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Investitionskontrollgesetz: Neue Regeln für ausländische Direktinvestitionen in Österreich

29.07.2020 - Lesezeit: 4 Minuten

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Florian Kranebitter

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Der seit 25. Juli 2020 geltende neue Rechtsrahmen für die Kontrolle ausländischer „Direktinvestitionen“ in österreichische Unternehmen im Bereich kritischer Infrastruktur und bestimmter sensibler Bereiche bringt neue Herausforderungen für die Investitions- und Transaktionspraxis.

Mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes, mit dem ein Investitionskontrollgesetz erlassen und das Außenwirtschaftsgesetz 2011 geändert wird, am 25. Juli 2020 wurde in Österreich die FDI-Screening-Verordnung (Verordnung (EU) 2019/452 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union) umgesetzt. Das bisher „schlanke“ in § 25a Abs 2 ff Außenwirtschaftsgesetz verankerte nationale Investitionskontrollregime, wurde in dem neuen Investitionskontrollgesetz (InvKG) zusammengefasst und sowohl in Hinblick auf den Anwendungsbereich, als auch das Verfahren und insbesondere um eine umfassendere europaweit koordinierte Kontrolle von Drittstaatinvestition in systemrelevante österreichische Unternehmen deutlich erweitert. Nach dem InvKG genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte gelten ex lege unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, dass die entsprechende Genehmigung erteilt wird.

Für die Genehmigung ist die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zuständig, der zur Beratung das Komitee für Investitionskontrolle beigeordnet ist.

Genehmigungspflicht einer ausländischen Direktinvestition

Gemäß § 2 InvKG unterliegt eine „ausländische Direktinvestition“ der Genehmigung der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (a) wenn das Zielunternehmen in einem der in der Anlage zum InvKG angeführten sensiblen bzw systemrelevanten Bereiche tätig ist und (b) bestimmte Stimmrechtsanteile erreicht oder überschritten werden oder sonst ein beherrschender Einfluss erlangt wird oder durch den Erwerb wesentlicher Vermögensbestandteile ein beherrschender Einfluss auf diese Teile des Unternehmens erworben werden. 

„Direktinvestitionen“ sind der unmittelbare oder mittelbare Erwerb eines österreichischen Unternehmens (Sitz und Hauptverwaltung in Österreich), von Stimmrechtsanteilen, einem beherrschenden Einfluss oder von wesentlichen Vermögensbestandteilen.

„Ausländisch“ wird die „Direktinvestition“ dadurch, dass zumindest eine der beteiligten Erwerber Drittstaatsangehöriger ist (keine Unionsbürgerschaft oder Staatsbürgerschaft eines EWR-Staates oder der Schweiz oder Sitz oder Hauptverwaltung außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz). Mit der Erweiterung des Anwendungsbereiches auf mittelbare Erwerbe sind daher auch Erwerbsvorgänge eines in der EU/EWR/Schweiz ansässigen Unternehmens, das durch einen Drittstaatangehörigen kontrolliert wird, erfasst.

Kleinstunternehmen und Start up-Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von weniger als zwei Millionen Euro sind generell von der Genehmigungspflicht ausgenommen. Darüber hinaus besteht eine generelle Ausnahme von der Genehmigungspflicht, wenn unions- oder völkerrechtliche Vorschriften einer Genehmigungspflicht entgegenstehen.

Gemäß § 27 InvKG gelten Rechtsgeschäfte über Vorgänge, die eine InvKG-Genehmigung erfordern, kraft Gesetzes unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, dass die entsprechende Genehmigung erteilt wird. Der Gesetzgeber hat in diesem Punkt einen beispielsweise von der Zusammenschlusskontrolle abweichenden Weg eingeschlagen und hat nicht eine Unwirksamkeit des Vertrags per se als Sanktion angeordnet, soweit Vertragsteile dem Durchführungsverbot widersprechen. Der Vollzug vor Genehmigung stellt darüber hin-aus eine mit Freiheitsstrafe bedrohte Straftat dar.

Betroffene Bereiche

Die Anwendung des InvKG setzt voraus, dass das österreichische Zielunternehmen in einem der in der Anlage zum InvKG genannten Bereiche tätig ist und unterscheidet dabei:

  •  „besonders sensible Bereiche“: dieser Teil 1 der Anlage enthält eine abschließen-de Aufzählung besonders sensibler Bereiche, namentlich Verteidigungsgüter und -technologien, das Betreiben von kritischer Energieinfrastruktur und kritischer digitaler Infrastruktur, Wasser, das Betreiben von Systemen zur Gewährleistung der die Datensouveränität und – COVID-19 veranlasst – die Forschung und Entwicklung in den Bereichen Arzneimittel, Impfstoffe, Medizinprodukte und persön-liche Schutzausrüstung; und
  • „andere Bereiche“ (Teil 2 der Anlage zum InvKG) in denen es zu einer Gefährdung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung einschließlich der Krisen- und Daseinsvorsorge kommen kann, wobei diese beispielhafte Aufzählung kritische Inf-rastrukturen, kritische Technologien, die Sicherheit der Versorgung mit kritischen Ressourcen, den Zugang zu oder die Kontrolle von sensiblen Daten und die Freiheit und Pluralität von Medien umfasst.

Mit Inkrafttreten des InvKG sind damit auch Bereiche erfasst, die zuvor keiner Genehmigungspflicht unterlagen (insbesondere kritischen Infrastrukturen und Technologien, die Versorgung mit kritischen Ressourcen, Erhalt der österreichischen Datensouveränität sowie Entwicklung von bzw Versorgung mit Arzneimittel und Impfstoffen).

Bemerkenswert ist, dass im Vergleich zur Rechtslage vor Inkrafttreten des InvKG Infrastruktureinrichtungen der Bereich der Aus- und Weiterbildung nicht mehr ausdrücklich als Bereiche, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreffen, erwähnt sind.

Relevante Stimmrechts-Schwellen

Beim (mittelbaren oder direkten) Erwerb von Stimmrechtsanteilen hängt die Genehmigungspflicht davon ab, ob bestimmte Schwellen überschritten werden. § 4 InvKG unter-scheidet folgende Mindestschwellen:

  •  wenn das Zielunternehmen in „besonders sensiblen Bereichen“ tätig ist: 10%, 25% und 50%;
  • wenn das Zielunternehmen in den anderen Bereichen tätig ist, in denen es zu ei-ner Gefährdung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung einschließlich der Krisen- und Daseinsvorsorge kommen kann: 25% und 50%.

Die (erste) Stimmrechtsschwelle für besonders sensible Bereichen wurde im Vergleich zur Rechtslage vor Inkrafttreten des InvKG damit deutlich (von bisher 25% auf 10%) gesenkt.

§ 5 InvKG enthält detaillierte Regelungen für die Ermittlung der Stimmrechtsanteile, wobei bei einem Erwerb durch mehrerer ausländische Personen die Stimmrechtsanteile im Unter-nehmen grundsätzlich zusammenzurechnen sind.

Genehmigungsverfahren

Ein Genehmigungsantrag ist unverzüglich nach Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts (Sig-ning), oder, im Fall eines öffentlichen Angebots, unverzüglich nach Bekanntgabe der Absicht zum Beteiligungserwerb, zu stellen. Der Genehmigungsantrag hat im Wesentlichen nebst Angaben zu den erwerbenden Personen (einschließlich den wirtschaftlichen Eigentümern), zum Zielunternehmen und der Transaktionsstruktur sowie Angaben zur Geschäftstätigkeit der Erwerber und des Zielunternehmens (einschließlich eine Marktbeschreibung und eine Beschreibung zu den Mitbewerbern) auch Angaben zur Finanzierung der Transaktion und der Herkunft der finanziellen Mittel zu enthalten, sowie – sofern abschätzbar – eine Angabe dazu, ob Auswirkungen auf „Programme von Unionsinteresse“ zu erwarten sind (vgl im Detail § 6 Abs 4 Z 1 bis Z 10 InvKG).

Die Pflicht zur Antragstellung trifft gemäß § 6 Abs 1 InvKG grundsätzlich den bzw die Er-werber. Wird dem Zielunternehmen allerdings ein „beabsichtigter genehmigungspflichtiger Erwerbsvorgang bekannt und wurde ihm keine Information über einen Genehmigungsantrag übermittelt“, ist das Zielunternehmen verpflichtet, unverzüglich diesen Umstand anzu-zeigen (wobei die Anzeige die Angaben gemäß § 6 Abs 4 Z 1 bis 10 InvKG zu umfassen hat, soweit sie dem Zielunternehmen zum Zeitpunkt der Anzeige bekannt sind). Kommt das Zielunternehmen dieser Anzeigeverpflichtung nicht nach, droht eine Verwaltungsstrafe je nach verschuldensgrad in der Höhe von bis zu EUR 40.000,-- .

Die Zeittangente der Erledigung eines Genehmigungsantrags stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

  • Phase 1 -Verfahren: binnen Monatsfrist nach Einlangen und Ablauf der EU-Konsultationsfristen (vgl im Detail § 12 Abs 5 InvKG; jedenfalls 35 Kalendertage-Frist für Stellungnahmen der Europäischen Kommission zu beachten) oder „in Fällen besonderer Dringlichkeit“ (vgl § 12 Abs 9 InvKG) binnen Monatsfrist nach Einlangen ist (a) mit Bescheid festzustellen, dass ein Genehmigungsverfahren wegen einem solchen Verfahren entgegenstehender unions- oder völkerrechtlicher Verpflichtungen oder mangels Bedenken eines Verdachts auf Gefährdung der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung nicht eingeleitet wird oder (b) mit-zuteilen, dass Phase 2 eingeleitet wird; verstreicht die Monatsfrist ohne Bescheid oder Mitteilung, gilt die Genehmigung als erteilt.
  • Phase 2 – Verfahren (vertieftes Prüfungsverfahren): binnen 2 Monaten ab Mit-teilung über die Einleitung des vertieften Prüfungsverfahrens bescheidmäßige Genehmigung (mit oder ohne Auflagen) oder Verweigerung der Genehmigung, wenn eine Genehmigung mit Auflagen die Gefährdung der der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung nicht beseitigt; verstreicht die Zwei-Monatsfrist ohne Bescheid, gilt die Genehmigung als erteilt.

Alternative Unbedenklichkeitsbescheinigung

In manchen Konstellationen – um aus dem Blickwinkel des Interesses der Parteien eine möglichst sichere Transaktionsperspektive bereits in einer frühen Phase zu erlangen – kann die durch § 9 InvKG eröffnete Möglichkeit, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erlangen, eine probate Alternative zu einem Genehmigungsantrag nach Signing darstellen. Bin-nen zwei Monaten ab Einlangen des vollständigen Antrags auf Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung ist entweder mit Bescheid eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen, oder es erfolgt die Mitteilung, dass der Antrag als Genehmigungsantrag behandelt wird. Wird binnen dieser 2-Monatsfrist kein Bescheid erlassen und erfolgt auch keine Mitteilung über die Behandlung als Genehmigungsantrag, gilt die Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß § 9 Abs 4 InvKG als erteilt.

Die Kehrseite: Der Antrag auf Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung hat – so wie der Genehmigungsantrag gemäß § 6 InvKG – bereits alle Angaben gemäß § 6 Abs 4 Z 1 bis 10 InvKG zu enthalten (in frühen Transaktionsphasen werden diese Angaben schwer abschließend zu machen sein, zB die Angaben zur Finanzierung der Transaktion und zur Mittelherkunft).

Key-Take-Aways für die Transaktionspraxis

Einige Key-Take-Aways für die künftige Transaktionspraxis sind:

  • Die Stimmrechtsschwelle für besonders sensible Geschäftsbereiche wurde deutlich auf 10% gesenkt, was in der Praxis den Anwendungsbereich deutlich ausweitet.
  • Auch die Beteiligung an Unternehmensteilen in den relevanten Bereichen kann der Genehmigung gemäß InvKG unterliegen.
  • Die bloß demonstrative Aufzählung der „anderen Bereiche“ in denen ausländische Direktinvestitionen zu einer (sonstigen) Gefährdung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung einschließlich der Krisen- und Daseinsvorsorge führen könnten, führt zu einer erheblichen Einschätzungsunsicherheit, die praktisch nur durch ei-ne entsprechende Unbedenklichkeitsbescheinigung oder bescheidmäßige Feststellung, dass die Transaktion nicht gemäß InvKG genehmigungspflichtig ist, beseitigt werden kann.
  • Je nach Transaktionsstruktur und -Strategie wird zwischen den Optionen Genehmigungsantrag einerseits und Unbedenklichkeitsbescheinigung andererseits zu entscheiden sein.
  • Das InvKG ist, wie schon bisher die investitionskontrollrechtlichen Bestimmungen, auch bei Liefer- und Servicebeziehungen sowie Finanzierungen und bei letzteren insbesondere damit verbundenen Sicherheitenbestellungen (einschließlich Ver-wertungsoptionen) mitzubedenken.
  • Inwiefern Aspekte einer Transaktionsvereinbarung wie beispielsweise Call- und Put-Optionen, Aufgriffs- und Vorkaufsrechte, Rückkaufrechte oder Forward-Purchase-Vereinbarungen die in den Anwendungsbereich des InvKG fallen (oder fallen können) „in einem Genehmigungslauf“ miterledigt werden können, lässt das Gesetz offen, wird aber bei Einreichung eines Genehmigungsantrags oder dem Antrag auf Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung auch Anlass-fallbezogen zu beurteilen sein.

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Florian Kranebitter

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