English

Stichwort suchen

Finden Sie Ihre Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

COVID-19: Arbeitsrecht

06.04.2020 - Lesezeit: 7 Minuten

AutorIn

Monika Sturm

Partnerin

Die Maßnahmen zur Abfederung der Folgen der Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus betreffen im Bereich des Arbeitsrechts vor allem die Kurzarbeit und die Sonderbetreuungszeit für Eltern.

Der Zugang zur Kurzarbeit wird erleichtert und ihr Anwendungsbereich erweitert. Die Maßnahmen beruhen nicht nur auf der Änderung der gesetzlichen Grundlagen, sondern auch auf einer Verständigung der Sozialpartner (Gewerkschaft und Wirtschaftskammer). Am 19.3.2020 hat das Arbeitsmarktservice die Bundesrichtlinie Kurzarbeitsbeihilfe (KUA-COVID-19) erlassen. Diese regelt die Kurzarbeit (befristete Herabsetzung der Normalarbeitszeit) im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme und Gewährung der Kurzarbeitsbeihilfe an Unternehmen für die Leistung von Kurzarbeitsunterstützung an Arbeitnehmer wegen Arbeitszeitausfalles in Form von Ausfallstunden.

Die wesentlichen Neuerungen bei der Kurzarbeit sind im Einzelnen:

(i) Binnen 48 Stunden ab Vorliegen einer Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit (in Betrieben ohne Betriebsrat ab Vorliegen der Einzelvereinbarungen mit den Arbeitnehmern) werden die Sozialpartner eine Vereinbarung über die Kurzarbeit abschließen. Diese Vereinbarung ist Voraussetzung für die Unterstützung der Kurzarbeit durch das Arbeitsmarktservice.

(ii) Wirtschaftliche Schwierigkeiten als Auswirkungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus (COVID-19) sind nun gesetzlich als nicht saisonbedingte wirtschaftliche Schwierigkeit anerkannt.

(iii) Förderbar sind alle arbeitslosenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer inklusive Mitglieder geschäftsführender Organe, sofern sie nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) versichert sind. Ebenso sind Lehrlinge förderbar, wenn sie im persönlichen Geltungsbereich der Sozialpartnervereinbarung genannt sind. Die neue Mustersozialpartnervereinbarung sieht jedoch vor, dass einzelne Arbeitnehmergruppen ausgenommen werden können.

(iv) Die Dienstgeberbeiträge (mit Ausnahme des Beitrags zur betrieblichen Vorsorge) inklusive Lohnnebenkosten werden ab dem 1. Monat zur Gänze vom AMS übernommen.

(v) Der Arbeitszeitausfall darf im Kurzarbeitszeitraum (3 Monate) durchschnittlich nicht unter zehn Prozent und nicht über neunzig Prozent der gesetzlich oder kollektivvertraglich festgelegten oder, bei Teilzeitbeschäftigten, der vertraglich vereinbarten Normalarbeitszeit betragen. Die Kurzarbeit kann vorübergehend die Arbeitsauslastung auch auf null Prozent senken; durchgerechnet über den Zeitraum der Kurzarbeit kann die Arbeitszeit auf nicht weniger als zehn Prozent herabgesetzt werden.

(vi)  Der Arbeitgeber muss sich darum bemühen, dass Alturlaub und Zeitguthaben vor oder während der Kurzarbeit verbraucht werden. Der Arbeitgeber muss nachweisen können, dass er sich redlich um den Verbrauch von Urlaubsansprüchen vergangener Urlaubsjahre sowie Zeitguthaben bemüht hat. Die neue Muster-Sozialpartnervereinbarung sieht eine Verpflichtung der Arbeitnehmer vor, Urlaubsguthaben vergangener Urlaubsjahre und Zeitguthaben vor oder während der Kurzarbeit zu verbrauchen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Im Falle einer Verlängerung der Kurzarbeit über drei Monate hinaus, hat sich der Arbeitgeber ernstlich um den Verbrauch von drei Wochen Urlaub aus dem aktuellen Urlaubsjahr zu bemühen. Kommt es jedoch zu keiner Einigung mit einem oder mehreren Arbeitnehmern, schadet dies dem Arbeitgeber nicht.

(vii) Der vereinbarte Beschäftigtenstand ist grundsätzlich während der Kurzarbeit und in einem allenfalls darüber hinaus zusätzlich vereinbarten Zeitraum nach deren Beendigung (Behaltefrist) aufrecht zu erhalten. Die Kurzarbeit im Zusammenhang mit COVID-19 wird auf höchstens drei Monate vereinbart und kann einmal um drei Monate verlängert werden.

(ix) Der Arbeitgeber hat die Kosten der Arbeitsleistung der kurzarbeitenden Personen zu übernehmen. Die Kurzarbeitsbeihilfe gewährleistet ein Mindestnettoentgelt gemäß nachfolgender Staffelung:

  • bei einem Bruttoentgelt vor Kurzarbeit bis zu € 1.700,- in der Höhe von 90% des bisherigen Nettoentgeltes;
  • bei einem Bruttoentgelt bis zu € 2.685,- in der Höhe von 85% des bisherigen Nettoentgeltes;
  • bei einem Bruttoentgelt bis zu € 5.370,- in der Höhe von 80% des bisherigen Nettoentgeltes;
  • bei Lehrlingen in Höhe von 100 % der bisherigen Nettoentgeltes;
  • Für Einkommensanteile über € 5.370,- gebührt keine Beihilfe.
  • Eine freiwillige höhere Entlohnung ist möglich, sofern damit die Förderbedingungen in Einklang stehen.

(x)  Das AMS ersetzt dem Arbeitgeber gemäß den in der Richtlinie festgelegten Pauschalsätzen die Kosten für die Ausfallstunden. Die Kurzarbeitsunterstützung umfasst jedoch nur das Entgelt für die Normalarbeitszeit. Zulagen und Zuschläge sind dabei zu berücksichtigen, nicht jedoch Überstundenentgelte. Mit der überarbeiteten KUA-COVID-19 vom 25.3.2020 wurde klargestellt, dass als Überstundenentgelt in diesem Sinne auch widerrufliche Überstundenpauschalen gelten, nicht aber unwiderrufliche Überstundenpauschalen und Anteile von All inclusive-Entgelten, die der Abgeltung allfälliger Überstundenleistungen gewidmet sind.

(xi) Zudem wurde nunmehr festgehalten, dass sich die im Abrechnungsmonat maximal verrechenbaren Ausfallstunden aus der Summe der kollektivvertraglichen Normalarbeitszeitstunden pro Abrechnungsmonat

  • abzüglich der im Abrechnungsmonat geleisteten bezahlten Arbeitsstunden (inkl. der im Abrechnungszeitraum angefallenen Überstunden, des konsumierten Urlaubs und des konsumierten Zeitguthabens);
  • während eines Krankenstandes abzüglich der für diesen Zeitraum tatsächlich vorgesehenen Arbeitsstunden; sowie
  • während Entgeltfortzahlungen gemäß § 1155 Abs 3 ABGB abzüglich der für diesen Zeitraum tatsächlich vorgesehenen Arbeitsstunden;

ergeben.

(xii) Durch eine Änderung des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes wurde zuletzt sichergestellt, dass ausreichend Mittel für das von vielen Unternehmen in Anspruch genommene COVID-Kurzarbeitsmodell zur Verfügung stehen. Die Arbeitsministerin wurde demnach ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Finanzminister den für heuer erforderlichen Betrag per Verordnung festzulegen, die Obergrenze von zuletzt EUR 1 Mrd ist entfallen.

Neu ist die (befristet eingeführte) Sonderbetreuungszeit für Eltern. Diese kann vereinbart werden, wenn Einrichtungen behördlich geschlossen werden und der Arbeitnehmer keinen Freistellungsanspruch zur Betreuung seines unter 14 Jahre alten Kindes hat. Das Höchstmaß beträgt drei Wochen. Arbeitgeber haben in diesem Fall Anspruch auf Vergütung von einem Drittel des Entgelts durch den Bund. Mit Arbeitnehmern, die in einem versorgungskritischen Bereich tätig sind, kann keine Sonderbetreuungszeit vereinbart werden. Die Sonderbetreuungszeit wurde auch auf andere schwerkranke oder pflegebedürftige Angehörige ausgeweitet. Diese kann nun auch dann mit dem Arbeitgeber vereinbart werden,

  • wenn eine Betreuungspflicht für Menschen mit Behinderungen besteht, die in einer Einrichtung der Behindertenhilfe oder einer Lehranstalt für Menschen mit Behinderungen bzw. einer höher bildenden Schule betreut oder unterrichtet werden, und diese auf Grund behördlicher Maßnahmen teilweise oder vollständig geschlossen wird, oder auf Grund freiwilliger Maßnahmen die Betreuung von Menschen mit Behinderung zu Hause erfolgt;
  • für Angehörige von pflegebedürftigen Personen, wenn deren Pflege oder Betreuung in Folge des Ausfalls einer Betreuungskraft nach dem Hausbetreuungsgesetz nicht mehr sichergestellt ist; oder
  • für Angehörige von Menschen mit Behinderungen, die persönliche Assistenz in Anspruch nehmen, wenn die persönliche Assistenz in Folge von COVID-19 nicht mehr sichergestellt ist.

Hinzuweisen ist im Bereich des Arbeitszeitrechts (§ 20 Abs 1 AZG, § 8 Abs 1 KA-AZG) und des Arbeitsruhegesetzes (§ 11 Abs 1 Z 1 ARG) auf die Ausnahmebestimmungen in außergewöhnlichen Fällen. Es wurde zudem festgelegt, dass Arbeitnehmer in der erforderlichen Anzahl während der Wochenend- und Feiertagsruhe mit Lieferservice- und Güterbeförderungstätigkeiten im Bereich Lebensmittelhandel sowie Drogerien und Drogeriemärkten beschäftigt werden dürfen.

Es wurde die Unterbrechung der Kündigungsanfechtungsfristen, der Anfechtungsfristen nach dem Gleichbehandlungsgesetz sowie der Verjährungs- und Verfallsfristen betreffend Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bis 30.4.2020 vorgesehen.

Zudem wurde klargestellt, dass Maßnahmen aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes, die zum Verbot oder zu Einschränkungen des Betretens von Betrieben führen, den Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichten, wenn die Arbeitnehmer ihre Dienstleistungen aufgrund der Maßnahmen nicht mehr erbringen können. Auf Verlangen des Arbeitgebers müssen die Arbeitnehmer in dieser Zeit Urlaubs- und Zeitguthaben im Ausmaß von maximal 8 Wochen verbrauchen, wobei Urlaubsansprüche aus dem laufenden Urlaubsjahr nur im Ausmaß von bis zu 2 Wochen verbraucht werden müssen. Von der Verbrauchspflicht sind solche Zeitguthaben ausgenommen, die auf der durch kollektive Rechtsquellen geregelten Umwandlung von Geldansprüchen beruhen. Diese Regelung lässt zahlreiche Fragen offen. So ist beispielsweise unklar, was gilt, wenn Arbeitnehmer etwa bereits Sommerurlaub vereinbart und keinen Resturlaub mehr offen haben.

Hinzuweisen ist auch auf die Neuerungen im ASVG und B-KUVG, wonach Unfälle, die sich ab dem 11. März 2020 im Homeoffice ereignen, als Arbeitsunfälle eingestuft werden. Dienstnehmer oder Lehrlinge, denen von ihrem Arzt ein Attest über die Zuordnung zur COVID-19-Risikogruppe ausgestellt wurde, haben Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung und Fortzahlung des Entgelts bis 30.4.2020 (durch Verordnung Verlängerung bis längstens 31.12.2020 möglich), außer der Arbeitnehmer kann im Homeoffice arbeiten, oder die Bedingungen für die Erbringung seiner Arbeitsleistung in der Arbeitsstätte und der Arbeitsweg können durch geeignete Maßnahmen so gestaltet werden, dass eine Ansteckung mit COVID- 19 mit größtmöglicher Sicherheit ausgeschlossen ist. Der Dienstgeber hat Anspruch auf Erstattung des an den Dienstnehmer bzw. Lehrling geleisteten Entgelts sowie der Dienstgeberanteile am Sozialversicherungsbeitrag, Arbeitslosenversicherungsbeitrag und sonstigen Beiträgen durch den Krankenversicherungsträger. Der Antrag auf Ersatz ist spätestens sechs Wochen nach dem Ende der Freistellung beim Krankenversicherungsträger einzubringen.

Auch im Betriebsverfassungsrecht gibt es Neuerungen. So gilt nun, dass sich die Tätigkeitsdauer von Organen der betrieblichen Interessenvertretung sowie der Behindertenvertrauensperson, die im Zeitraum von 16. 3. 2020 bis 31. 10. 2020 endet, bis zur Konstituierung eines neuen Organs, das nach dem 31. 10. 2020 unter Einhaltung der dafür vorgesehenen Fristen gewählt worden ist, verlängert.

AutorIn

Monika Sturm

Partnerin