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Zielunternehmen in Fusionskontrollverfahren nicht länger nur Beifahrer

29.09.2016 - Lesezeit: 3 Minuten

AutorIn

Lukas Flener

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Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht (KOG) hat auf Antrag von fwp die Parteistellung des Zielunternehmens in einem kartellgerichtlichen Fusionskontrollverfahren anerkannt und damit dem Zielunternehmen den Weg zu mehr Information und Mitsprache im kartellgerichtlichen Fusionskontrollverfahren geebnet.

Zum Hintergrund: Diese oberstgerichtliche Entscheidung war Nebenschauplatz in einem (durchaus brisanten) kartellgerichtlichen Fusionskontrollverfahren. Dies ist ein Verfahren, in dem zunächst ein Unternehmen, das mit einer Transaktion einen Zusammenschlusstatbestand nach § 7 Kartellgesetz zu verwirklichen beabsichtigt (zB Erwerb von Anteilen an oder der Kontrolle über ein Zielunternehmen), diese Transaktion aufgrund der ab einer gewissen Transaktionsgröße bestehenden gesetzlichen Pflicht vorab bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) anmeldet. Hat dann eine der diese Anmeldung prüfenden Amtsparteien (BWB und Bundeskartellanwalt) die Befürchtung, dass bei Durchführung der Transaktion eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird, so hat sie einen Antrag an das Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht zu stellen, den angemeldeten Zusammenschluss einer vertieften Prüfung hinsichtlich dieser Auswirkungen auf den Markt zu unterziehen und je nach Ergebnis zu genehmigen, unter Auflagen zu genehmigen oder zu untersagen. Regelmäßig wird vom Kartellgericht in solchen vertieften Prüfungsverfahren ein Sachverständiger beigezogen, der eben diese Frage der Auswirkungen auf den Markt zu beurteilen hat.

Als Hintergrundinformation muss auch vorausgeschickt werden, dass in Fusionskontrollverfahren regelmäßig der Erwerber alleine die Anmeldung bei der BWB einreicht. Damit wird im behördlichen Vorverfahren und auch im kartellgerichtlichen Prüfungsverfahren nur der Erwerber formelle Partei des Fusionskontrollverfahrens, nicht aber das Zielunternehmen. Alle Rechte und Pflichten einer am Verfahren beteiligten Partei stehen damit dem Erwerber zu.

Ohne eine eigene Antrag- und damit Parteistellung wäre das Zielunternehmen grundsätzlich nur Beifahrer im Verfahren. Nicht einmal Akteneinsicht würde dem Zielunternehmen zustehen. Dem ist fwp nun als Rechtsvertreter des Zielunternehmens in besagtem Fusionskontrollverfahren durch Stellung eines Antrags auf Akteneinsicht entgegengetreten; dies mit dem Argument, dem Zielunternehmen müsse sogenannte „materielle“ Parteistellung (§ 2 Abs 1 Z 3 Außerstreitgesetz) zukommen: Materielle Parteistellung genießt jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung unmittelbar beeinflusst würde. Die Frage, wer Gesellschafter des Zielunternehmens ist, habe unmittelbare Auswirkungen auf die zukünftigen Möglichkeiten des Zielunternehmens vor dem Hintergrund der (neuen) Marktstellung mit oder ohne Durchführung des Zusammenschlusses.

Sowohl das Kartellgericht als auch das KOG sind dieser Argumentation von fwp gefolgt, obwohl der Erwerber und auch die BWB einer Akteneinsicht vehement entgegengetreten sind und auch gegen die stattgebende Entscheidung des Kartellgerichts Rekurs eingelegt haben. Die Opposition der BWB war dabei insoweit bemerkenswert, da ohne materielle Parteistellung das Zielunternehmen im Fusionskontrollverfahren keine Mitwirkungspflichten treffen würden; etwa bestünde keine Auskunftspflicht mehr. Dies würde Fusionskontrollverfahren – letztlich vor allem für die BWB – erheblich erschweren.

Da dem Zielunternehmen damit durch höchstgerichtlichen Sanktus materielle Parteistellung zukommt, steht dem Zielunternehmen auch Akteneinsicht in den kartellgerichtlichen Akt zu. Eine Zustimmung der übrigen Parteien ist dafür nicht erforderlich. Jedes Zielunternehmen kann daher in Zukunft dadurch wertvolle Erkenntnisse aus dem Akt gewinnen und entsprechend auch eine aktivere Rolle in Fusionskontrollverfahren einnehmen.

Auf Erwerberseite gilt es, mit dieser neuen Herausforderung umzugehen: Es liegt zum einen an den Kautelarjuristen, dem Akten- und Informationszugang und einer Beteiligung am Verfahren bei Bedarf im Einzelfall einen vertraglichen Riegel vorzuschieben. Die Kartellrechtsexperten sind zum anderen gefordert, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Erwerbers nun auch vor der Akteneinsicht des Zielunternehmens zu schützen.

AutorIn

Lukas Flener

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