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EU-Kapitalmarktunion bringt Änderungen für Kapitalmarktprospekte und Aktionäre

02.07.2019 - Lesezeit: 4 Minuten

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Stefan Adametz

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Zur Verwirklichung der Kapitalmarktunion wird als wirtschaftsfördernde Maßnahme kleinen und mittleren Unternehmen („KMU“) die Finanzierung über den Kapitalmarkt erleichtert. Gleichzeitig wird vor allem die Position der Anleger dadurch gestärkt, dass neue Mitwirkungsrechte geschaffen, die Transparenz erhöht und die Informationsvermittlung verbessert werden; dies erfolgt durch die unmittelbar anwendbare „Prospektverordnung“ (VO-EU 2017/1129) und die Umsetzung der „zweiten Aktionärsrechte-Richtline“ (RL‑EU 2017/828).

Die Prospektverordnung

Für Veranlagungen, zu denen vor allem Wertpapiere wie Aktien und Anleihen gehören, muss vor einem öffentlichen Angebot ein von der Finanzmarktaufsicht gebilligter Prospekt veröffentlicht werden. Die Prospektverordnung, die ab 21.07.2019 vollständig in Geltung sein wird, harmonisiert die Bestimmungen über Prospekte für Wertpapiere und bringt wesentliche Neuerungen. Wesentlich ist vor allem das Anheben des Schwellenwerts für die Prospektpflicht bei Wertpapieren auf EUR 1 Mio.; bleibt das Gesamtvolumen des öffentlich angebotenen Wertpapiers eines Emittenten – also desjenigen, der das Papier begibt – im Laufe eines Jahres unter diesem Betrag, muss kein Prospekt erstellt werden. Dadurch wird Unternehmen ein erleichterter Zugang zu Kapital geboten, weil die Prospektkosten entfallen, sodass auch kleine Unternehmen mit einem geringen Emissionsvolumen (etwa bei einer Anleihe zur Finanzierung einer Investition) den Kapitalmarkt nutzen können. Es werden aber auch Erleichterungen für Sekundäremissionen geschaffen: Unternehmen, die bereits auf öffentlichen Märkten notieren und zusätzliche Aktien oder Anleihen begeben wollen, können einen vereinfachten Prospekt begeben. Generell wird auch das Prospektbilligungsverfahren vereinfacht und beschleunigt.

Die Verordnung verbessert auch für Anleger den Zugang zu Informationen: Vor allem werden der Umfang für den Prospekt festgelegt und die erforderlichen Informationen genauer definiert, sodass in Zukunft – zur besseren Verständlichkeit der Anleger – Prospekte kürzer und klarer gefasst werden können. Gleichzeitig wird die Prospektzusammenfassung angepasst; sie soll auf maximal sieben leicht lesbare Seiten gekürzt und in einem verständlichen Sprachstil gefasst werden. Für interessierte Anleger werden künftig sämtliche Prospekte bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde online und mit einer „Such-Funktion“ kostenlos bereitgestellt werden. Generell werden Prospekte in Zukunft grundsätzlich in elektronischer Form (und nur noch auf Verlangen des Anlegers in Papierform) zur Verfügung gestellt. Dies führt nicht nur zu einer Verringerung des Verwaltungsaufwands, sondern hat voraussichtlich auch Auswirkungen auf die immer strengere Haftung der Berater, weil sich ein Anleger wohl nicht mehr erfolgreich darauf berufen wird können, den Prospekt nicht gekannt zu haben; jedenfalls muss dies die Konsequenz sein, wenn der Prospekt seinen Zweck der Information der Anleger verwirklichen soll, und er dazu nun für jeden Anleger abrufbar und verständlich ist.

Die Zweite Aktionärsrechte-Richtlinie

Auch für Aktionäre gibt es durch die „zweite Aktionärsrechte-Richtlinie“ wesentliche Änderungen. Ziel der Richtlinie ist es, die Stellung der Aktionäre zu stärken und die europaweite Ausübung von Aktionärsrechten zu erleichtern. Erreicht werden soll dies vor allem durch besondere Anforderungen an die Identifizierung der Aktionäre: Den Unternehmen soll ermöglicht werden, ihre Aktionäre zu kennen („know your shareholder“), um eine direkte Kommunikation zwischen dem Unternehmen und seinen Aktionären zu ermöglichen; um dies zu erreichen, werden die sogenannten „Intermediäre“ (also vor allem Depotbanken und Wertpapierfirmen) verpflichtet, den Unternehmen die (Kontakt-) Daten ihrer Aktionäre bekannt zu geben. Zudem soll eine gesteigerte Transparenzpflicht für institutionelle Anleger (wie Versicherungen oder Pensionskassen), Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater eingeführt werden („comply or explain“): Erstere sollen eine Mitwirkungspolitik ausarbeiten und öffentlich bekanntgeben, wie sie Aktionäre in ihre Anlagestrategie integrieren und wie die Mitwirkungspolitik umgesetzt wurde. Stimmrechtsberater (das sind Unternehmen/Personen, die Aktionäre bei der Ausübung ihres Stimmrechts unterstützen und sie in Hauptversammlungen allenfalls auch vertreten) müssen künftig öffentlich auf einen Verhaltenskodex Bezug nehmen, den sie anwenden, ihre Kunden über (tatsächliche und potentielle) Interessenkonflikte aufklären und offenlegen, wie sie zu ihren Empfehlungen kommen. Der Hauptversammlung sollen außerdem Mitspracherechte im Bereich der Vergütung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates („say on pay“) und bei Geschäften mit dem Unternehmen nahestehenden Personen oder Unternehmen („related party transactions“) eingeräumt werden.

Die Aktionärsrechte-Richtlinie ist nicht unmittelbar anwendbar; sie musste bis 10.06.2019 in nationales Recht umgesetzt werden. In Österreich wird sie (aller Voraussicht nach im Juli 2019) durch Änderungen des Börsegesetzes und des Aktiengesetzes umgesetzt. Der österreichische Gesetzgeber wird nach dem Gesetzesentwurf den bei der Umsetzung eingeräumten Spielraum nutzen und eine zurückhaltende Umsetzung der Richtlinie vornehmen. Unternehmen sollen die Identität nur von solchen Aktionären einholen dürfen, die zumindest 0,5% der Aktien halten und daher für die Aktiengesellschaft auch von gewisser Bedeutung sind. Somit wären Klein- und Kleinstaktionäre von dieser Regelung nicht erfasst; dies würde nicht nur die Sicherheit für Kleinaktionäre bringen, dass ihre Daten nicht weitergegeben werden, sondern auch eine Verwaltungsvereinfachung für Banken und Wertpapierfirmen. Auf der anderen Seite würde es die Kommunikation von börsenotierten Unternehmen mit ihren Kleinaktionären erschweren. Um den Aktionären die Teilnahme an Abstimmungen jedoch zu erleichtern, sollen die Unternehmen und die Intermediäre als „Mittelsmänner“ verpflichtet werden, den Aktionären jene Unterlagen in standardisierter Form zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um ihre Rechte auszuüben (z.B. Informationen über die Hauptversammlung). Kurz gesagt: Für die Aktionäre soll es deutlich einfacher werden, ihr Stimmrecht auszuüben und die dafür erforderlichen Informationen zu erhalten.

Nach der Richtlinie wäre es möglich, die Aktionäre über die Vergütung der Geschäftsleitung entscheiden zu lassen; der österreichische Gesetzgeber wird sich nach dem Gesetzesentwurf aber dafür entscheiden, den Aufsichtsrat die Vergütungspolitik (das Vergütungssystem) festlegen zu lassen. Sowohl das Votum der Hauptversammlung über die ihr vorgelegte Vergütungspolitik als auch das Votum über den Vergütungsbericht soll nur empfehlenden, also unverbindlichen Charakter haben; die Verbindlichkeit der Vergütungspolitik soll somit nicht von der Zustimmung der Aktionäre abhängig sein. Zahnlos wird dieses Instrument dennoch voraussichtlich nicht sein; denn um Haftungsrisiken zu vermeiden, sollten Aufsichtsratsmitglieder die „Empfehlungen“ wohl entsprechend berücksichtigen.

Über die relevanten related party transactions soll ebenfalls der Aufsichtsrat entscheiden, wobei die Zustimmungspflicht (und auch die Veröffentlichungspflicht) erst ab einem Wert des Geschäfts von zumindest 10% der Bilanzsumme vorgesehen ist. Da der Schwellenwert sehr hoch angesetzt ist, wird diese Bestimmung allerdings kaum praktische Relevanz haben.

AutorIn

Stefan Adametz

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