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Nachrangdarlehen als Instrument von Bürgerbeteiligung und Crowdfunding – mit Ablaufdatum?

13.09.2016 - Lesezeit: 2 Minuten

Die Entwicklung des österreichischen Kapitalmarkts der letzten Jahre hat gezeigt, dass neben etablierten börsenotierten Unternehmen zunehmend auch „kleine“ Emittenten (Start-ups, KMU) das Anlegerpublikum als Finanzierungsquelle entdeckt haben (Stichworte „Bürgerbeteiligung“ und „Crowdfunding“). Bevorzugt wurden dabei Strukturen eingesetzt, die allzu hohe Beratungskosten (beispielsweise für die Erstellung eines Kapitalmarkprospekts) vermeiden.

In der Praxis haben sich dafür einige gängige Strukturvarianten herausgebildet, darunter das sogenannte „qualifizierte Nachrangdarlehen“. Dieses ist im Vergleich zu üblichen Nachrangfinanzierungen (die sich meist auf einen Rangrücktritt für den Insolvenzfall, wie in § 67 Abs 3 IO vorgesehen, beschränken) zusätzlich mit dem Vorbehalt ausgestattet, dass Rück- oder Zinszahlungen an Investoren auch dann nicht erfolgen, wenn diese einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würden.

Das Instrument des (qualifizierten) Nachrangdarlehens ist seit mehreren Jahren in der (von der deutschen BaFin übernommenen) Aufsichtspraxis der FMA – als Ausnahme von der Bankkonzessionspflicht für das Einlagengeschäft ‑ etabliert und wurde jüngst auch vom Gesetzgeber (Alternativfinanzierungsgesetz ‑ AltFG) ausdrücklich als „alternatives Finanzinstrument“ anerkannt.

Eine aktuelle zivilgerichtliche Entscheidung (LG für ZRS Graz 10.6.2016, 35 Cg 153/15t) will dem Einsatz dieses Instruments für die Finanzierung beim Publikum aber nun offenbar einen Riegel vorschieben. Das Gericht hat ‑ erstinstanzlich und nicht rechtskräftig ‑ ausgesprochen, dass eine (übliche und insbesondere den jahrelang in Rundschreiben und „Informationen“ der FMA etablierten Vorgaben entsprechende) Nachrangklausel „gröblich benachteiligend“ und daher bei Verwendung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam sei. Nachdem in der kapitalmarktrechtlichen Finanzierungspraxis eingesetzte qualifizierte Nachrangdarlehen typischerweise von einer Vielzahl von Investoren „vergeben“ (gezeichnet) werden, ist eine zivilrechtliche Strukturierung in Form von AGB praktisch unvermeidlich. Sollte die (in einigen Punkten höchst angreifbare) Ansicht des LG für ZRS Graz höchstgerichtlich bestätigt werden, wäre das qualifizierte Nachrangdarlehen für die in den letzten Jahren immer populärere Bürgerbeteiligung und das Crowdfunding wohl tot.

Für neue „kleine“ Kapitalmarktfinanzierungen sollte daher aus Gründen der Vorsicht vorerst eine Alternativstruktur (beispielweise eine Eigenkapital-Beteiligung oder Wertpapier-Emission) erwogen werden.

Prekärer ist die Lage für Darlehensnehmer (Emittenten) bereits bestehender Nachrangdarlehen. Für diese öffnet sich die folgende Schere:

(i) Halten die Zivilgerichte an der Unwirksamkeit qualifizierter Nachrangklauseln fest, führt dies zumindest nach der aktuellen Ansicht der FMA dazu, dass die Voraussetzung für eine Ausnahme vom Bankkonzessionstatbestand des Einlagengeschäfts entfällt. Es droht daher unmittelbar der ‑ verwaltungsstrafrechtlich drakonisch sanktionierte ‑ Verstoß gegen Bankaufsichtsrecht.

(ii) In AGB (in der Form von Darlehensverträgen oder Emissionsbedingungen) enthaltene übliche Änderungsvorbehalte (die der Darlehensnehmerin / der Emittentin in begründeten Fällen einseitige Vertragsänderungen erlauben) werden in aller Regel nicht so weitreichende zivilrechtliche Änderungen der Darlehensbedingungen erlauben, um den aufsichtsrechtlichem Erfordernissen Genüge zu tun.

Es zeigt sich also, dass selbst die sorgfältige Orientierung an der aufsichtsrechtlichen Behördenpraxis den Kapitalmarktteilnehmer nicht vor zivilrechtlicher Unbill schützt. Eine sorgfältige Strukturierung von Kapitalmaßnahmen im Bereich der Bürgerbeteiligung und des Crowdfunding ist daher unabdingbar.