 1. Februar 2022 soll in ganz Österreich eine generelle Impfpflicht gegen das Coronavirus in Kraft treten. Die entsprechende Rechtsgrundlage existiert derzeit noch nicht. Die verfassungsrechtliche Rechtmäßigkeit dieser Regelung wird ferner von einigen Rechtsexperten angezweifelt.

Was haben Österreich und der Vatikanstaat gemein? Im ersten Moment lassen sich nicht allzu viele Gemeinsamkeiten mit dem kleinsten Land der Welt finden. Sieht man sich jedoch die Maßnahmen an, die beide Staaten zur Bekämpfung der Corona-Pandemie setzen, findet sich eine große Gemeinsamkeit, die Corona-Impflicht. Eine Impfpflicht stellt in Westeuropa ein Novum dar, denn bis auf Österreich und der Vatikanstaat hat bislang kein Staat Europas so eine Maßnahme in Erwägung gezogen. 

In Österreich sollen die Menschen ab 1.Februar 2022 dazu verpflichtet werden, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Diese Maßnahme schließt eine verpflichtende Auffrischungsimpfung für bereits geimpfte Personen mit ein. Eine Impflicht stellt in Österreich nichts Neues dar, ging doch mit dem Bundesgesetz über Schutzimpfungen zu Pocken am 30.Juni 1948 eine Maßnahme einher, die eine Nichtbefolgung der Impfung mit einer Verwaltungsstrafe sanktionierte. Verwaltungsstrafen sind auch bezüglich der Corona Impfpflicht 2022 vorgesehen. Es sind Geldbußen von bis zu EUR 3.600,-- für Impfverweigerer und von bis zu EUR 1.450,-- für Menschen, die eine Auffrischungsimpfung nicht wahrnehmen, vorgesehen. Ferner drohen Impfverweigern bei Nicht-Befolgung des neuen Bundesgesetzes Freiheitsstrafen von bis zu vier Wochen. 

Über die rechtliche Grundlage für die Impfpflicht 2022 wird noch im Parlament debattiert, die Zustimmung zum neuen Gesetz scheint aber sicher. Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit einer Impfpflicht mit den Grundrechten treten mit Blick auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) auf. Nach Art 8 Abs 1 EMRK würde eine Impfpflicht nämlich einen Grundrechtseingriff darstellen, der mit der Integrität und Selbstbestimmung des Einzelnen bezüglich medizinischer Eingriffe begründet wird. Demgegenüber geht mit Art 8 Abs 2 EMRK eine positive Pflicht des Staates einher, zum Schutze der Gesundheit der Allgemeinheit entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Ob die Impfpflicht gerechtfertigt ist, ist anhand der Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen. Hierbei wird zunächst einmal überprüft, ob die Impfpflicht zur Erreichung des Schutzziels geeignet ist, in weiterer Folge, ob eine Erforderlichkeit vorliegt oder andere gelindere Mittel vorhanden sind. Im letzten Schritt wird die Adäquanzprüfung vorgenommen, es wird also geschaut, ob die entsprechende Maßnahme in Hinblick auf die privaten Interessen der Betroffenen und des Staates angemessen ist.  

Nach derzeitigem Stand wird die Corona -Impfpflicht mehrheitlich für rechtlich zulässig erachtet. Eine Impfung greift zwar in die körperliche Integrität und das Recht auf Privatleben des Einzelnen ein, allerdings kann dieser Eingriff gerechtfertigt sein, wenn der Vorteil für die Bevölkerung die Nachteile des Einzelnen überwiegt. Die Impfpflicht ist daher dann zulässig, wenn sie erforderlich ist, um die Pandemie zu stoppen. Bei der Beurteilung einer Impfpflicht kommt es unter anderem darauf an, wie ansteckend und gefährlich die Krankheit ist und ob ohne verpflichtende Impfung eine Überlastung der Intensivstationen droht. Ein wesentlicher Faktor ist auch die Wirksamkeit der Impfung. Auch der mangelnde Erfolg einer freiwilligen Impfung kann eine Impfpflicht rechtfertigen.
 

AutorIn

Monika Sturm

Partnerin