Das Standort-Entwicklungsgesetz (StEntG)
02.02.2019 - Lesezeit: 5 Minuten
AutorIn
Josef Peer
Rechtsanwalt
Mit 1. Jänner 2019 (BGBl I Nr. 110/2018) trat eines der in den Medien und im Parlament im vergangenen Jahr heiß diskutiertesten Gesetze, das sogenannte Bundesgesetz über die Entwicklung und Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes Österreich (Standort-Entwicklungsgesetz – StEntG) in Kraft.
Ziel des StEntG ist die Verfahrensbeschleunigung von UVP-Genehmigungsverfahren für standortrelevante Großvorhaben. Gedacht war dabei an Vorhaben wie die „Dritte Piste“, das Kraftwerk Kühtai, das Stromnetz um Villach sowie den Stadttunnel Feldkirch.
Ursprünglich sollte dieses Ziel der Verfahrensbeschleunigung durch eine sogenannte Genehmigungsfiktion beziehungsweise einen Automatismus erreicht werden. Dieser Automatismus wurde nach erheblicher Kritik und insbesondere auch europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken fallen gelassen. Übrig geblieben ist nunmehr ein Gesetz, das hinsichtlich der in der Praxis bekannten Thematik der Verfahrensdauer durchaus Verbesserungen schafft, aber auch einige Fragen aufwirft, von denen hier einige exemplarisch behandelt werden:
Welche Vorhaben fallen unter das StEntG?
Grundsätzlich können alle im Anhang 1 des UVP-G genannten Vorhaben – mit Ausnahme von Vorhaben der Spalte 3 – standortrelevante Vorhaben sein. Neben der standortrelevanz muss auch das besondere öffentliche Interesse der Republik gegeben sein. Diesbezüglich findet sich in § 2 Abs 3 StEntG ein nicht abschließender und sehr allgemeiner Kriterienkatalog. Grundsätzlich wird von einem besonderen Interesse immer dann auszugehen sein, wenn das standortrelevante Vorhaben und seine Umsetzung außerordentliche positive Folgen für den Wirtschaftsstandort erwarten lässt.
Liegen diese Voraussetzungen nach Ansicht eines Projektwerbers vor, besteht die Möglichkeit, bei der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort eine Anregung auf Erteilung einer Bestätigung des besonderen öffentlichen Interesses einzubringen. Die Bestätigung wird in Form einer Verordnung erteilt.
Das System der Anregung – welches aus dem Raumordnungsrecht bekannt ist – bedingt es, dass kein Rechtsanspruch auf eine Bestätigung und auch kein effektives Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung möglich ist.
Kann ein Vorhaben die Bestätigung des öffentlichen Interesses verlieren?
Auch ein Verlust der Bestätigung und somit faktisch eine „Streichung von der Verordnung“ ist möglich. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Projektwerber dies beantragt bzw. die Umsetzung aufgibt, binnen 3 Jahren kein UVP-Genehmigungsverfahren eingeleitet wird oder das Vorhaben schlicht fertiggestellt wurde.
Können auch bereits anhängige Vorhaben unter das StEntG fallen?
Eine Besonderheit des StEntG findet sich in den Übergangsbestimmungen. Gemäß § 17 Abs 2 StEntG können nämlich auch bereits anhängige UVP-Vorhaben, deren Genehmigungsantrag mindestens 3 Jahre zurückliegt, unabhängig von ihrer Standortrelevanz und dem besonderen öffentlichen Interesse der Republik, in den Anwendungsbereich der Verfahrensbestimmungen des StEntG fallen. Dies aber nur, wenn bereits ein Rechtsgang im Instanzenzug bis zu den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts durchlaufen wurde und das Genehmigungsverfahren von der Behörde oder dem Verwaltungsgericht fortzusetzen ist.
Welche Verfahrensbeschleunigungen bringt das StEntG?
Wie bereits angesprochen, ist das Wesensmerkmal des StEntG, dass für standortrelevante Vorhaben Sonderbestimmungen im Genehmigungsverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Anwendung kommen. Dies sind insbesondere:
- Redezeitbeschränkungen in der mündlichen Verhandlung;
- Verfahrensförderungspflicht der Parteien und damit im Zusammenhang die Möglichkeit der Überwälzung von Verfahrenskosten für schuldhaft verspätetes Vorbringen;
- Stellungnahmen sind nur innerhalb einer behördlich angeordneten Stellungnahmefrist zulässig;
- Mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Genehmigungsbescheides gilt der Bescheid auch gegenüber jenen Personen als zugestellt, die sich am UVP-Verfahren nicht oder nicht rechtzeitig beteiligt haben;
- Der Bescheid ist nach Schluss des Ermittlungsverfahrens binnen 8 Wochen auszufertigen;
- Ergänzungen der Beschwerde nach Ablauf der Beschwerdefrist sind unzulässig.
Die für die Verfahrensbeschleunigung wohl wesentlichste Bestimmung, der sogenannte „Mechanismus“, ist im Gesetz zersplittert geregelt. Wesensmerkmal des „Mechanismus“ ist, dass nach einer Verfahrensdauer von 12 Monaten das Vorhaben zu genehmigen ist, sofern nicht unzweifelhaft gravierende Genehmigungshindernisse vorliegen. Sollte die Behörde dem nicht nachkommen, hat der Projektwerber die Möglichkeit eine (verschuldensunabhängige) Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht zu erheben. Dies hat zur Folge, dass das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden hat.
Welchen Nutzen hat das StEntG für die Praxis?
Sicherlich dienen einige Punkte des StEntG der Verfahrensbeschleunigung und bringen für einige Projekte auch Vorteile, wobei sich erst zeigen wird, wie diese von der Rechtsprechung und der Praxis angenommen werden.
Der im StEntG verankerte „Mechanismus“ birgt für Projektwerber aber auch Risiken, die frühzeitig ausgelotet und bei der Projektentwicklung bedacht werden sollten. Einerseits besteht durch den „Mechanismus“ das latente Risiko, dass Behörden unliebsame und aufwendige Verfahren an das Verwaltungsgericht abzuschieben versuchen. Andererseits setzt der „Mechanismus“ die Behörden aber auch unter Druck, was zur Konsequenz haben kann, dass diese eher geneigt sind, Vorhaben abzuweisen, um nicht in eine Säumnis zu kommen. Darüber hinaus haben Projektwerber auch im Falle der Säumnisbeschwerde keine wirkliche Garantie, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts wesentlich schneller erfolgt, als die der Behörde.
Zu begrüßen ist, dass das Thema der Verfahrensdauer bei UVP-Vorhaben vom Gesetzgeber durch das StEntG aufgegriffen und somit in den Fokus gerückt wird. Insgesamt wird durch das StEntG aber deutlich, dass eine vorausschauende Projektentwicklung und Planung, noch essenzieller für einen Projekterfolg wird, als diese ohnehin schon ist.
AutorIn
Josef Peer
Rechtsanwalt