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Freie Dienstnehmer und der Kollektivvertrag

24.09.2025

AutorIn

Florian Dauser

Rechtsanwalt

Paula Kalau

Associate

Freie Dienstnehmer machen in bestimmten Branchen einen vergleichsweisen großen Anteil der eingesetzten Arbeitskräfte aus, beispielsweise im Gesundheits- und Sozialwesen und in der IT- sowie Medienbranche. Die Vorteile für Unternehmen und Dienstnehmer liegen im Wesentlichen darin, dass sich Dienstnehmer ihre Arbeit frei einteilen und auch vertreten lassen können und Unternehmen relativ flexibel bei der Vertragsbeendigung sind. 

Ab 1. Jänner 2026 treten rechtliche Neuerungen zu freien Dienstverhältnissen in Kraft, die bei der Abwägung, welche Form der Beschäftigung gewählt wird, zukünftig eine große Rolle spielen wird.

Freies Dienstverhältnis

Die rechtliche Einordnung von freien Dienstnehmern kann in der Praxis Schwierigkeiten bereiten, da der freie Dienstvertrag als Vertragstyp gesetzlich nicht geregelt ist. Ein freies Dienstverhältnis liegt in der Regel vor, wenn eine Person im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses (anders als bei Werkverträgen, die ein Zielschuldverhältnis begründen) Arbeitsleistungen für den Vertragspartner erbringt, ohne dabei persönlich von diesem abhängig zu sein - wie es bei echten Arbeitnehmern der Fall ist - und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügt.

Freie Dienstnehmer werden zwar als selbstständig qualifiziert. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie wirtschaftlich unabhängig sind. Freie Dienstnehmer sind vielmehr – wie echte Arbeitnehmer – von ihrem Vertragspartner wirtschaftlich abhängig und daher zwischen echten Arbeitnehmern und Werkvertragsnehmern einzuordnen.

Freie Dienstnehmer erbringen ihre Arbeitsleistungen, ohne weisungsgebunden oder organisatorisch in den Betrieb eingebunden zu sein. Im Gegenzug gelten für Arbeitnehmer typische Schutzstandards wie ein Mindestentgelt, Erholungsurlaub oder Kündigungsschutz für freie Dienstnehmer (bisher) nicht.

Geltende Rechtslage

Da der freie Dienstvertrag mangels persönlicher Abhängigkeit des freien Dienstnehmers kein Arbeitsvertrag ist, finden viele arbeitsrechtliche Normen auf diese Vertragsverhältnis-se grundsätzlich keine Anwendung. Freie Dienstnehmer sind jedoch nicht völlig schutzlos. Einige arbeitsrechtliche Bestimmungen gelten bereits jetzt unmittelbar auch für den freien Dienstvertrag, wie etwa der Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzettels oder die Sicherung offener Ansprüche gegen zahlungsunfähige Dienstgeber. Auch die Bestimmungen des Arbeitsrechts, die nicht auf das persönliche Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers abstellen und den sozial Schwächeren schützen sollen, sind auf den freien Dienstvertrag entsprechend anzuwenden.

Wesentlich für freie Dienstverhältnisse war bislang insbesondere, dass sie nicht vom Anwendungsbereich von Kollektivverträgen umfasst sind und keine besonderen gesetzlichen Kündigungsfristen gelten.

Rechtslage ab 1. Jänner 2026

Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB), das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert wird, werden einerseits besondere Kündigungsfristen für freie Dienstnehmer in das ABGB aufgenommen und andererseits – durch die Ausdehnung des ArbVG auf freie Dienstnehmer – die Möglichkeit geschaffen, Kollektivverträge auf freie Dienstverhältnisse anzuwenden.

Durch die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des ArbVG auf freie Dienstnehmer soll jedoch kein neuer Arbeitnehmerbegriff im Sinne des ArbVG geschaffen werden, sondern der bestehende Anwendungsbereich soll um die Gruppe der freien Dienstnehmer erweitert werden. Einerseits können sohin zukünftig Kollektivverträge auch für freie Dienstnehmer abgeschlossen werden und andererseits kann der Anwendungsbereich bestehender Kollektivverträge auf freie Dienstnehmer ausgeweitet werden.

Kollektivvertragliche Mindestentgelte und kollektivvertraglich zustehende Sonderzahlungen würden sohin auch für freie Dienstnehmer gelten. Der Geltungsbereich der meisten arbeitsrechtlichen Gesetze wird freie Dienstnehmer zwar nicht umfassen, sodass auf diese Gesetze Bezug nehmende Regelungen in Kollektivverträgen – wie beispielsweise Regelungen aus dem Urlaubsgesetz oder dem Arbeitszeitgesetz – weiterhin nicht auf freie Dienstnehmer anzuwenden sein werden. Die Kollektivvertragsparteien könnten aber entsprechende Regelungen ausdrücklich für freie Dienstnehmer vereinbaren. Unternehmen werden sohin – neben der Beachtung kollektivvertraglicher Mindestentgelte und Sonderzahlungen – auch stets prüfen müssen, ob der anwendbare Kollektivvertrag eigene Regelungen für freie Dienstnehmer enthält.

Weiters werden eigene Kündigungsfristen für freie Dienstnehmer in das ABGB aufgenommen. Für die Zukunft bedeutet das für Unternehmen weniger Flexibilität bei der Beendigung freier Dienstverhältnisse.

Die Novelle des ArbVG soll am 1 Jänner 2026 in Kraft treten. Der Geltungsbereich, der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens geltenden Kollektivverträge bleibt davon unberührt, sodass sich der Geltungsbereich bestehender Kollektivverträge nicht automatisch um freie Dienstnehmer erweitert. Unternehmen, die freie Dienstnehmer beschäftigen, sollten aber jeden-falls überwachen, ob und welche Kollektivverträge zukünftig für ihre freien Dienstnehmer anwendbar werden.

Ausblick

Die anstehenden gesetzlichen Änderungen für freie Dienstnehmer ab 2026 werden voraussichtlich umfassende Änderungen im Umgang mit freien Dienstverhältnissen bringen. Unternehmen werden sich mit diesen Änderungen auseinandersetzen und in ihre Beurteilung der Attraktivität freier Dienstverhältnisse einbeziehen müssen.
 

AutorIn

Florian Dauser

Rechtsanwalt

Paula Kalau

Associate