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Warum die Zugfusion Siemens – Alstom rechtlich untersagt wurde

03.04.2019 - Lesezeit: 2 Minuten

AutorIn

Lukas Flener

Partner

Für großes politisches Aufsehen hat eine Entscheidung der Europäischen Kommission (EK) vom 6.2.2019 gesorgt. Die Europäische Kommission hat die von Siemens angestrebte Übernahme der Schienenfahrzeugsparte von Alstom nach der EU-Fusionskontrollverordnung (FKVO) untersagt. Ein politischer Aufschrei war die Folge. Der EK wurde vorgeworfen, die weltweite Wettbewerbsfähigkeit von europäischen Unternehmen nicht hinreichend berücksichtigt und so den „Airbus der Schiene“ verhindert zu haben. Damit hätte die EK die weltweite Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen verhindert. Politisch wurde die Forderung nach einer Möglichkeit laut, Entscheidungen der EK politisch zu kippen, analog der in Deutschland bestehenden Ministererlaubnis.

SIEC-Test als K.o.-Kriterium

Mit einem Umsatz von rund EUR 30 Milliarden ist der chinesische Staatskonzern CRRC, der aus der Fusion der staatlichen chinesischen Unternehmen CSR und CNR entstanden ist, der weltweit größte Zughersteller. Dem gegenüber kommen die Zugsparten von Alstom und Siemens auf nicht einmal den halben Umsatz. Wie konnte es daher sein, dass in Anbetracht derart übermächtig erscheinender Konkurrenz die Bildung eines europäischen Champions untersagt wurde? Grund ist der von der EK zwingend anzuwendende Beurteilungsmaßstab für Zusammenschlüsse. Die FKVO sieht eine Prüfung anhand des SIEC-Tests vor. SIEC (Significant Impediment to Effective Competition) hat den in Österreich noch anwendbaren Marktbeherrschungstest auf europäischer Ebene verdrängt. Prüfungskriterium ist daher, ob der Zusammenschluss wirksamen Wettbewerb im gemeinsamen Markt verhindert, insbesondere aber nicht nur durch Begründung und Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung. Hierbei wird der Zusammenschluss hinsichtlich Marktanteilen, Finanzkraft, Marktzutrittsschranken, Nachfrage und Angebotsentwicklung und weiterer Kriterien sowie auf Auswirkungen auf den potentiellen oder tatsächlichen Wettbewerb überprüft.

Diese Überprüfung hat – ohne dass wir naturgemäß in die Details dieser Prüfung Einsicht nehmen konnten – gemäß den Veröffentlichungen der EK sehr detailliert stattgefunden. Sobald die Entscheidung im Volltext verfügbar ist, gibt es dazu weitere Details.

Insbesondere im Segment der Signaltechnik und der Hochgeschwindigkeitszüge sah die EK den erforderlichen Markttest (SIEC) als nicht erfüllt an. Bei Höchstgeschwindigkeitszügen erstreckte die Europäische Kommission diese Analyse sogar auf einen weltweiten Markt. Auch mit dem internationalen Wettbewerbsumfeld hat sich die EK nach eigenen Angaben eingehend befasst. Und in den beiden problematischen Segmenten Signaltechnik- und Höchstgeschwindigkeitszüge sah die EK keinen nennenswerten potentiellen Wettbewerb für die beteiligten Unternehmen.

Wenn nun gemäß aktuellen Pressemitteilungen die Westbahn Zugsgarnituren von CRRC kauft, so werden unvermittelt Stimmen laut, die von einem Desaster der europäischen Fusionskontrolle sprechen. Die EK als Vollzugsbehörde hat in der Anwendung der anwendbaren Gesetze und vor allem des SIEC-Tests keinen politischen Spielraum. Ob dies ein politisch gewünschtes Ergebnis ist, kann und muss Gegenstand politischer Diskussionen sein. Die EK ist für diesen Vorwurf allerdings der falsche Adressat. Sie vollzieht Gesetze.

AutorIn

Lukas Flener

Partner