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COVID-19 UPDATE: Auswirkungen auf M&A-Transaktionen

16.04.2021

AutorIn

Helene Rohrauer

Rechtsanwältin (derzeit in Karenz)

Vor über einem Jahr hat die COVID-19-Krise Europa getroffen und hatte damit auch erhebliche Auswirkungen auf bevorstehende oder bereits laufende M&A-Transaktionen. Über ein Jahr später hat uns COVID-19 noch immer fest im Griff. Doch die Art und Weise wie M&A Transaktionen durchgeführt und wie Verträge ausgestaltet werden, hat sich verändert. Mit Einreisebeschränkungen, kurzfristigen Lockdowns und sonstigen Maßnahmen muss mittlerweile schon gerechnet werden. Mit entsprechender Vorbereitung des Transaktionsprozesses und gezielter Ausgestaltung vertraglicher Regelungen können die Risiken der Krise eingedämmt und Transaktionen erfolgreich abgeschlossen werden.

Due Diligence-Prüfungen

Hauptaugenmerk der Due Diligence ist es, Risiken beim Zielunternehmen zu identifizieren. Dabei sollten die spezifischen Auswirkungen von COVID-19 auf das Zielunternehmen in die Prüfung miteinbezogen werden, um festzustellen, ob das Zielunternehmen auch ausreichend gegen die negativen Auswirkungen des Virus geschützt ist. Zu berücksichtigen sind in etwa unterbrochene Lieferketten, Produktionsausfälle und Umsatzeinbußen, aber auch etwaige bestehende Versicherungen, behördlich angeordnete Maßnahmen, Krisen-Management-Prozesse und gegebenenfalls Auswirkungen durch Remote-Working. Auch staatliche Unterstützungsmaßnahmen für die jeweilige Branche oder das konkrete Unternehmen sollten Berücksichtigung finden. Verkäufer wiederrum sollten diesem Anliegen mit besonderer Sensibilität begegnen und bereits präventiv entsprechende Informationen vorlegen. Die somit identifizierten Risiken bilden die Ausgangslage für die weiteren Verhandlungen und die Ausgestaltung des Vertrages. In ihrer praktischen Handhabung haben sich Due Diligence Prüfungen seit Ausbruch des Virus zu einem Remote-Prozess entwickelt.

Managementpräsentationen, Site Visits und andere Besprechungen werden vielfach durch Calls und Videokonferenzen ersetzt.

Gestaltungstipps

Die aus anglo-amerikanischen Transaktionen bekannten Material Adverse Change (MAC)-Klauseln werden vereinbart, um wesentliche Änderungen des Vertragsgegenstands zu berücksichtigen. Ihr Ziel ist es, Vorsorge für zwischen Signing und Closing hervorgetretene Umstände zu leisten, die nicht vorsehbar waren und das Zielunternehmen negativ beeinträchtigen. Die MAC-Klausel ermöglicht dem Käufer beim Eintritt eines dort definierten Ereignisses (beispielsweise erhebliche Umsatzrückgänge, Verlust bedeutender Kunden oder schwerwiegende Compliance-Verstöße) vom Vertrag zurückzutreten bzw. dessen Bedingungen neu zu verhandeln, ohne für eine Vertragsverletzung zu haften. 

MAC-Klauseln enthalten allerdings häufig sogenannte Carve Outs, also eine Aufzählung von Ereignissen, die nicht von der MAC-Klausel erfasst werden sollen. Einige Beispiele davon umfassen die Änderung branchenspezifischer Rahmenbedingungen oder der Wirtschaftslage sowie höhere Gewalt, Kriege, Naturkatastrophen oder Terroranschläge. Hätte vor dem Ausbruch von COVID-19 eine bestehende MAC-Klausel ein Carve Out enthalten, das sich auf den Ausbruch einer Epidemie, Pandemie oder auf ein ähnliches medizinisches Ereignis bezieht, dann würde COVID-19 bei dieser Transaktion eindeutig kein MAC-Ereignis auslösen. 

Die Allgegenwärtigkeit von COVID-19 hat jedoch dazu geführt, dass Verkäufer generell COVID-19 als MAC auslösendes Ereignis ablehnen, da COVID-19 ein bereits bekanntes Risiko darstellt, welches der Käufer bei der Bewertung des Targets fairerweise hätte berücksichtigen können und müssen. Andererseits wurde zuletzt auch häufig darüber verhandelt, ob MAC-Klauseln und Carve outs neben Pandemien auch, die als Reaktion auf eine solche, erlassenen staatlichen Vorschriften und Beschränkungen (z. B. Reiseverbote und Einschränkungen durch Lockdowns) umfassen sollte. Daher ist erhöhte Sorgfalt beim Wording geboten, zumal der zukünftige Verlauf der Pandemie nicht eingeschätzt werden kann. Trotzdem werden sich Formulierungen finden lassen, die spezifische Zuweisungen des COVID-19-Risikos berücksichtigen. Dabei sollten von den Parteien die Risiken (und die Art und Weise ihrer Zuweisung) einzelfallbezogen und sorgfältig abgewogen werden.

Aus Verkäufersicht sinnvoll wäre die Vereinbarung von einer Break-up Fee. Eine Break-up Fee ist eine im Vornhinein festgelegte Strafe, die zu zahlen ist, wenn eine Partei aus dem Deal aussteigt. Der Zweck der Break-up Fee liegt darin, den Vertragspartner für die Zeit und Kosten zu entschädigen, die er in der Abwicklung des Deals eingesetzt hat. Insbesondere aus der Sicht des Verkäufers werden jedoch Break-up Fees angesichts der herrschenden Verunsicherung nicht einfach zu verhandeln sein. 

Der unklare weitere Verlauf des Virus und dessen andauernde Auswirkungen auf die Wirtschaft stellen einen großen Unsicherheitsfaktor dar, der auch besondere Schwierigkeiten in der Bestimmung eines Kaufpreises mit sich bringt. Aus der Sicht des Käufers ist daher vor allem von Locked-Box und Fixed-Pricing Konzepten abzuraten. Vielmehr sollten bereits in der Due-Diligence-Phase Risiken identifiziert und bei der vertraglichen Gestaltung entsprechend berücksichtigt werden. Anderes wird selbstverständlich für den Verkäufer gelten. Bei der Kaufpreisgestaltung zeigen sich die Auswirkungen der Pandemie sehr deutlich. Während bisher von einem verkäuferfreundlichen Markt gesprochen werden konnte, hat sich nunmehr eine Kehrtwende zugunsten des Käufers vollzogen. Damit wurden auch Transaktionen mit Locked-Box wesentlich seltener. 

Die Pandemie hat sich auch auf die Ausgestaltung von Zusicherungen und Garantien ausgewirkt. Diese sind oft bereits unter gewöhnlichen Umständen Gegenstand harter Verhandlungen. Infolge der erhöhten Risiken und Bedenken, die durch die Pandemie in den Vordergrund gerückt sind, finden neue, detailliertere Zusicherungen und Garantien ihren Weg in die Vertragsgestaltungspraxis. Besonders im Auge sollten Käufer diejenigen Bereiche behalten, die von der durch das Virus ausgelösten Unsicherheit am meisten betroffen sind. Dazu zählen beispielweise die Einbringlichkeit von Forderungen des Zielunternehmens, seine Finanzprognosen sowie ein möglicher Ausfall seiner Lieferkette. Gut beratene Käufer werden darüber hinaus auch eine Zusicherung dahingehend verlangen, dass alle Gesetze und Verordnungen im Zusammenhang mit der Pandemie eingehalten wurden, Notfallpläne zur Gewährleistung der Geschäftskontinuität entwickelt wurden und Schutzmaßnahmen an den Standorten getroffen wurden. Häufig finden sich auch Zusicherungen im Hinblick auf die Gewährung staatlicher finanzieller Unterstützungsmaßnahmen. Aus Verkäufersicht könnte dem Verlangen nach umfangreicheren Gewährleistung- und Garantiezusagen durch mehr Offenlegung entgegengesteuert werden.

Ausstiegsmöglichkeiten

Ist die Transaktion bereits im Gang, stellt sich die Frage, ob der Käufer aus dem Deal auch wieder aussteigen kann. Hierzu kämen mehrere Möglichkeiten in Betracht. Zunächst ist das Vertragswerk im Hinblick auf Beendigungsmöglichkeiten bzw. auf eine Anpassung des Kaufpreises einer genauen Prüfung zu unterziehen. Vielfach finden sich bereits innerhalb des Vertrages Möglichkeiten für einen Ausstieg. 

Vor allem in internationalen Verträgen finden sich häufig Bestimmungen zur „Höheren Gewalt“ - sogenannte Force Majeure-Klauseln. Diese sehen insbesondere den (vorübergehenden) Entfall von Erfüllungsverpflichtungen, Haftungsausschlüsse sowie Rücktrittsrechte bei Eintritt eines Ereignisses höherer Gewalt vor. Aber auch ohne ausdrückliche Vereinbarung kann der Rechtsbehelf der Höheren Gewalt Anwendung finden. Dies ist jedoch mit Vorsicht zu betrachten. Selbst, wenn Epidemien und Pandemien grundsätzlich als Force-Majeure Ereignisse gelten können, bedeutet dies jedoch nicht zwangsläufig, dass sich Vertragsparteien auch tatsächlich erfolgreich auf diesen Umstand berufen können. Vielmehr bedarf es einer spezifischen und einzelfallbezogenen Auslegung der konkreten Umstände.

Eine Aufkündigung abgeschlossener Verträge oder zumindest eine Anpassung kann unter bestimmten Voraussetzungen auch unter Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage erreicht werden. Voraussetzung hierfür ist (zusammengefasst), dass geschäftstypische Umstände zur Vertragsgrundlage geworden sind und es nach Vertragsabschluss unvorhersehbar zu erheblichen Umstandsänderungen gekommen ist. Die Rechtsprechung hat eine Vertragsanfechtung bzw. -anpassung wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage bisher nur in Ausnahmefällen zugelassen. Nach über einem Jahr Pandemie wird der Wegfall der Geschäftsgrundlage aber kaum mehr argumentierbar sein. 

Bei bevorstehenden Deals sollte jedenfalls ein Long Stop Date vorgesehen werden. Dabei handelt es sich um ein Enddatum, bis zu welchem die Transaktion vollzogen werden muss. Dieses liegt typischerweise Wochen oder Monate nach dem beabsichtigten Closing-Datum. Kann das Closing dann aufgrund unerwarteter Abwicklungshindernisse bis zum Long Stop Date nicht stattfinden (wenn etwa behördliche Genehmigungen nicht eingeholt werden können), haben die Parteien – oder je nach Ausgestaltung nur eine Partei - das Recht, von dem Vertrag zurückzutreten, ohne sich für frustrierte Transaktionsaufwendungen haftbar zu machen. 

Digitalisierung des Transaktionsprozesses

Während Due Diligence Prüfungen bereits vor Covid-19 vielfach digital durchgeführt wurden, war spätestens beim Abschluss der Transaktion ein persönlicher Kontakt unumgänglich. Schließlich erforderte die Durchführung von Unterschriftsbeglaubigungen sowie die Errichtung von Notariatsakten das persönliche Erscheinen der Parteien vor dem Notar.

Abhilfe schuf der im Rahmen der Covid-19-Gesetzgebung neu eingeführte § 90a Notariatsordnung. Danach können notarielle Beglaubigungen und Notariatsakte vollständig digital durchgeführt werden. Dazu wird eine Videokonferenz mit dem Notar/der Notarin geführt, im Zuge derer Urkunden erörtert werden können und in weiterer Folge digital signiert werden. Nähere Informationen zum Ablauf finden Sie im Artikel „Covid-19: Auswirkungen auf notarielle Leistungen“.  Ursprünglich sollte diese Neuerung nur bis 31. Dezember 2020 gelten. Aufgrund von Initiativen der Wirtschaft wurde die digitale Durchführung von notariellen Amtshandlungen nun auch dauerhaft ermöglicht. Bereits jetzt zeigt sich, dass viele M&A-Deals bereits digital abgewickelt werden. Es ist zu erwarten, dass diese Zahl künftig weiter zunehmen wird. Vor allem bei internationalen Transaktionen stellen die digitale notarielle Beglaubigung und der digitale Notariatsakt eine immense Erleichterung dar.

Chancen bei Distressed M&A

Wie jede Krise eröffnet auch die COVID-19-Krise Möglichkeiten für erfahrene, krisenfeste Käufer und strategische Finanzinvestoren, das gewünschte Zielunternehmen unter günstigen Konditionen zu erwerben. Bislang hat die Covid-19-Krise noch zu keinem spürbaren Anstieg von Distressed M&As geführt. Allerdings ist zu erwarten, dass spätestens mit Auslaufen der nationalen und europäischen Hilfspakete viele Unternehmen wirtschaftlich unter Druck geraten werden. Dadurch werden selbst Unternehmen auf den Transaktionsmarkt gelangen, die noch vor Kurzem gar nicht zum Verkauf standen bzw. zu einem wesentlich höheren Kauf-preis angeboten wurden. Nach unserer Einschätzung wird krisenbedingt mit einem Anstieg von neuen Distressed M&A Deals zu rechnen sein. 

Ausblick

Nach über einem Jahr Covid-19-Krise zeigt sich, dass auch M&A-Transaktionen nicht verschont geblieben sind. Durch die Krise hat sich die Art und Weise der Durchführung von Transaktionen geändert. Die Risiken der Pandemie werden bereits im Due Diligence-Prozess und in weiterer Folge auch bei der vertraglichen Ausgestaltung mitberücksichtigt und miteinbezogen. 

Insgesamt zeigt sich, dass der Markt ein anderer geworden ist, als vor der Krise. Während 2019 noch eher von einem Verkäufermarkt gesprochen werden konnte, macht sich bereits eine Kehrtwende hin zum Käufermarkt bemerkbar. Die letzten Monate haben auch viel Einfallsreichtum und große Flexibilität gezeigt. Die Digitalisierung hat einen immensen Aufschwung erhalten und ermöglicht nunmehr einen vollständigen digitalen Ablauf von M&A-Transaktionen. Vor allem internationale Transaktionen werden dadurch erleichtert.

AutorIn

Helene Rohrauer

Rechtsanwältin (derzeit in Karenz)