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The New Normal: M&A & ESG

20.09.2021 - Lesezeit: 6 Minuten

AutorIn

Florian Kranebitter

Partner

Die Berücksichtigung der ESG-Dimensionen (Environment, Social, Governance) bei der Vorbereitung und Durchführung von Unternehmenstransaktionen ist für viele Unternehmen bereits jetzt ein Schlüsselfaktor. Unternehmer, die diese Dimensionen ausreichend in ihrer Planung und Strategie einbeziehen und den richtigen Fokus setzen, haben die Nase vorne – eine (Über-)Lebensfrage sowohl für Käufer als auch Verkäufer.

Prominente Investoren wie BlackRock und Speedinvest setzen schon längst darauf und zielen in ihren Investmentstrategien klar auf Unternehmen, die in der Lage sind, ihre ESG-Compliance und Strategien darzustellen oder Technologien zu entwickeln, die nachhaltige Entwicklungen unterstützen. Bei der Auswahl von strategischen Zukäufen von Unternehmen spielt der Erwerb von Unternehmen mit nachhaltigen Unternehmenskonzepten eine immer wichtigere Rolle (durchaus auch, um anorganisch ESG-compliant zu werden) und Umfragen bestätigen daher wenig überraschend, dass Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) bei Unternehmenstransaktionen nebst regulatorischen Fragen, Datenschutz und Cybersicherheit, noch vor dem Thema Rechtsstreitigkeiten unter den Top 5 der rechtlichen Themen rangieren.

Mit Blick auf die sich überschlagende Entwicklung bei den Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung wird jede Unternehmensprüfung (im Rahmen von Unternehmenstransaktionen aber auch bei der Auswahl von Vertragspartnern) nur dann den entsprechend auf die verantwortlichen Organe anwendbaren Sorgfaltspflichten entsprechen, wenn eine ausreichend substantiierte Prüfung der ESG-Compliance beziehungsweise ESG-Potentiale erfolgt. Haftungsrisiken sind damit auch aus diesem Blickwinkel evident.

Was oft übersehen wird: Das Thema ESG spielt im gesamten Zyklus von Transaktionen eine Rolle. Zielunternehmen sollten bereits in der ersten Phase, also bei der Planung der Transaktion und der Vorbereitung des Datenraums, genaue Strukturen und Inhalte der Darstellung der ESG-Themen festlegen, um ein interessantes Target zu sein (und zu bleiben). Sowohl auf der Seite des Erwerbers als auch des Zielunternehmens macht sich ein früher Blick auf mögliche Deal-Breaker bei Integrationsthemen bezahlt: Kann das Zielunternehmen in die ESG-Compliance-Struktur des Käufers eingebunden und seine Ziele unterstützen beziehungsweise kann die ESG-Compliance-Struktur des Zielunternehmens beim Käufer integriert werden? Die gezielte sorgfältige Vorbereitung des Fragenkatalogs eines potentiellen Käufers zur Absicherung gegen ESG-Risiken ist die andere Seite der Medaille. Die Zieldefinition spielt dabei jeweils eine ganz wesentliche Rolle.

Die „ESG Due Diligence“ ist disziplinübergreifend, berührt bekannte und neue Due Diligence -Aspekte gleichermaßen und soll Unternehmen nicht nur in Hinblick auf Umweltaspekte (Environmental), sondern insbesondere auch in Hinblick auf die Faktoren Soziales (Social) und Unternehmensführung und –organisation (Governance) auf den Prüfstand stellen. Ziel ist es, bestehende aber vorallem mögliche künftige Reputations- und Haftungsrisiken und – sofern quantifizierbar – damit verbundene Kosten zu identifizieren. Die besondere Herausforderung: Aufgrund der laufenden Entwicklung der Rahmenbedingungen für die ESG-Compliance ist die Prüfung in diesem Bereich eine volatile und überwiegend zukunftsgerichtete Analyse.

Die möglichen Themenfelder der ESG Due Diligence sind dabei breit gefächert. Sie reichen von (E  = Environment) der Frage des Einsatzes von erneuerbaren Energien und der Vermeidung von Umweltverschmutzung im Bereich der gesamten Wertschöpfungskette (welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen beispielweise, einen bestehenden Lieferanten von Betriebsmitteln auszutauschen um den Carbon Footprint zu verbessern und welche Kosten sind damit verbunden), über (S = Social) Compliance mit Diversity und Diskriminierungsverboten, anerkannten Menschenrechtsgrundsätzen, sowie generell Arbeitnehmerbelangen, bis hin zu (G = Governance) Transparenz, Reporting, nachhaltige Unternehmensführung und darauf ausgerichtete Bonifikationssysteme, Bestehen von Whistleblowing-Systemen u.v.m.
Bei der Prüfung der vertraglichen Verhältnisse wird es in der Regel insbesondere darauf ankommen, ob ausreichend Flexibilität zur Anpassung besteht, um beispielsweise den künftigen gesetzlichen Anforderungen für Lieferketten gerecht zu werden. Ein Blick auf das Anfang 2023 in Kraft tretende deutsche Lieferkettengesetz zeigt exemplarisch die indirekte Wirkung von Regelungen, die auf einen Teilnehmer in der Wertschöpfungskette anwendbar sind. Deutsche Unternehmen mit österreichischen Zulieferern werden beispielsweise nur dann ihre Sorgfalts- und Prüfungsverpflichtungen erfüllen können, wenn auch eine entsprechende Einbindung des österreichischen Lieferanten und entsprechende Anpassung der Lieferverträge erfolgt.

Aus dem Blickwinkel von großen Unternehmen und Finanzinvestoren (und beteiligten finanzierenden Banken) spielen bereits aktuell geltende Reportingverpflichtungen eine wesentliche Rolle, da diese Unternehmen nur dann ihre eigenen Verpflichtungen erfüllen können, wenn bei den Zielunternehmen entsprechende Rahmenbedingungen bereits bestehen oder mit entsprechend vertretbarem Aufwand etabliert werden können. Artikel 8 und 9 der Sustainable Finance Disclosure Regulation ist eine Benchmark dafür, was zur Erfüllung von Transparenz- und Reportingpflichten ganz generell zu beachten sein wird.

Die Ergebnisse der ESG Due Diligence Prüfung werden mangels ausreichender Quantifizierbarkeit in der Regel überwiegend zu einer Kaufpreisanpassung in Form eines Risikoauf- oder abschlags in der (internen) Kalkulation eines Käufers führen. Dies vorallem auch unter dem Blickwinkel, dass die Haftung für künftige Entwicklungen in Kaufverträgen in der Regel ausgeschlossen sein wird, was wiederum den Schwerpunkt auf eine tiefgreifendere ESG Due Diligence Analyse und daraus abgeleitete Handlungserfordernisse mit zumeist kaufpreisbeeinflussendem Effekt lenkt. Denkbar ist darüber hinaus natürlich auch die Forderung nach Freistellungen, Garantien oder Kaufpreisanpassungsmechanismen bei Eintritt oder dem Verfehlen künftiger Entwicklungen – die Verhandlungen um passendes Wording in den Kaufverträgen werden jedenfalls nicht einfacher.

Bereits die Anbahnung von Transaktionen und noch viel mehr der Einstieg in eine Due Diligence Phase ist nicht selten mit erheblichen Kosten verbunden. Um die Risken für die Transaktionssicherheit zu reduzieren und in der Regel die Position des Verkäufers vor Durchführung einer käuferseitigen Due Diligence noch zu verbessern (oder zumindest die eigene Position für bevorstehende Verhandlungen besser einschätzen zu können), ist daher in vielen Fällen eine verkäuferseitige ESG Vendor’s Due Diligence zweckmäßig. Bereits kleine Investitionen in das eigene ESG Profil können sich so vielfach bezahlt machen.

ESG-Überlegungen in der Unternehmenskultur und bei Transaktionen sind somit das “new normal” mit einem Stellenwert, der von Tag zu Tag steigt. Käufer und Verkäufer werden nur dann interessante Marktteilnehmer bleiben, wenn sie ihr eigenes ESG Profil schärfen. Bei Unternehmenstransaktionen bedeutet dies auch aufgrund der Vielfalt der Themenstellungen, individuell Schwerpunkte der Prüfung zu identifizieren, die auf die Branche, die Kunden und Lieferanten und jeweils mit Blick auf das gesamte Wertschöpfungspotential abgestimmt sind.
 

AutorIn

Florian Kranebitter

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