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OGH zur Passivlegitimation bei Handelsvertretern

19.02.2021 - Lesezeit: 5 Minuten

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In seiner Entscheidung 5 Ob 48/20z vom 21.7.2020 hat sich der OGH mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Vereinnahmung des Kundenstocks eines ursprünglich mit dem Einzelunternehmer bestehenden Agenturvertrages in das Vermögen einer GmbH eine Vertragsübernahme bewirken kann.

Sachverhalt

Im Dezember 2011 hat ein Handelsvertreter („Kläger“) mit einem Einzelunternehmer („Beklagter“) einen Partneragenturvertrag abgeschlossen, in dem sich der Kläger verpflichtete, Versicherungsverträge für die U-Versicherungen AG („U-Versicherung“) beim Beklagten als Generalagent einzureichen. Der Kläger erhielt vom Beklagten für den Abschluss der Versicherungsverträge einen Teil der Provisionen, die die U-Versicherung an den Beklagten ausbezahlte.

Im Oktober 2013 hat der Beklagte sein Einzelunternehmen in eine GmbH eingebracht, in welcher der Beklagte Alleingesellschafter und Geschäftsführer war. Im Februar 2014 wurde zwischen dem Kläger und der GmbH ein im wesentlichen inhaltsgleicher Partneragenturvertrag, wie zuvor mit dem Beklagten, abgeschlossen.

Der Kläger begehrte vom Beklagten die Zahlung eines Ausgleichsanspruchs aus dem mit dem Beklagten persönlich abgeschlossenen Partneragenturvertrag aus dem Jahr 2011 und stützte sein Begehren insbesondere darauf, dass der Vertrag mit dem Beklagten als Einzelunternehmer neben dem Vertrag mit der GmbH weiterbestanden habe. Der Beklagte wandte seine mangelnde Passivlegitimation ein.

Rechtliche Beurteilung des OGH 

Der Vertragspartner des Klägers sei hinsichtlich des abgeschlossenen Partneragenturvertrags im Jahr 2011 ursprünglich der Beklagte gewesen. Im Zuge der Einbringung des Einzelunternehmens des Beklagten in eine GmbH sei es jedoch zu einer Vertragsübernahme gekommen, wodurch die GmbH an die Stelle des Beklagten getreten wäre. Die Übereinkunft aller Beteiligten, die für eine Vertragsübernahme erforderlich ist, ist im gegenständlichen Fall nach Meinung des Höchstgerichts – zumindest konkludent - vorgelegen.

Die Kundenbestände des Vertrages aus dem Jahr 2011 seien somit auf die GmbH übergangen, weshalb der Kläger in weiterer Folge nicht nur Provisionen aus Neukundenzugängen, sondern auch Folgeprovisionen aus bereits abgeschlossenen Versicherungsverträgen erhielt.

Im Ergebnis sei der Beklagte persönlich aus dem mit dem Partneragenturvertrag aus dem Jahr 2011 begründeten Vertragsverhältnis ausgeschieden, weshalb der Beklagte für aus diesem Vertrag abgeleitete Ansprüche nicht passiv legitimiert sei.

Conclusio

Gemäß § 24 HVertrG gebührt dem Handelsvertreter ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn (i) er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat, (ii) zu erwarten ist, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann, und (iii) die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.

Ein Einzelunternehmer der sein Einzelunternehmen in eine GmbH einbringen möchte, sollte daher mit seinen Vertragspartnern vor der Einbringung ausdrücklich eine Einigung darüber erzielen, ob es im Zuge der Einbringung des Einzelunternehmens in die GmbH zu einer Vertragsübernahme durch die GmbH kommt oder ob die Agenturverträge mit dem Einzelunternehmer gegebenenfalls beendet und neue Agenturverträge mit der übernehmenden GmbH geschlossen werden sollen; dies insbesondere im Hinblick auf potentielle (persönliche) Haftungen aus abgeschlossenen Agenturverträgen.

Summa Summarum kann es im Zuge der Einbringung eines Einzelunternehmens in eine GmbH zu einer Vertragsübernahme bestehender Agenturverträge durch die übernehmende GmbH und in diesem Zusammenhang auch zu einer Vereinnahmung des Kundenstocks des Handelsvertreters kommen, sofern sämtliche Parteien dieser Vertragsübernahme ausdrücklich oder schlüssig zustimmen. Die Frage, ob eine Zustimmung zur Vertragsübernahme von sämtlichen Parteien vorliegt, sollte daher im Einzelfall insbesondere auch nach dem HVertrG von einem Spezialisten im Detail geprüft werden um spätere gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.

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