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Einigung über EU-Lieferkettenrichtlinie erzielt!

16.12.2023

AutorIn

Stefan Adametz

Partner

Nach zwei Jahren Verhandlungen haben sich das Europäische Parlament, die Kommission und der Europäische Rat am 14.12.2023 auf einen gemeinsamen Vorschlag für eine Europäische Lieferkettenrichtlinie („Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ - „CSDDD“) geeinigt. Als nächster Schritt muss die vorläufige Einigung noch formal beschlossen werden. Hierbei müssen die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament zustimmen. Die Veröffentlichung der Richtlinie ist für Februar bzw März 2024 geplant. Danach müssen die Mitgliedstaaten die Richtlinie noch in nationales Recht umsetzen.

Ziel der Richtline ist – vereinfacht gesagt -, dass den Unternehmen im Hinblick auf die tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen ihrer geschäftlichen Tätigkeit die Einhaltung bestimmter Sorgfaltspflichten betreffend die Beachtung der Menschenrechte und des Umweltschutzes auferlegt werden soll. Dabei wird nicht nur auf die unmittelbare Tätigkeit des Unternehmens selbst abgestellt, sondern die Unternehmen sollen auch für die Auswahl ihrer Geschäftspartner entlang der Lieferkette („Geschäftskette“) verantwortlich sein. Bei Versäumnissen drohen empfindliche Strafen.

Die wichtigsten Eckpunkte sind:

  1. Betroffene Unternehmen: Unmittelbar betroffen sind alle europäischen Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern und einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro. Unternehmen, die ihren Sitz nicht in der EU haben, sind betroffen, sobald sie nach drei Jahren Übergangsfrist einen Jahresumsatz von 300 Millionen Euro innerhalb der EU erzielen. Für Unternehmen, die z.B. in der Produktion und im Großhandel von Textilien, Kleidung und Schuhen, der Landwirtschaft, der Lebensmittelproduktion oder der Förderung/Verarbeitung von Rohstoffen tätig sind, gilt eine niedrigere Schwelle von 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Jahresumsatz. Entgegen den ursprünglichen Vorschlägen ist der Finanzsektor aktuell nicht von der Richtlinie umfasst. Kleinere Unternehmen sind mittelbar betroffen, wenn sie beispielsweise in der Lieferkette größerer Unternehmen als Zulieferer aktiv sind.
  2. Geschützte Rechte (Schutzbereich): Die betroffenen Unternehmen müssen ihre Lieferkette auf Verstöße gegen den Umweltschutz (de facto sind alle negativen Umweltauswirkungen erfasst), die Gesundheit und die Menschenrechte (inklusive Arbeitsschutzbestimmungen) überprüfen und Sorgfaltspflichten einhalten.
  3. Sorgfaltspflichten: Unternehmen sind verpflichtet tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen auf den Schutzbereich (bzw. die geschützten Rechte) laufend zu ermitteln, Maßnahmen zur Prävention zu ergreifen, Verstöße abzustellen (oder zumindest einzuschränken) sowie eingetretene negative Folgen (Schäden) zu beheben oder auf andere Art auszugleichen.
  4. Zivilrechtliche Haftung: Zusätzlich wird die Unternehmen für Sorgfaltspflichtverstöße eine zivilrechtliche Haftung treffen: So können die Opfer von Verstößen gegen Umweltschutz und Menschenrechte Zugang zu Gerichten der EU-Staaten erhalten, um Schadenersatz zu fordern (Verjährungsfrist: grs. fünf Jahre). Gewerkschaften und Vertreter von Zivilorganisationen erhalten besondere Klagerechte und können stellvertretend für die Opfer klagen. Eine „echte“ Beweislastumkehr (wie in den Entwürfen gefordert) ist hingegen nicht vorgesehen. Allerdings sollen Gerichte die Herausgabe von internen Firmenunterlagen anordnen können.
  5. Strafen: Als mögliche Sanktionen sind Geldbußen in Höhe von bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes vorgesehen, wobei die Mitgliedstaaten aber auch höhere Sanktionen festlegen können. Zusätzlich ist ein „naming and shaming“ vorgesehen - das bedeutet, dass die Namen der sorgfaltswidrig handelnden Unternehmen öffentlich bekannt gemacht werden sollen.

Welche Vorbereitungen Unternehmen bereits jetzt vornehmen können:

Für alle Unternehmen – egal ob unmittelbar vom Gesetzestext erfasst oder mittelbar betroffen, heißt es, dass sie sich nunmehr auf die Umsetzung und die Maßnahmen vorbereiten müssen. So besteht vor allem Anpassungs- und Aktualisierungsbedarf in den Bereichen Compliance sowie Einkauf und Vertragsgestaltung (zB AGB). Es empfiehlt sich bereits jetzt, interne Compliance Managementsysteme aufzubauen sowie bestehende Systeme und Abläufe auszubauen und anzupassen. Dazu gehört auch die Einrichtung von Kontroll-, Präventiv- und Fehlererkennungsmechanismen (zur Prüfung der Einhaltung von Sorgfaltspflichten).

Auch können Unternehmen bereits jetzt beginnen, (potenzielle) menschenrechtliche und umweltgefährdende Risiken zu identifizieren und Prozesse zur Risikoanalyse einzurichten. Dazu gehört auch die Einrichtung eines Screening und Monitorings von Zulieferern und Sublieferanten, um Risiken zu evaluieren (dazu können bereits jetzt Audits, vor Ort Besuche und Kontrollen vorgesehen werden). Auch können bereits Weichen bei der Zusammenarbeit gestellt werden und die möglichen Regelungen bei der Auswahl von potenziellen Geschäftspartnern beachtet werden. Es empfiehlt sich auch einen Verhaltenskodex zu erstellen. Wichtig ist es auch frühzeitig Haftungsthemen sowie die Einhaltung von Sorgfaltspflichten und Kontrollen bei (bestehenden und potenziellen) Geschäftspartnern anzusprechen und Verträge und AGBs entsprechend anzupassen.

AutorIn

Stefan Adametz

Partner