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EuGH stoppt „Goldene Pässe“: Alternativen für die Investitionsmigration

10.06.2025

AutorIn

Gabriel Paulus

Associate

In der Rechtssache Kommission gegen Malta zu C‑181/23 entschied der EuGH am 29.4.2025, dass Maltas Programm „Staatsbürgerschaft durch Investition“ (Citizenship-by-Investment – CBI) gegen EU-Recht verstößt, insbesondere gegen Artikel 20 AEUV (Unionsbürgerschaft) und Artikel 4 Abs 3 EUV (loyale Zusammenarbeit). Das Programm ermöglichte es ausländischen Staatsangehörigen, die maltesische Staatsbürgerschaft (und damit die EU-Staatsbürgerschaft) im Gegenzug für finanzielle Beiträge wie Immobilieninvestitionen oder Spenden für wohltätige Zwecke zu erwerben, wobei nur geringe Wohnsitzanforderungen gestellt wurden.

Der Gerichtshof stellte fest, dass ein solches Programm die Unionsbürgerschaft auf eine geschäftliche Transaktion reduziere und kein „Verbundenheits- und Loyalitätsverhältnis“ zwischen dem Antragsteller und dem Staat gewährleiste, welches die Unionsbürgerschaft ihrem Wesen nach voraussetze.

Das Urteil hat erhebliche Kontroversen ausgelöst. Kritiker bezeichneten es als „richterlichen Aktivismus“, „frei von juristischer Argumentation“ (van den Brink) und sogar als „Gesetzlosigkeit“ (Kochenov). Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass der Gerichtshof die Unionsbürgerschaft von einem abgeleiteten Status zu einem quasi-autonomen Rechtskonstrukt erhoben hat und damit die etablierte Hierarchie in der Rechtsprechung umkehrt. Darüber hinaus wirft die Prüfung eines „Verbundenheits- und Loyalitätsverhältnisses“ aufgrund mangelnder Klarheit Bedenken auf. Der Gerichtshof wich dabei von den Schlussanträgen des Generalanwalts ab – etwas, das nur in rund 20 % der Fälle vorkommt, meist bei politisch sensiblen Entscheidungen.

Mögliche Auswirkungen auf CBI-Programme

Die praktischen Auswirkungen für interessierte Investoren bestehen darin, dass ihr Zugang zur EU-Staatsbürgerschaft verzögert oder verweigert werden könnte, wenn sie keine besondere Verbundenheit zu dem jeweiligen Mitgliedstaat nachweisen können. Außerdem könnte die Rechtsunsicherheit zu einem Abschreckungseffekt führen, bei dem die Mitgliedstaaten aus Vorsicht unnötig strenge Kriterien aufstellen und so möglicherweise auch weiterhin zulässige Wege zur Staatsbürgerschaft einschränken.

Es bleibt unklar, ob und wie CBI-Programme überhaupt noch mit dem EU-Recht in Einklang gebracht werden können – etwa durch klar definierte Kriterien wie Mindestaufenthalt, steuerliche Ansässigkeit, oder kulturelle und soziale Integration. Klarheit könnte erst eine künftige Präzisierung durch Gesetzgeber oder Gerichte bringen.

Investorenvisa als Alternative?

Vor diesem Hintergrund können alternative Modelle an Bedeutung gewinnen, insbesondere investitionsgebundene Aufenthaltsrechte (Residency-by-Investment – RBI), die in mehreren EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, angeboten werden.

Diese Programme verleihen oft staatsbürgerähnliche Rechte und ebnen den Weg zur Staatsbürgerschaft – Österreich verlangt dafür grundsätzlich zehn Jahre rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt (§ 10 Abs 1 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz); Griechenland sieben Jahre; Portugal und Irland erlauben die Einbürgerung nach fünf Jahren und verlangen darüber hinaus nur eine minimale physische Anwesenheit (14 bis 21 Tage in Portugal, keine Mindestaufenthaltsdauer in Irland). Dafür erfordert Österreichs Programm lediglich einen Nachweis von liquiden Mitteln iHv EUR 50.000, im Vergleich zu Mindestinvestments von EUR 200.000 oder EUR 1.000.000 in Portugal und Irland.

Allerdings könnten RBI-Programme ebenfalls von der durch das EuGH-Urteil ausgelösten Rechtsunsicherheit betroffen sein. Obwohl sie keine Staatsbürgerschaft gewähren, ähneln sie in ihrer Struktur oftmals den CBI-Programmen. Vor allem, wenn Mitgliedstaaten die Einbürgerung über „Fast-Track“-Pfade zur Staatsbürgerschaft beschleunigen und die Anwesenheitsanforderungen reduzieren, könnten solche Programme funktionell mit „Goldenen Pässen“ gleichgesetzt werden und die rechtliche Grenze zwischen zulässigen und verbotenen Modellen verwischen.

Ausblick

Als Reaktion auf das Urteil zu C‑181/23 müssen sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Investoren ihre Herangehensweise an die Investitionsmigration neu justieren. CBI-Programme werden nur mehr dann EU-rechtskonform bleiben, wenn diese nicht nur finanziellen Einsatz honorieren, sondern auch einen darüber hinausgehenden Bezug zum Aufnahmestaat schaffen. Ob sich RBI-Programme als echte Alternative für CBI-Investoren durchsetzen, bleibt abzuwarten.

AutorIn

Gabriel Paulus

Associate