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Entwurf der neuen Restrukturierungsordnung – welche Änderungen erwarten uns?

24.02.2021 - Lesezeit: 5 Minuten

AutorIn

Markus Fellner

Partner

Florian Kranebitter

Partner

Katharina Dobkiewicz

Rechtsanwältin

Elisabeth Fischer-Schwarz

Rechtsanwältin

v.l.n.r.: Johannes Sobotka, Elisabeth Fischer-Schwarz, Markus Fellner, Katharina Dobkiewicz und Florian Kranebitter

Am 22.2.2021 wurde der mit Spannung erwartete Ministerialentwurf betreffend das Bundesgesetz zur Umsetzung der Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie (EU) 2019/1023 (RIRL) veröffentlicht. Das Gesetz umfasst nicht nur ein neues Bundesgesetz über die Restrukturierung von Unternehmen („Restrukturierungsordnung“, kurz „ReO“), sondern auch Änderungen der Insolvenzordnung, des Gerichtsgebührengesetzes, des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes und des Rechtsanwaltstarifgesetzes. Die Begutachtungsfrist endet am 6.4.2021. Österreich ist verpflichtet, die Richtlinie bis zum 17.7.2021 umzusetzen.

Ziele der Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie (RIRL)

Wesentliches Ziel der RIRL ist ein europaweit harmonisierter präventiver Restrukturierungsrahmen, der es Schuldnern ermöglicht, sich zu restrukturieren, um so die unnötige Liquidation grundsätzlich bestandfähiger Unternehmen zu begrenzen. Bestandfähigen Unternehmen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, soll dazu ein gerichtliches „vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren“ zur Verfügung stehen.

Wesentliche Eckpfeiler der neuen Restrukturierungsordnung

Adressaten

Die neue Restrukturierungsordnung soll grundsätzlich auf alle Unternehmer anwendbar sein, wozu auch Einzelunternehmer zählen. Ausdrücklich ausgeschlossen sind allerdings bestimmte Unternehmen des Finanzsektors wie zB Kreditinstitute gemäß § 1 Abs 1 BWG, aber auch öffentliche Stellen und natürliche Personen, die keine Unternehmer sind

Restrukturierungsverfahren

 
Das Restrukturierungsverfahren soll Unternehmen im Fall einer „wahrscheinlichen Insolvenz“ zur Verfügung stehen. Es ist auf Antrag des Schuldners einzuleiten und soll dem Schuldner ermöglichen, eine Insolvenz abzuwenden und die Bestandfähigkeit seines Unternehmens sicherzustellen. Wahrscheinlich ist die Insolvenz, wenn der Bestand des Unternehmens des Schuldners ohne Restrukturierung gefährdet wäre. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn (a) die Zahlungsunfähigkeit droht oder (b) die Eigenmittelquote 8% unterschreitet und die fiktive Schuldentilgungsdauer 15 Jahre übersteigt. Für zahlungsunfähige Schuldner steht der präventive Restrukturierungsrahmen nicht zur Verfügung. Tritt Zahlungsunfähigkeit während des Verfahrens ein (oder lag sie bei Einleitung vor) und wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt, so hat das Gericht – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – ein Insolvenzverfahren zu eröffnen.

Das Restrukturierungsverfahren ist grundsätzlich ein Verfahren mit Eigenverwaltung. Nach dem Gesetzesentwurf soll der Schuldner im Restrukturierungsverfahren grundsätzlich ganz oder zumindest teilweise die Kontrolle über seine Vermögenswerte und den täglichen Betrieb seines Unternehmens behalten. Allerdings kann das Gericht bestimmte Rechtshandlungen an die Zustimmung eines sogenannten Restrukturierungsbeauftragten binden oder einem Restrukturierungsbeauftragten übertragen.

Zustandekommen des Restrukturierungsplans

Der Entwurf sieht vor, dass der Schuldner bei Einleitung des Verfahrens u.a. ein (grobes) Restrukturierungskonzept oder einen (detaillierteren) Restrukturierungsplan vorzulegen hat, in dem darlegt wird, dass die Bestandfähigkeit des Unternehmens erreicht werden kann. Wird nicht bereits bei Antragstellung ein Restrukturierungsplan vorgelegt, hat das Gericht dafür eine Maximalfrist von 60 Tagen zu setzen. 

Vom Schuldner sind für „betroffene Gläubiger“, also jene, deren Forderungen gekürzt oder gestundet werden sollen, Gläubigerklassen zu bilden. Zum Zustandekommen des Restrukturierungsplans bedarf es in erster Linie der Mehrheit der einbezogenen Gläubiger in jeder Klasse, wobei die Summe der Forderungen der zustimmenden Gläubiger zumindest 75% der Gesamtsumme der Forderungen der einbezogenen Gläubiger zu betragen hat. Wird die Gläubigermehrheit in jeder Gläubigerklasse erreicht, dann hat das Gericht über die Bestätigung des Restrukturierungsplans zu entscheiden.

Zum Schutz überstimmter Gläubiger hat das Gericht vor Bestätigung eines Restrukturierungsplans zu prüfen, ob das sog. „Kriterium des Gläubigerinteresses“ erfüllt ist. Es geht dabei im Wesentlichen um die Überprüfung, dass ein überstimmter Gläubiger nicht schlechter gestellt sein darf, als in einem Insolvenzverfahren. Wird ein Restrukturierungsplan nicht von allen Gläubigerklassen bestätigt, besteht die Möglichkeit zu einem „klassenübergreifenden Cram-down“ um dennoch zu einer Bestätigung des Restrukturierungsplans zu gelangen.

Nach dem Gesetzesentwurf dürfen die Anteilsinhaber die Annahme, die Bestätigung und die Umsetzung eines Restrukturierungsplans nicht grundlos verhindern oder erschweren. Greift ein Restrukturierungsplan nicht in die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung der Anteilsinhaber ein, so kann eine gesellschaftsrechtlich erforderliche Zustimmung der Anteilsinhaber durch Gerichtsbeschluss ersetzt werden.

In Zusammenhang mit der Schaffung der Restrukturierungsordnung kommt es auch zu einer Änderung der Anfechtungsvorschriften der Insolvenzordnung. Neue Finanzierungen, die in einem vom Gericht bestätigten Restrukturierungsplan enthalten sind, sind demnach nicht gemäß § 31 IO wegen Überschuldung anfechtbar.

Wesentliche Effekte

Auf Antrag des Schuldners kann vom Gericht zur Unterstützung der Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan eine Vollstreckungssperre mit einer Dauer von bis zu drei Monaten (maximal verlängerbar auf sechs Monate) angeordnet werden. Während der Vollstreckungssperre ruht die Verpflichtung des Schuldners, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Überschuldung zu beantragen. Andererseits ist über Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens während der Dauer des Restrukturierungsverfahrens nicht zu entscheiden. Für die Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen zugunsten des Schuldners bestehen ebenfalls Beschränkungen, insofern deren Erfüllung zur Weiterführung des Betriebs des Unternehmens erforderlich sind.

Vereinfachtes Restrukturierungsverfahren

Sind nur Finanzgläubiger betroffen, besteht die Möglichkeit, auf Antrag des Schuldners in einem vereinfachten Schnellverfahren die Zustimmung einzelner Finanzgläubiger zu einer außergerichtlich ausverhandelten Restrukturierung zu erzwingen. 

Conclusio


Der vorliegende Gesetzesentwurf bringt mit der Schaffung der neuen Restrukturierungsordnung einen begrüßenswerten Schritt zu einem einheitlichen, vertieften Rechtsrahmen für Restrukturierungen. Die neue Restrukturierungsordnung gibt dem Schuldner die wichtige Möglichkeit, geeignete Maßnahmen zu treffen um eine Insolvenz abzuwenden bzw den Abwicklungsprozess effizienter und geordneter zu gestalten. Dabei ist die Möglichkeit der Bildung von Gläubigerklassen ein wesentliches Mittel. Besonders praxisrelevant ist auch die Einschränkung der Anfechtung nach der Insolvenzordnung für neue Finanzierungen, die Finanzierungspartnern mehr Rechtssicherheit bietet.

Die Q&As der fwp Insolvenzrechts- und Restrukturierungsexperten zum neuem Restrukturierungsrahmen sind hier abrufbar.

AutorIn

Markus Fellner

Partner

Florian Kranebitter

Partner

Katharina Dobkiewicz

Rechtsanwältin

Elisabeth Fischer-Schwarz

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