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Prozessfinanzierung und quota-litis-Verbot

08.06.2021 - Lesezeit: 4 Minuten

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Nach österreichischem Prozessrecht muss die vollständig unterlegene Partei ihrem Gegner alle Prozesskosten ersetzen; zu diesen gehören neben den Anwaltskosten auch die im internationalen Vergleich hohen Gerichtsgebühren. Eine Partei, die einen Prozess führt, trägt daher ein beträchtliches Kostenrisiko. Das aus den USA bekannte Modell der Prozessfinanzierung hat daher in den letzten Jahren auch in Österreich Einzug gefunden. Der OGH hat in einem aktuellen Urteil die Voraussetzungen zulässiger Prozessfinanzierung festgelegt.

Bei der Prozessfinanzierung übernimmt der Prozessfinanzierer entgeltlich das Prozesskostenrisiko der von ihr finanzierten Partei gegen eine Erfolgsbeteiligung. Gewinnt die Partei den Prozess, erhält ihr Prozessfinanzierer einen prozentuellen Anteil an dem vom Gericht zugesprochenen Betrag. Bei einer Vereinbarung über die Prozessfinanzierungen stellt sich jedoch die Frage, ob sie dem quota-litis-Verbot unterliegt und somit unwirksam ist; denn gemäß § 879 Abs 2 Z 2 ABGB und § 16 Abs 1 RAO sind Erfolgsbeteiligungen für „Rechtsfreunde“ (das sind Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Notare und Buchprüfer) sitten- und standeswidrig. Diese (nicht unumstrittenen) Bestimmungen verfolgen vor allem zwei Ziele: Zum einen soll eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Rechtsfreundes verhindert werden; zum anderen sollen die – in der Regel – rechtlich unbedarften Klienten davor geschützt werden, dass ein Rechtsfreund den vermeintlich ungewissen Prozessausgang zu seinem wirtschaftlichen Vorteil nutzt.

Der Oberste Gerichtshof („OGH“) hat in einer aktuellen Entscheidung ausgesprochen, dass das quota-litis-Verbot dann nicht auf Prozessfinanzierer anwendbar ist, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:

  • Der Prozessfinanzierer bietet keine umfassende Rechtsberatung bzw. eine dem Vertretungsvorbehalt der Rechtsanwälte unterliegende Leistung an, sondern prüft nur im Vorhinein die Erfolgsaussichten einer Klage.
  • Der Prozessfinanzierer übergibt die Causa an einen Rechtsanwalt und nimmt keinen weiteren Einfluss auf die Verfahrensgestaltung, sodass der Klient Herr des Prozesses bleibt und dessen Interessen stets Vorrang haben.
  • Die aktive Kundenakquise durch den Prozessfinanzierer schadet dieser Beurteilung nicht, weil dies dem Wesen eines auf Gewinn gerichteten Unternehmens entspricht.
  • Der OGH hat die Frage nach der freien Anwaltswahl explizit offen gelassen, weil diese nicht Gegenstand der Klage war.

Da diese Voraussetzungen im entschiedenen Fall gegeben waren, hat der OGH ausgesprochen, dass der beklagte Prozessfinanzer nicht gegen das quota-litis-Verbot verstoßen hat, und sich damit auch keinen unlauteren Wettbewerbsvorsprung gemäß § 1 UWG durch einen Rechtsbruch gegenüber der Rechtsanwaltschaft verschafft hat (den Prozess gegen den Prozessfinanzierer hat die Anwaltskammer geführt).

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