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Novelle zum ÜbG in Kraft

02.08.2022

AutorIn

Peter Blaschke

Rechtsanwalt

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 9.9.2021 in der Rechtssache C-546/18 (Adler Real Estate u.a.) dem Verfahren vor der österreichischen Übernahmekommission (ÜbK) ein Rechtsstaatlichkeitsdefizit attestiert (siehe dazu den Blogbeitrag vom 16.9.2021). Dieses Rechtsstaatlichkeitsdefizit wurde mit der mit Spannung erwarteten Novelle zum ÜbG, die am 27.7.2022 im Bundesgesetzblatt verlautbart wurde (BGBl 124/2022) und mit 1.7.2022 rückwirkend in Kraft getreten ist, beseitigt. Der Gesetzgeber hat die Novelle zudem zum Anlass genommen, die Regelungen zum Creeping-In anzupassen.

Rechtsmittelmöglichkeiten

Gemäß § 30a Abs 1 ÜbG kann gegen Bescheide der ÜbK nunmehr Rekurs an das Oberlandesgericht Wien (OLG Wien) erhoben werden. Das OLG Wien hat die Regeln des Außerstreitgesetzes anzuwenden und ist berechtigt, die Tatsachenfeststellungen der ÜbK zu überprüfen. Damit wurde der wesentliche Kritikpunkt des EuGH, die Unüberprüfbarkeit der Tatsachenfeststellungen der ÜbK, beseitigt.

Der Rekurs an das OLG Wien hat aufschiebende Wirkung. Allerdings kann die ÜbK die aufschiebende Wirkung ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage soll dies zB dann der Fall sein, wenn die Veröffentlichung einer Angebotsunterlage untersagt wurde.

Gegen die Entscheidung des OLG Wien ist ein Revisionsrekurs an den OGH möglich. Ein solcher ist allerdings nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Creeping-In

Bisherige Rechtslage

Nach der bisherigen Rechtslage hatte derjenige, der zu einer kontrollierenden Beteiligung, ohne dass ihm die Mehrheit der auf die ständig stimmberechtigten Aktien entfallenden Stimmrechte zusteht, innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten Aktien hinzuerwirbt, die ihm zusätzlich mindestens 2 % der Stimmrechte der Zielgesellschaft verschaffen, dies der ÜbK unverzüglich mitzuteilen und innerhalb von 20 Börsentagen ein Pflichtangebot zu machen (Creeping-In). 

Die Regelungen zum Creeping-In standen seit der Erlassung des ÜbG in der Kritik. Sie wurden im internationalen Vergleich als Hemmnis und schwer administrierbar empfunden. Wegen der wechselseitigen Zurechnung von Beteiligungen gemeinsam vorgehender Rechtsträger (§ 23 Abs 1 ÜbG) stellte sich bei Syndikaten zusätzlich das Problem, dass Zukäufe der einzelnen Syndikatspartner koordiniert und überwacht werden mussten, um nicht (unbeabsichtigt) die Schwelle von 2 % zu überschreiten.

Änderungen der Novelle

Mit der Novelle des ÜbG wurden diese Probleme nur unzureichend adressiert:

  1. Der Betrachtungszeitraum für das Creeping-In wurde von einem revolvierenden Zeitraum von 12 Monaten auf das Kalenderjahr geändert.
  2. Die Schwelle von 2 % der Stimmrechte wurde auf 3 % angehoben.
  3. Zukäufe innerhalb des Betrachtungszeitraums können nun mit Verkäufen innerhalb des Betrachtungszeitraums saldiert werden.

Mit diesen Änderungen wurde das Creeping-In sicher administrierbarer. Allerdings wurde der Schutzzweck des Creeping-In, die Minderheitsaktionäre wirtschaftlich am Ausbau einer kontrollierenden Beteiligung teilhaben zu lassen, deutlich verwässert. Durch die Umstellung des Betrachtungszeitraums auf das Kalenderjahr ist es jetzt möglich, um den Jahreswechsel herum eine bestehende Beteiligung um bis zu 6 % aufzustocken, ohne dass den Minderheitsaktionären ein Pflichtangebot unterbreitet werden müsste.

Neue Ausnahmetatbestände

In § 25 Abs 1 Z 7 ÜbG wurden zwei neue Ausnahmetatbestände geschaffen. Trotz Vorliegen eines Creeping-In ist in folgenden Fällen kein Übernahmeangebot zu machen:

  1. Der Aktionär verfügt bereits über die Mehrheit der auf die ständig stimmberechtigten Aktien entfallenden Stimmrechte und hat diese Mehrheit nur vorübergehend und ohne den beherrschenden Einfluss zu verlieren, unterschritten (§ 25 Abs 1 Z 7 lit a ÜbG).Wann eine bloß „vorübergehende“ Unterschreitung vorliegt, wird durch die Rechtsprechung zu konkretisieren sein. Eine Parallele zu § 25 Abs 1 Z 3 ÜbG, der auf das kurzfristige Überschreiten der Kontrollschwelle abstellt, bietet sich an. In einer bereits sehr alten Entscheidung aus dem Jahr 1999 hat die ÜbK einen Zeitraum von etwa einem Monat noch als vorübergehend betrachtet. Während § 25 Abs 1 Z 3 ÜbG zudem fordert, dass die Überschreitung unverzüglich rückgängig gemacht wird, fehlt dieses Erfordernis in § 25 Abs 1 Z 7 lit a ÜbG. Es bleibt abzuwarten, ob dies zu einem praktischen Unterschied führt.
  2. Der Aktionär hat bereits einmal wegen des Vorliegens eines Creeping-In ein Pflichtangebot gestellt und durch den nunmehrigen Erwerb wird keine Mehrheit der auf die ständig stimmberechtigten Aktien entfallenden Stimmrechte erworben (§ 25 Abs 1 Z 7 lit b ÜbG)Ein Creeping-In unterhalb einer Mehrheitsbeteiligung soll daher nur einmal ein Pflichtangebot auslösen. Dies führt dazu, dass bewusst ein Pflichtangebot bei niedrigen Preisen ausgelöst werden könnte. Wird dieses wegen des niedrigen Preises nicht angenommen, könnte die kontrollierende Beteiligung nachfolgend ausgebaut werden, ohne dass die Beschränkungen des Creeping-In erneut zur Anwendung gelangen würden.

Beide Ausnahmetatbestände verfolgen das Ziel, die Bestimmungen des Creeping-In administrierbarer zu machen. Wie sehr damit aber Möglichkeiten für taktisches Vorgehen eröffnet wurden, wird die Praxis zeigen.

Parteistellung

Verfahren vor der ÜbK können dazu führen, dass nachfolgend ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die Organe des Bieters eingeleitet wird, weil diese Verpflichtungen nach dem ÜbG verletzt haben (siehe dazu den Katalog der Strafbestimmungen in § 35 ÜbG).

Die Organe des Bieters sind in einem (zivilrechtlichen) Verfahren, in dem es beispielsweise darum geht, ob ein Pflichtangebot zu stellen war, regelmäßig nicht Partei. Im nachfolgenden Verwaltungsstrafverfahren sind sie daher an die Feststellungen der ÜbK im (zivilrechtlichen) Vorverfahren nicht gebunden.

Um dem entgegenzuwirken und um konsistente Entscheidungen herbeizuführen, erlaubt es der neue § 33 Abs 1 Z 3a ÜbG der ÜbK, Personen durch Verfahrensanordnung Parteistellung zu gewähren, um den betreffenden (zivilrechtlichen) Feststellungsbescheid als Grundlage für ein Strafverfahren gemäß § 35 ÜbG heranziehen zu können. Es handelt sich dabei um eine verfahrensökonomische Ermessensentscheidung der ÜbK.

 

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Peter Blaschke

Rechtsanwalt