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Neuer Transaktionswerttest bringt Unsicherheiten für Fusionskontrolle

16.06.2017 - Lesezeit: 3 Minuten

AutorIn

Lukas Flener

Partner

Mit 1. November 2017 wird in der österreichischen Fusionskontrolle ein neuer Transaktionswerttest neben die bereits vorhandenen und unverändert beibehaltenen fusionskontrollrechtlichen Umsatzschwellenwerte treten. Mit diesem Transaktionswerttest sollen Transaktionen erfasst werden, die mit den aktuellen, auf die Umsatzerlöse abstellenden fusionskontrollrechtlichen Aufgriffsschwellen nicht erfasst würden. Paradebeispiel ist der Erwerb von WhatsApp durch Facebook. Der damalige Kaufpreis betrug rund USD 19 Milliarden. Dennoch fiel der Zusammenschluss durch das „Raster“ nahezu aller Fusionskontrollregime. Lediglich mit einem Kunstgriff konnte die Zuständigkeit der europäischen Kommission erreicht werden, indem einzelne Mitgliedsstaaten die Transaktion an die europäische Kommission verwiesen.

Sowohl Österreich als auch Deutschland haben darauf reagiert und einen neuen Transaktionswerttest für Zusammenschlüsse geschaffen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass eine wertvolle Transaktion auch wettbewerblich bedenklich sein kann.

Die kumulativen Voraussetzungen des neuen § 9 Abs 4 KartG 2005 sind wie folgt:

  1. Gemeinsame Umsatzerlöse der beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss vona. weltweit mehr als EUR 300 Mio, undb. im Inland mehr als EUR 15 Mio;
  2. Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss von mehr als EUR 200 Mio; und
  3. Tätigkeit des Zielunternehmens im Inland in erheblichem Umfang.

Zumal das Gesetz in weiterer Folge Legaldefinitionen der Begriffe „Wert der Gegenleistung“ und „in erheblichem Umfang“ schuldig bleibt, besteht nun vor dem Hintergrund der drakonischen Sanktionen des Kartellrechts für unterlassene Zusammenschlussanmeldungen, eine doch erhebliche Unsicherheit. Die Unternehmen laufen nämlich nicht nur Gefahr, mit einer hohen Geldbuße belegt zu werden, sondern die zivilrechtliche Folge einer Durchführung entgegen dem Durchführungsverbot ist die Nichtigkeit der Transaktion.

Immerhin in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wird auf den ebenfalls neu eingeführten § 38 Abs 4a dGWG durch dessen wortwörtliche Übernahme in die Legaldefinition Bezug genommen. Demnach soll der Wert der Gegenleistung „alle Vermögensgegenstände und sonstigen geldwerten Leistungen, die der Veräußerer vom Erwerber im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss erhält (Kaufpreis), und den Wert etwaiger vom Erwerber übernommener Verbindlichkeiten“ umfassen. Dabei ist der Begriff des Vermögensgegenstands weit zu verstehen. Umfasst sind somit alle Geldzahlungen, die Übertragung von Stimmrechten, von Wertpapieren, von Sachanlagen, sowie von immateriellen Vermögensgegenständen. Ebenso zählen dazu auch Gegenleistungen, die an den Eintritt bestimmter Bedingungen geknüpft sind, wie etwa Earnout-Klauseln, oder auch vereinbarte zusätzliche Zahlungen auch zu einem zukünftigen Zeitpunkt, selbst wenn diese auch noch von Umsatz- oder Gewinnzielen abhängig sind. Hinzuzurechnen sind auch Zahlungen für einen vereinbarten Wettbewerbsverzicht des Veräußerers. Zum „Wert der Gegenleistung“ zählen auch die vom Erwerber übernommene Verbindlichkeiten, sodass bei einer Unternehmenstransaktion auch die Verbindlichkeiten des Zielunternehmens (die anzunehmenderweise vom Kaufpreis abgezogen werden) in diesen Wert einzurechnen sind. Die Berechnungsmethode zur Bestimmung des Erwerbs dieser Gegenleistungen ist ebenfalls nicht normiert. Es muss jedoch eine anerkannte Berechnungsmethodik sein.

Noch komplexer ist die Bedeutung von „Tätigkeit im erheblichen Umfang im Inland“. Auch hier fehlt eine Legaldefinition. Der Anknüpfungspunkt für die geographische Zurechnung „Inland“ wird sich in der Regel nach dem Ort des Kunden richten. Hier kommt es nicht auf den Standort von Servern an oder auf die Frage, wo der Sitz der Gesellschaft ist, die die Waren oder Dienstleistungen anbietet. Bei der Frage der Intensität ist bei einem Standort des Zielunternehmens im Inland und jedenfalls von einem hinreichenden Anknüpfungspunkt auszugehen. Sind beide Unternehmen im Inland nicht vertreten, so stellt sich die schwierige Frage der Anknüpfung. Interessanterweise stellen die Erläuterungen zur Regierungsvorlage darauf ab, dass Unternehmen mit „marginalen Aktivitäten“ in Österreich nicht der Anmeldepflicht unterliegen sollen. Die doch deutliche begriffliche Abweichung zwischen „marginalen“ und „erheblichen“ Tätigkeiten erschließt sich im Weiteren nicht. Vor dem Hintergrund der bisherigen Spruchpraxis des Obersten Gerichtshofs ist allerdings auch für die vorliegenden Fälle davon auszugehen, dass bereits eine sehr geringe Inlandsaktivität hinreichend sein wird.

Im Endergebnis bleiben schwierige Abgrenzungsfragen, die es in der Praxis in naher Zukunft zu lösen gilt. Ganz nebenbei wird auch die Gebühr für Zusammenschlussanmeldungen für Phase 1 von EUR 1.500,– auf EUR 3.500,– erhöht. Dies gilt bereits jetzt.

AutorIn

Lukas Flener

Partner