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Ist jede Betriebsanlage genehmigungspflichtig?

06.06.2024

AutorIn

Djordje Djukic

Rechtsanwalt

Zur aktuellen Rechtsprechung betreffend die Genehmigungspflicht gewerblicher Betriebsanlagen

Die Gewerbeordnung („GewO“) weist viele Eigenheiten und Unterschiede zu anderen Gesetzen, die bei der Planung und Realisierung von Projekten zu berücksichtigen sind, auf. Ein wichtiger Aspekt ist, dass der Parteienkreis eines gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens (viel) weiter ist als beispielsweise jener eines Baubewilligungsverfahrens. Während nach den Bauordnungen der Bundesländer im Wesentlichen die umliegenden Liegenschaftseigentümer als Parteien in Frage kommen, sind Nachbarn iSd § 75 Abs 2 erster Satz GewO 1994 „alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten“. In einer Großstadt wie Wien kann der potenzielle Parteienkreis je nach Lage und Art der Betriebsanlage schnell hunderte Nachbarn umfassen.

Die Größe des potenziellen Parteienkreises ist im Rahmen der Projektplanung stets mitzuberücksichtigen, zumal sie in direktem Verhältnis zur Wahrscheinlichkeit allfälliger Beschwerden und damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen steht.

Auch vor diesem Hintergrund hat die Schwelle, ab der die Genehmigungspflicht der (Änderung der) Betriebsanlage geprüft wird, eine besondere Relevanz.

Der Verwaltungsgerichtshof („VwGH“) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 8. Februar 2024, Ra 2023/04/0275, erneut bestätigt, dass „die Genehmigungspflicht der Anlage […] vielmehr bereits dann gegeben [ist], wenn solche Auswirkungen nicht auszuschließen sind. Bereits die grundsätzliche Eignung einer Betriebsanlage, Gefährdungen, Belästigungen etc. herbeizuführen, begründet demnach die Genehmigungspflicht dieser Anlage“. In concreto ging es um die Frage der Genehmigungspflicht der Ablagerung von Steinplatten und anderer Baumaterialien sowie des Abstellens von LKWs (konkret der Beeinträchtigung durch Lärm, Staub und Erschütterungen). Dem VwGH zufolge ist dafür ein sehr geringer Beurteilungsmaßstab anzusetzen bzw. genügt es, „auf das allgemeine menschliche Erfahrungsgut zurückzugreifen“, ob Auswirkungen im Sinn des § 74 Abs 2 GewO 1994 nicht auszuschließen sind. Im Anlassfall bestätigte der VwGH, dass derartige Auswirkungen zumindest denkbar sind.

Für anders gelagerte Sachverhalte können hingegen Ausnahmen von der Genehmigungspflicht bestehen – beispielsweise für Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage zu den Nachbarn nicht nachteilig beeinflussen und die aufgrund der besonderen Situation des Einzelfalls erwarten lassen, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden Auflagen Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit von Personen vermieden und Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen iSd § 74 Abs 2 Z 3 bis 5 GewO 1994 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Für derartige Änderungen ist ein Anzeigeverfahren durchzuführen, in dem Nachbarn nur eine beschränkte Parteistellung haben und insbesondere inhaltliche Interessensbeeinträchtigungen nicht geltend machen können (jüngst wieder VwGH 9. April 2024, Ra 2023/04/0277).

Vor diesem Hintergrund ist frühzeitig zu prüfen, welches Verfahrensregime in Frage kommt. Dies hat große Bedeutung für eine rasche Verfahrenserledigung bzw. die Realisierung des Projekts innerhalb des gewünschten Zeitplans.

AutorIn

Djordje Djukic

Rechtsanwalt