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Handelsvertreterrecht: Ausgleichsanspruch bei Veräußerung des Unternehmens

23.05.2019 - Lesezeit: 4 Minuten

Begriff des Handelsvertreters

Das Handelsvertretergesetz (HVertrG) regelt die vertraglichen Beziehungen zwischen Unternehmern und selbstständigen Handelsvertretern.

Handelsvertreter ist, wer von einem Unternehmer mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften für dessen Namen und auf dessen Rechnung ständig betraut ist und diese Tätigkeit gewerbsmäßig und selbstständig ausübt. Davon ausgenommen ist die Vermittlung oder der Abschluss von Geschäften über unbewegliche Sachen (§ 1 Abs 1 HVertrG).

Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters

Dem Handelsvertreter gebührt nach dem HVertrG nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ein angemessener Ausgleichsanspruch. Unter anderem muss der Handelsvertreter dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert haben. Es muss außerdem zu erwarten sein, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann. Schließlich muss die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entsprechen.

Fortwirken von Vorteilen durch Neukunden
Wird das Unternehmen veräußert, stellt sich nunmehr die Frage inwiefern Vorteile, die durch zugeführte Neukunden entstanden sind, fortwirken können. Dazu hat der Oberste Gerichtshof (OGH) bereits in einigen Entscheidungen (ua 9 Ob 21/13y; 8 ObA 9/15d; 10 Ob 55/16k) Stellung genommen (zuletzt OGH 28.6.2018, 9 Ob 44/18p).

Dabei sind folgende Grundsätze zu erkennen:

  • Dem Handelsvertreter gebührt kein Ausgleichsanspruch, wenn der den Betrieb veräußernde Unternehmer tatsächlich keinen Vorteil aus dem neu geschaffenen Kundenstamm bei Veräußerung seines Unternehmens oder Betriebs ziehen kann. Dies kann zum Beispiel vorkommen, wenn der Erwerber nur an den Betriebsmitteln interessiert ist und auf diesen Kundenstamm keinen Wert legt. Der Kundenstamm fließt dann nicht in die Bemessung des Kaufpreises mit ein.
  • Dem Unternehmer sind durch die Neuzuführung von Kunden dann Vorteile entstanden, wenn eine Wertsteigerung seines Unternehmens durch die Chance, den neuen Kundenstand zu nützen, eingetreten ist.
  • Die Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des Ausgleichs trägt der Handelsvertreter. Gelingt ihm der Beweis für das Zuführen neuer Kunden und der Nachweis der getätigten Geschäftsabschlüsse, trifft ihn für die restlichen Anspruchsvoraussetzungen eine Beweiserleichterung.
  • Den Unternehmer trifft die Behauptungslast und Beweislast dafür, dass jene Verdienstchancen, die ihm durch den Handelsvertreter geschaffen wurden, im Einzelfall über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus keinen Bestand haben oder haben werden.
  • Die Frage, ob der Unternehmer, der den Betrieb veräußert, einen Vorteil aus dem neu geschaffenen Kundenstamm des Handelsvertreters bei Veräußerung des Betriebs ziehen konnte, kann nur aufgrund der besonderen Um-stände des Einzelfalls beurteilt werden.
  • Es ist zulässig, dass der Unternehmer seine Geschäftstätigkeit strategischen Änderungen unterzieht. Misserfolge von Neuausrichtungen nach Vertragsbeendigung gehen nicht automatisch zu Lasten des Ausgleichsanspruchs; ob sie bei der Ausmittlung des Ausgleichsanspruchs eine Rolle spielen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Fazit

Dem Handelsvertreter gebührt immer auch dann kein Ausgleichsanspruch, wenn der den Betrieb veräußernde Unternehmer tatsächlich keinen Vorteil aus dem neu geschaffenen Kundenstamm bei Veräußerung seines Unternehmens ziehen kann.

Die Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des Ausgleichs trägt der Handelsvertreter. Den Unternehmer trifft hingegen die Behauptungslast und Beweislast dafür, dass die ihm durch den Handelsvertreter geschaffenen Verdienstchancen im Einzelfall über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus keinen Bestand haben oder haben werden.