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Richtungsweisendes OGH-Urteil erschwert Lagezuschlag

03.01.2018 - Lesezeit: 2 Minuten

AutorIn

Lukas Flener

Partner

Der Oberste Gerichtshof (OGH) stellt neue Regeln für den Lagezuschlag auf und ändert damit vor allem für Wien eine der wesentlichen Grundlagen des Richtwertmietzinses: Für die Berechnung des Lagezuschlages wird die geforderte „Überdurchschnittlichkeit“ einer Lage (Wohnumgebung) nicht mehr aus einem gegen-über der Normwohnung höheren Grundkostenanteil abgeleitet. Lagezuschlagstabellen werden obsolet.

Für Altbauwohnungen gilt in der Regel als Mietzins der Richtwert mit Zu- und Abschlägen. Eines der preisentscheidenden Elemente bei dessen Festlegung war bisher der so genannte „Lagezuschlag“. Einen solchen anzusetzen ist dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die „durchschnittliche Lage“. Was ist nun eine „durchschnittliche Lage“? Laut Gesetz ist diese „nach der allgemeinen Verkehrsauffassung“ und der „Erfahrung des täglichen Lebens“ zu beurteilen.

Von Vermietern in Wien wurde vor dem Hintergrund dieses Begriffsgewirrs häufig ein Lagezuschlag verrechnet, wenn die Lagezuschlagskarte der MA25 der Stadt Wien, die auf den Grundstückspreisen beruht, für die Lage einer Wohnung einen Lagezuschlag vorsah. Diese Lagezuschlagskarte unterteilt das Wiener Gemeindegebiet in „durchschnittliche“ und „überdurchschnittliche“ Lagen, die in sechs Preisklassen unterteilt sind. Für Wohnungen in überdurchschnittlichen Lagen wurden Lagezuschläge verrechnet.

Der OGH hat dieser Praxis jetzt einen Riegel vorgeschoben: Das Höchstgericht stellt die Frage, mit welchen Gebieten die Lage einer Wohnung verglichen werden muss, um zu bestimmen, ob die Lage überdurchschnittlich ist und somit ein Lagezuschlag verrechnet wer-den kann. Die Grundstückspreise, die als Berrechnungsgrundlage für die Lagezuschlagskarte dienen, sagen laut OGH aber nichts darüber aus, ob eine Lage als überdurchschnittlich zu bewerten ist.

Im konkreten Fall bedeutete dies: Die Vermieter einer 83 m² Wohnung im 5. Wiener Gemeindebezirk hatten von ihrer Mieterin einen Lagezuschlag verlangt, weil öffentliche Verkehrsmittel und alle Geschäfte des täglichen Lebens innerhalb von fünf Minuten zu Fuß er-reichbar seien. Da die durchschnittliche Wiener Wohnung keine derart optimale Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel aufweist und sich die Geschäfte des täglichen Lebens nicht in fünfminütiger Entfernung befinden, sei die Lage als überdurchschnittlich zu bezeichnen. Die Wohnung liegt in einer Gegend, in der die Lagezuschlagskarte der Stadt Wien einen Lagezuschlag vorsieht.

Das Erstgericht hielt einen Lagezuschlag entsprechend auch für berechtigt und verglich die Lage mit „sämtlichen anderen Lagen in Wien“. Das Rekursgericht sah dies anders und zog als Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Lage nicht das gesamte Stadtgebiet Wiens heran, sondern maximal den Bezirk, in dem sich die Wohnung befindet.

Der OGH bestätigte die Entscheidung des Rekursgerichts im Ergebnis, ging aber noch mehr ins Detail: Die Durchschnittlichkeit einer Lage bestimmt sich nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens, sodass es eines wertenden Ver-gleiches mit anderen Lagen bedürfe. Dabei sei nicht auf politische Grenzziehungen, sondern darauf abzustellen, welcher Bereich nach der Beurteilung des Wohnungsmarktes ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet darstelle. Als Referenzgebiet für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit der Lage eines Hauses ist auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und (daher) ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet darstellen. Im Fall eines im 5. Wiener Gemeindebezirks gelegenen Hauses seien das die innerstädtischen Gebiete mit der dafür typischen geschlossenen und mehrgeschoßigen Verbauung. Im Vergleich dazu rechtfertigen die Erschließung der Wohnumgebung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Möglichkeiten zur Nahversorgung im vorliegenden Fall keine überdurchschnittliche Lage.

Dies bedeutet für die Praxis: Lagezuschlagskarte adé. Die Richtwertberechnung ist um eine unbestimmte Facette reicher. Die Schlichtungsstellen und Gerichte dürfen sich auf Arbeit einrichten.

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Lukas Flener

Partner