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Neue Spielregeln für Kartellverfahren

08.11.2017 - Lesezeit: 1 Minuten

AutorIn

Lukas Flener

Partner

Das Match zwischen der Europäischen Kommission und Intel um die damals rekordverdächtige Buße von 1,06 Milliarden Euro gegen ein einziges Unternehmen zieht sich bereits seit 2009 und geht mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) in eine neue Runde. Dabei werden die Spielregeln für Kartellbußenverfahren neu geschrieben.

Zur Vorgeschichte: Nach Ansicht der Kommission nutzte Intel seine marktbeherrschende Stellung von 2002 bis 2007 auf dem Weltmarkt für x86-Prozessoren missbräuchlich aus, indem das Unternehmen vier führenden Computerherstellern Rabatte gewährte, wenn diese im Gegenzug (nahezu) alle x86-Prozessoren bei Intel bezogen. Außerdem hatte Intel an einen Elektrohändler Zahlungen geleistet, damit dieser nur Computer mit Intel-Prozessoren vertrieb. Die Wettbewerbshüter sahen darin eine missbräuchliche Strategie des Marktbeherrschers (mit rund 70 % Marktanteil), den einzig ernsthaften Wettbewerb aus dem Markt zu drängen.

Intel erhob beim Gericht der Europäischen Union (EuG) Klage und forderte die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission. Das EuG wies die Klage 2014 ab, setzte sich allerding nicht mit den Einwänden von Intel auseinander, wonach der Kommission Fehler bei der Prüfung der Verdrängungswirkung der Rabatte unterliefen. Intel wandte sich an den EuGH.

Bereits im Oktober letzten Jahres zeigte der zuständige Generalanwalt für einen großen Teil der Argumente von Intel Verständnis und empfahl die Zurückverweisung an das EuG. Dies passierte nun, fast ein Jahr später, tatsächlich.

Der EuGH schloss sich zwar der Auffassung der Kommission an, dass Treuerabatte eines marktbeherrschenden Unternehmens schon ihrer Art nach geeignet sind, den Wettbewerb zu verzerren (Vermutung der Missbräuchlichkeit). Bringt ein Marktbeherrscher in einem Verfahren allerdings vor, dass die Rabatte nicht geeignet waren, den Wettbewerb zu beeinflussen und somit ebenso effiziente Wettbewerber (AEL – „as efficient competitor“) vom Markt zu verdrängen, dann hat sich die Kommission damit auseinanderzusetzen und muss gegebenenfalls den Gegenbeweis liefern, dass das gesetzte Verhalten tatsächlich die inkriminierte Eignung hatte. Damit ist das EuG wieder am Zug.

Das Urteil des EuGH ist für alle laufenden und nachfolgenden Verfahren der Kommission von großer Bedeutung. Die Beweislast für die Brüsseler Wettbewerbshüter für den Nachweis der Missbräuchlichkeit von Rabatten steigt. Die konkreten potentiellen Auswirkungen der Wettbewerbsbeschränkung und Marktverdrängung sind nachzuweisen. Die AEL-Verteidigung lebt wieder. Um vergleichbare Fragen geht es momentan bereits in Verfahren gegen Google und Qualcomm.

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Lukas Flener

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