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Brexit – neue rechtliche Herausforderungen für österreichische Unternehmer

28.06.2016 - Lesezeit: 3 Minuten

AutorIn

Paul Luiki

Partner

Am 23.6.2016 haben sich die Briten, für viele trotz der stattgefundenen Umfragen überraschend, für den Austritt Großbritanniens aus der EU entschieden, was weitreichende wirtschaftliche und rechtliche Konsequenzen mit sich bringen wird. Der Austritt selbst wurde durch das abgehaltene Referendum allerdings noch nicht vollzogen; vielmehr wird es aller Voraussicht nach ab dem offiziellen Einreichen des Austrittswunsches zumindest zwei Jahre an Verhandlungen mit den übrigen EU-Mitgliedsstaaten benötigen, bevor ein Austrittsabkommen abgeschlossen und der Austritt dadurch rechtlich tatsächlich durchgeführt wird.

Sofern sich die EU und Großbritannien nicht auf eine (teilweise) Weitergeltung von Unionsrecht einigen (im Austrittsübereinkommen ist auch der Rahmen über die “künftigen Beziehungen eines Staates zur Union” zu berücksichtigen), tritt das gesamte primäre und sekundäre Unionsrecht automatisch mit dem Wirksamwerden des Austritts außer Kraft. Innerstaatliches britisches Recht, das der Umsetzung von Unionsrecht dient, bleibt, solange es nicht geändert wird, auch nach dem Austritt weiter in Kraft; es ist derzeit jedoch nicht vorhersehbar, inwieweit und innerhalb welchen Zeitrahmens sich auch das innerstaatliche britische Recht nach dem vollzogenen Austritt ändern wird. Die Auswirkungen auf Verträge und Geschäftsbeziehungen sind daher zum jetzigen Zeitpunkt noch in vielen Punkten unklar; der Brexit bringt aber jedenfalls erhebliche Vertragsrisiken mit sich.

Bei derzeit in Verhandlung befindlichen Verträgen und künftigen Vertragsabschlüssen mit britischen Vertragspartnern sollten allfällige, zurzeit noch nicht konkret absehbare, rechtliche und wirtschaftliche Änderungen, wie die potentielle Einführung neuer Zölle oder Besteuerungen, bei der Vertragsgestaltung angemessen berücksichtigt werden, um für verschiedene Szenarien bestmöglich gerüstet und abgesichert zu sein. Mit entsprechender Vertragsgestaltung und der Aufnahme von gezielt auf den Brexit-Fall ausgerichteten Klauseln, etwa Material-Adverse-Change-Klauseln, kann Risiken entgegengewirkt und können maßgeschneiderte Lösungen für das jeweilige Unternehmen gefunden werden. Wichtig wird insbesondere die Aufnahme von spezifischen Kündigungsgründen oder Rechten zur Vertragsanpassung für nachteilige Entwicklungen im Zuge des Brexit sein; auch für mögliche Währungsschwankungen sollten vertragliche Anpassungsmechanismen vorgesehen werden.

Auch die Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EG) Nr. 593/2008 (Rom I) wird nach Vollzug des EU-Austritts für Großbritannien nicht mehr gelten. Diese Verordnung bestimmt, welches Recht innerhalb der EU auf internationale Verträge anwendbar ist (sofern keine Rechtswahl getroffen wurde), wodurch innerhalb der EU mehr Rechtssicherheit hergestellt werden konnte. Sobald die Verordnung nicht mehr gilt, wären wieder die alten Grundsätze des Internationalen Privatrechts zu berücksichtigen, um das auf den Vertrag anwendbare Recht zu bestimmen. Es sollte daher bei Vertragsabschlüssen unbedingt eine entsprechende Rechtswahl getroffen werden. Wenn möglich sollte auf dem österreichischen Recht als anwendbarem Recht bestanden und aufgrund der Unsicherheiten hinsichtlich der künftigen Rechtsentwicklung die Vereinbarung britischen Rechts vermieden werden.

Bestehende Verträge österreichischer Unternehmen mit britischen Vertragspartnern sollten im Einzelfall dahingehend überprüft werden, ob aufgrund des Brexit-Falles und der vorliegenden, vereinbarten Vertragsklauseln bestimmte vertragliche Anpassungen oder im schlimmsten Fall sogar eine gänzliche Auflösung des Vertrages rechtlich möglich und durchsetzbar wären. Als mögliche Anspruchsgrundlagen kämen dafür etwa vereinbarte Material-Adverse-Change-Klauseln oder Force-Majeure-Klauseln in Betracht; bei Vorliegen bestimmter Vertragsformulierungen käme mitunter auch eine Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund in Frage. Auch an die Geltendmachung eines Wegfalles der Geschäftsgrundlage ist zu denken.

AutorIn

Paul Luiki

Partner