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Kein Ausgleichsanspruch bei kurzen Krankheiten des Handelsvertreters

25.04.2017 - Lesezeit: 2 Minuten

AutorIn

Patrick Andrieu

Rechtsanwalt

Der Oberste Gerichtshof hat jüngst entschieden, dass Handelsvertreter bei einer Kündigung aufgrund nur vorübergehender Krankheiten keinen Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichsanspruchs haben. In der Entscheidungsbegründung zieht der Oberste Gerichtshof Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts heran, wonach eine (dauerhafte) Erkrankung erst ab einer Dauer von 26 Wochen vorliegt.

Gemäß § 24 Abs 1 HVertrG 1993 gebührt einem Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und soweit

(i) er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat

(ii) zu erwarten ist, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann, und

(iii) die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht.

Dieser Ausgleichsanspruch besteht jedoch immer dann nicht, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, dass dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit beispielsweise wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann.

Eine Krankheit liegt vor, wenn eine Störung des gesundheitlichen Zustands schwerwiegend und von nicht absehbarer Dauer ist und sie dadurch zu einer, auch mit Ersatzkräften nicht behebbaren nachhaltigen Verhinderung in der Absatztätigkeit für den Unternehmer führt. Eine bloß kurzfristige Verhinderung muss der Handelsvertreter – zB mit Einsatz von Hilfskräften – überbrücken (Nocker, HVertrG2, § 24 Rz 339).

In einem jüngst vom Obersten Gerichtshof entschiedenen Sachverhalt (OGH 29.11.2016 9 ObA 125/16x) brachte der Handelsvertreter vor, er habe ausgleichsanspruchswahrend gekündigt, weil ihm die Fortsetzung seiner Tätigkeit aufgrund einer Krankheit nicht mehr zumutbar gewesen sei. Im konkreten Fall war jedoch ex ante gesehen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass dem Handelsvertreter die zuvor ausgeübte Tätigkeit in vier, längstens sechs Monaten wieder möglich und zumutbar sein wird.

Der OGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen, wonach die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses deshalb nicht unzumutbar iSd § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993 gewesen sei, weil der Kläger nur vorübergehend nicht in der Lage war, seine Tätigkeit bei dem (beklagten) Unternehmen auszuüben.

Beachtlich ist insbesondere, dass der Oberste Gerichtshof explizit auf die Bestimmung des § 139 Abs 1 ASVG verweist, wonach eine Gesundheitsbeeinträchtigung einen Arbeitnehmer erst dann zum Austritt aus einem Dienstverhältnis berechtigt, wenn zu erwarten ist, dass sie über den in genannten Zeitraum (26 Wochen) andauern werde (OGH RIS-Justiz RS0060144).

Obwohl die Beurteilung der Unzumutbarkeit im Sinne des § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG weiterhin von den Umständen des Einzelfalls abhängen wird (OGH 16.09.2011 9 ObA 105/10x), bietet der oberstgerichtliche Verweis auf die Regelungen des ASVG ein starkes Argument dafür, dass eine krankheitsbedingte Berufunsfähigkeit im Sinne des HVertrG erst ab einer Krankheitsdauer von 26 Wochen vorliegt. Folgt man diesen Überlegungen, entfällt der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei Gesundheitsbeeinträchtigungen, die diesen Zeitraum nicht überschreiten.

AutorIn

Patrick Andrieu

Rechtsanwalt