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Online-AGB / Zulässigkeit der Rechtswahl

11.08.2016 - Lesezeit: 3 Minuten

In einem Verfahren über eine Verbandklage des Vereins für Konsumenteninformation („VKI“) gegen Amazon EU S.á.r.l. („Amazon“) hatte der Gerichtshof der Europäischen Union darüber zu entscheiden, ob bestimmte von Amazon bis 2012 verwendeten Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen („AGB“) gegenüber Verbrauchern mit Wohnsitz in Österreich missbräuchlich ausgestaltet waren.

Konkret hatte der VKI unter anderem die in den AGB enthaltene generelle Rechtswahlklausel zugunsten luxemburgischen Rechts beanstandet, unabhängig davon, ob im Einzelfall günstigere österreichische Regelungen einen erhöhten Schutz vorsehen. Im Übrigen sei die Rechtswahlklausel schon deshalb unzulässig, weil eine solche Klausel einen grenzüberschreitenden Verbandsprozess faktisch unmöglich mache.

In seinem Vorlagebeschluss vom 9.4.2015 (2 Ob 204/14k) sah der OGH Klärungsbedarf durch den Gerichtshof der Europäischen Union betreffend (i) die Anwendbarkeit der ROM‑II‑VO (über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, gemeint sind vor allem deliktische Schadenersatzansprüche) auf eine vorbeugende Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbandes und (ii) das konkret auf die beanstandeten Vertragsklauseln anwendbare Recht. Weiters ersuchte der OGH um Prüfung, welche datenschutzrechtlichen Bestimmungen anwendbar sind.

Mit Urteil vom 28.7.2016 (Rs C-191/15) sprach der Gerichtshof der Europäischen Union aus, dass sich das auf eine Unterlassungsklage anzuwendende Recht nach Art 6 Abs 1 ROM II-VO bestimmt (Recht des Staates, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden), sofern ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften gerügt wird, die die Interessen der Verbraucher im Hinblick auf die Verwendung missbräuchlicher Klauseln in AGB schützen sollen. Bei der Beurteilung einer bestimmten Vertragsklausel ist das anzuwendende Recht dagegen anhand der ROM I-VO (über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) zu bestimmen.

Diese Differenzierung bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts bei der Beurteilung der betreffenden Klauseln einerseits und der erhobenen Verbandsklage andererseits ist gemäß dem Spruch des Gerichtshofs der Europäischen Union geboten, weil nur eine einheitliche Anwendung der ROM I-VO und der ROM II-VO gewährleistet, dass das anwendbare Recht nicht nach der gewählten Klageart (Individual- versus Verbandsklage) variiert.

Im konkreten Fall war die inkriminierte Klausel missbräuchlich, weil sie den Verbraucher in die Irre führt, indem sie den Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht dieses Mitgliedstaats anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen seines Wohnsitzstaates genießt. Grundsätzlich können die Parteien nach Art 6 Abs 2 ROM I-VO aber eine Rechtswahl im Hinblick auf das auf einen Verbrauchervertrag anzuwendende Recht treffen, sofern gewährleistet ist, dass dem Verbraucher nicht der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen er nach dem Recht seines Wohnsitzstaats zukommt.

Aus Sicht der Praxis zu begrüßen ist die Klarstellung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Hinblick auf das anwendbare Datenschutzrecht. Er stellt klar, dass im Bereich des Datenschutzrechts das Recht jenes Staates anzuwenden ist, in dem die Daten verarbeitet werden. Ein bloßes „Ausrichten der Geschäftstätigkeit“ (ohne Datenverarbeitung zum Beispiel im Rahmen einer Niederlassung) reicht nicht aus, um eine rechtliche Anknüpfung zu bewirken.