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Kartellgesetznovelle bringt Stärkung des Private Enforcement

23.06.2017 - Lesezeit: 3 Minuten

AutorIn

Lukas Flener

Partner

Das Kartell- und Wettbewerbsrechtsänderungsgesetz 2017 dient der Umsetzung der EU-Schadenersatzrichtlinie und versucht auch einige Nachbersserungen, wie etwa die fusionskontrollrechtliche Lücke für die Übernahme von Technologieunternehmen wie WhatsApp zu schließen. Nebenbei erhöhen sich die Gebühren um 130 %. Ob die Kronzeugenregelung noch funktioniert und attraktiv ist, ist nach dieser Gesetzesänderung zweifelhaft. Eindeutiger Schwerpunkt ist die Umsetzung der EU-Schadenersatzrichtlinie (RL 2014/104/EU vom 26.11.2014, ABL L 2014/349, 1).

Durch die vorgenommenen Änderungen im Kartellgesetz 2005 soll die private Rechtsdurchsetzung durch Schadenersatzklagen infolge von Wettbewerbsrechtsverletzungen (Private Enforcement) gestärkt werden. Gerade in Österreich, das europaweit eine Vorreiterrolle im gerichtlichen Kartellschadenersatzrecht einnimmt, wurden diese Regelungen mit Spannung erwartet, da die geführten Schadenersatzprozesse zum Teil auf große praktische Schwierigkeiten gestoßen sind. Die Änderungen ermöglichen nun eine einfachere und vollständige Geltendmachung von Schadenersatz, ohne hierbei jedoch das Prinzip der Verschuldenshaftung sowie des Ersatzes des entgangenen Gewinns grundlegend zu verändern. Der Geschädigte soll in die Lage versetzt werden, in der er sich ohne schädigendes Ereignis befunden hätte. Die betreffenden Änderungen des Kartellrechts sind daher in der praktischen Auswirkung für Österreich geringer als der Umfang der Reform annehmen ließe.

Neu ist die widerlegbare Vermutung, dass ein Kartell zwischen Wettbewerbern einen Schaden verursacht. Dies ist eine wesentliche Erleichterung für Geschädigte bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche. Dabei wird allerdings nur das Entstehen des Schadens vermutet nicht aber seine Höhe. Der Nachweis der Höhe obliegt nach wie vor dem Schadenersatzkläger. Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass auch nur horizontale und nicht auch vertikale Absprachen derart privilegiert sind. Mittelbar durch das Kartell Geschädigte können in Zukunft auch leichter ihre Ansprüche geltend machen. Für sie gelten ebenfalls Beweiserleichterungen. Besondere Regelungen gelten für KMU und für Kronzeugen: Sie haften nur für ihre eigenen Kunden und nicht für Schäden, die Kunden anderer am Kartell beteiligter Unternehmen erlitten haben. Dem gegenüber gibt es eine Haftung aller sonstigen Kartellanten gegenüber allen Geschädigten, das heißt auch gegenüber Geschädigten anderer Kartellanten. Vorbehaltlich eines entsprechenden „Innenregresses“ besteht daher ein nahezu uferloses Haftungsrisiko. Die Privilegierung kommt nur dem Ersten, nicht aber weiteren Kronzeugen zugute!

Wesentlich verlängert wurde die Verjährung von Schadenersatzansprüchen, die in Zukunft erst nach 5 Jahren verjähren. Die Frist beginnt erst mit Kenntnis des Schadens und des Schädigers, sowie des schädigenden Verhaltens und der Tatsache, dass dieses Verhalten eine Wettbewerbsverletzung darstellt. Die Fristen beginnen daher praktisch in der Regel erst mit Feststellung der Wettbewerbsverletzung durch ein Gericht oder einer Behörde. Die absolute Verjährungsfrist wurde hingegen von 30 auf 10 Jahre reduziert. Ein kartellgerichtliches Verfahren sowie behördliche Ermittlungen hemmen den Fristablauf. Die gehemmte Frist läuft frühestens ein Jahr nach Entscheidung bzw Abschluss der Untersuchungen aus und gibt damit einem Kläger genug Zeit eine Klage vorzubereiten. Die Wahrnehmbarkeit der Ermittlungen von Wettbewerbsbehörden bleibt allerdings für Außenstehende schwer.

Wesentliche Erleichterungen gibt es auch bei der Offenlegung von Beweismitteln. Erstmals kann auf begründeten Antrag einer Partei, der Gegenpartei oder einem Dritten aufgetragen werden, Beweismittel in Verfügungsgewalt offenzulegen, einschließlich solcher Beweismittel, die vertrauliche Informationen enthalten. Die Offenlegung unterliegt einer Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die Gerichte. Der Antrag auf Offenlegung setzt aber die Erhebung einer Klage voraus. Auch Beweismittel in Behörden, und Gerichtsakten können gefordert werden. Diese Beischaffung ist subsidiär zu jener bei den Parteien oder Dritte. Kronzeugenerklärung und Vergleichsausfertigungen sind von der Offenlegung ausgeschlossen.

Die Änderungen des Kartellgesetztes durch die EU Schadenersatzrichtlinie verstärken merklich die Rechte des durch ein Kartell Geschädigten, geben aber auch dem Schädigenden nach wie vor hinreichend Handhabe gegen Schadenersatzansprüche vorzugehen. Die neugeschaffenen Möglichkeiten gehen über den bereits in Österreich sehr ausgeprägten Schadenersatz bei Kartellverstößen nochmals deutlich hinaus. Geschädigte haben daher neue Waffen und die Schädigenden sollten sich daher auf einen verschärften Abwehrkampf einstellen. Ob die Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung allerdings vor dem bestehenden Regime die beste Wahl der Verteidigung ist, ist nach der Reform nicht immer gesichert.

AutorIn

Lukas Flener

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