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Geschäftsführer / Vorstandshaftung, Business Judgement Rule

03.01.2015 - Lesezeit: 3 Minuten

Mit 1.1.2016 wurde die aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum stammende „Business Judgement Rule“ in § 25 Abs 1a GmbHG und § 84 Abs 1a AktG gesetzlich verankert. Mittlerweile liegen auch die ersten höchstgerichtlichen Entscheidungen vor.

Für unternehmerische Entscheidungsträger, die sich aufgrund der in der Vergangenheit strikten (und in der Lehre heftig kritisierten) Judikaturlinie des Obersten Gerichtshofs in ihrer Management-Tätigkeit stets vom strafrechtlichen Untreuevorwurf bedroht sahen, soll die ausdrückliche gesetzliche Normierung der Business Judgement Rule Erleichterungen in der unternehmerischen Entscheidungsfindung schaffen.

Der Rechtsfigur der Business Judgement Rule liegt die Erwägung zu Grunde, dass erfolgreiches Wirtschaften ohne die Übernahme gewisser unternehmerischer Risiken nicht möglich ist. Diese Risiken sollen von der jeweiligen Gesellschaft (und letztlich den Gesellschaftern), nicht aber von den Organmitgliedern getragen werden. Jede andere Wertung würde dem Leitungsorgan eine Erfolgshaftung für das Unternehmensrisiko aufbürden. Das Eingehen von Risiken ist daher durchaus gestattet und gewollt.

Diese Wertungen wurden durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 gesetzlich verankert. Der Untreuetatbestand (§ 153 StGB) wurde novelliert und korrelierend wurden die zivilrechtlichen Bestimmungen des § 25 Abs 1a GmbHG und des im Wesentlichen wortgleich formulierten § 84 Abs 1a AktG eingeführt. Demgemäß handelt ein Geschäftsführer / Vorstandsmitglied jedenfalls im Einklang mit der gebotenen Sorgfalt,

„wenn er sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“.

Obwohl die Business Judgement Rule ausschließlich für die GmbH / AG ausdrücklich gesetzlich determiniert ist, dehnt der Oberste Gerichtshof ihre Anwendbarkeit rechtsformübergreifend aus. Die Business Judgement Rule gilt damit auch für Personengesellschaften, Genossenschaften, Stiftungen etc.

Bei einer unternehmerischen Entscheidung (das kann auch eine bewusste Nichtentscheidung [ein Unterlassen] sein), sind folgende Kriterien maßgeblich (OGH 23.2.30216, 6 Ob 160/15w mwN):

(i) Der Geschäftsleiter darf sich nicht von sachfremden Interessen leiten lassen.

(ii) Die Entscheidung muss auf Grundlage angemessener Informationen getroffen werden.

Die Angemessenheit ist hierbei abhängig von der zur Verfügung stehenden Zeit, von der Bedeutung der Entscheidung und dem mit ihr verbundenen Risiko für die Gesellschaft. Je schwerwiegender die Konsequenzen einer Entscheidung, desto umfassender muss die Informationsbeschaffung ausfallen.

(iii) Die Entscheidung muss ex-ante betrachtet offenkundig dem Wohl der Gesellschaft dienen.

Zum Wohl der Gesellschaft wird spätestens dann nicht mehr gehandelt, wenn das mit der unternehmerischen Entscheidung verbundene Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt wird, wobei den Leitungsorganen ein weiter Ermessensspielraum zukommt. Eine unternehmerische Entscheidung, die auf Grundlage eines schlüssigen Expertengutachtens zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens getroffen wird, steht umgekehrt im Einklang mit den Vorgaben der Business Judgement Rule; mit der Einschränkung, dass es sich nicht um ein bloßes Gefälligkeitsgutachten handeln darf (OGH 30.8.2016, 6 Ob 198/15h).

(iv) Der Geschäftsleiter muss (vernünftigerweise) annehmen dürfen, dass er zum Wohle der Gesellschaft handelt. Das bedeutet, dass er hinsichtlich der übrigen Kriterien gutgläubig sein muss.

Es liegt keine Pflichtwidrigkeit vor und der Entscheidungsträger ist haftungsfrei (safe harbour), wenn diese vier Kriterien der Business Judgement Rule erfüllt sind. Umgekehrt tritt aber keine automatische Haftung ein, wenn nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, sondern es muss geprüft werden, ob der Geschäftsleiter konkret sorgfaltswidrig gehandelt hat.

Im Übrigen wirken nur rechtmäßige unternehmerische Entscheidungen haftungsausschließend: Leitet sich die Pflichtverletzung also davon ab, dass Kompetenzen (Geschäftsordnung, Berichtspflichten) überschritten oder zwingende gesetzliche Vorgaben verletzt wurden, besteht kein haftungsfreier Ermessensspielraum.