Grunderwerbsteuer NEU: Konsequenzen für die Praxis
23.07.2025
AutorIn
Edda Moharitsch-Unfricht
Rechtsanwältin
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Mit 1. Juli 2025 sind weitreichende Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in Kraft getreten. Über die konkreten Änderungen des GrEStG hatten wir bereits im Juni 2025 berichtet (siehe dazu unseren damaligen Blogbeitrag). Besonders betroffen von den gesetzlichen Änderungen sind sogenannte Share Deals, also Anteilsübertragungen, von Immobiliengesellschaften. Unternehmen müssen sich auf eine erhebliche steuerliche Mehrbelastung, eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten und erhöhten Prüfaufwand einstellen.
Kernpunkte der Gesetzesreform
Senkung der Beteiligungsschwelle
Mit der Reform hatte sich der Gesetzgeber zum Ziel gesetzt, Share Deals mit Asset Deals gleichzustellen. Damit reagiert der Gesetzgeber auf bisherige Umgehungskonstruktionen und strukturelle Ungleichbehandlungen. Kernstück der Reform ist die Senkung der Beteiligungsschwelle für steuerpflichtige Anteilsvereinigungen von 95 % auf 75 %. Gleichzeitig wird der Beobachtungszeitraum von 5 auf 7 Jahre verlängert.
Im Fokus: Immobiliengesellschaften
Erstmals gesetzlich definiert ist auch der Begriff der Immobiliengesellschaft: Eine solche liegt laut gesetzlicher Definition vor, wenn der Schwerpunkt der Gesellschaft in der Veräußerung, Verwaltung oder Vermietung von Grundstücken liegt bzw die Gesellschaft überwiegend für diese Zwecke genutzt wird. Das sind typischerweise etwa Special Purpose Vehicles (SPVs), die Liegenschaften entwickeln und veräußern. Ob konkret eine Immobiliengesellschaft vorliegt, kann im Einzelfall durchaus strittig sein, nachdem das Gesetz nicht genau vorgibt, ab wann eine solche „überwiegende“ Nutzung vorliegt.
Neu ist zudem die Einbeziehung von Personenvereinigungen mit einheitlicher Leitung oder beherrschendem Einfluss sowie die Berücksichtigung mittelbarer Beteiligungen. Damit wird der Kreis der steuerlich erfassten Erwerbsvorgänge erheblich erweitert.
Neue Bemessungsgrundlage führt zu höherer Steuerlast
Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Grunderwerbsteuer ist seit 1.7.2025 nicht mehr der sogenannten Grundstückswert gemäß Grundstückswerteverordnung, sondern der gemeine Wert laut Bewertungsgesetz. Dieser liegt oft deutlich über dem bisherigen Grundstückswert und führt zu erheblicher steuerlicher Mehrbelastung, vor allem in urbanen Regionen und bei hochpreisigen Immobilien.
Im Zusammenhang mit der Senkung der Beteiligungsschwelle auf 75% hat diese Änderung der Bemessungsgrundlage maßgebliche Auswirkungen: Bereits bei der Übertragung von 75 % der Anteile wird nunmehr die Steuer auf Basis des vollen gemeinen Wertes berechnet, obwohl der wirtschaftliche Wert einer solchen Beteiligung regelmäßig geringer ist. Dies führt zu einer signifikant höheren Steuerbelastung, deren sachliche Rechtfertigung durchaus zu hinterfragen ist.
Konsequenzen für die Praxis und Kritik
Erhebliche Erhöhung der Steuerlast bei Share Deals
Wird nunmehr eine Immobiliengesellschaft (direkt oder mittelbar) zu mindestens 75 % in einer Hand vereint, veräußert oder umgegründet, fällt seit 1.7.2025 GrESt in Höhe von 3,5 % des gemeinen Werts der Grundstücke an – statt bisher maximal 0,5 % vom Grundstückswert.
Kritisch zu sehen ist, dass auch konzerninterne Anteilsübertragungen (Umstrukturierungen) steuerpflichtig sind, sofern die 75 %-Grenze erreicht wird, obwohl sich die wirtschaftlichen Eigentumsverhältnisse nicht ändern. Dies widerspricht dem Grundgedanken des Umgründungssteuerrechts, das strukturelle Anpassungen erleichtern soll und bringt für Unternehmensgruppen eine erhebliche steuerliche Zusatzbelastung.
Besonders problematisch ist, dass auch nachträgliche kleinere Anteilsverschiebungen oberhalb der 75 %-Schwelle steuerpflichtig sein können, selbst wenn der maßgebliche Schwellenwert bereits zuvor überschritten war. Dies kann zu unverhältnismäßiger Steuerlast führen.
Rechtsunsicherheit sowie Erschwernisse in der praktischen Handhabung
Die neuen gesetzlichen Bestimmungen sind nicht immer eindeutig und klar definiert. So ist beispielsweise unklar, wann von einer „überwiegenden Nutzung“ einer Gesellschaft zu Zwecken der Veräußerung, Vermietung oder Verwaltung von Grundstücken und damit von einer Immobiliengesellschaft auszugehen ist.
Der Wechsel der Bemessungsgrundlage vom leicht ermittelbaren Grundstückswert hin zum gemeinen Wert bringt zusätzlichen Aufwand mit sich, denn für die Ermittlung des gemeinen Wertes iSd § 10 Bewertungsgesetzes (BewG) wird in vielen Fällen die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sein.
Auch durch die Komplexität der neuen Regelugen wird die Selbstberechnung für die Parteienvertreter potenziell erschwert. Es ist daher zu befürchten, dass Parteienvertreter aufgrund des größeren Aufwands und der damit einhergehenden rechtlichen Unsicherheiten (und nicht zuletzt einem höheren Haftungsrisiko) vermehrt den Weg einer Abgabenerklärung anstatt der Selbstberechnung wählen.
Dies würde wiederum auf Seiten der Finanzverwaltung zu einem erheblichen Mehraufwand führen und wohl die Bearbeitungszeit des jeweiligen Steuersachverhaltes verlängern.
Resümee
Zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit den neuen gesetzlichen Regelungen des GrEStG sind in der Praxis noch ungelöst. Für Unternehmen ist es daher entscheidend, ihre Strukturen rechtzeitig zu prüfen und anzupassen, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.
Die neuen Regelungen machen viele bisher zulässige Gestaltungsmodelle unattraktiv oder obsolet. Strukturen, die bisher bewusst Beteiligungsschwellen unter 95 % eingehalten haben, verlieren ihre Wirksamkeit. Fondsstrukturen, Unternehmensgruppen und institutionelle Investoren müssen ihre Beteiligungen nun umfassend prüfen und ihre steuerlichen Risiken neu bewerten.
Unternehmen sollten bestehende Beteiligungs- und Finanzierungsketten lückenlos dokumentieren, steuerliche Risiken frühzeitig identifizieren und ihre Transaktionen an die neuen Rahmenbedingungen anpassen. Steuerliche und rechtliche Beratung ist daher unabdingbar.
AutorIn
Edda Moharitsch-Unfricht
Rechtsanwältin