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Eine Neuregelung der Erwachsenenvertretung

01.05.2018 - Lesezeit: 3 Minuten

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Mit dem 2. Erwachsenenschutzgesetz wird die Erwachsenenvertretung ab 1.7.2018 auf Grundlage eines sogenannten Vier-Säulen-Modells neu gestaltet sein, nämlich der Vorsorge-vollmacht, der gewählten, gesetzlichen und gerichtlichen Erwachsenenvertretung. Keine der Vertretungsarten wird zu einem automatischen Verlust der Handlungsfähigkeit der vertretenen Person führen.

Erste Säule: Vorsorgevollmacht

Die schon bisherige Möglichkeit der Errichtung einer Vorsorgevollmacht bleibt als Rechtsinstitut bestehen: Mit der Vorsorgevollmacht hat jedermann die Möglichkeit, selbst eine Per-son zu bestimmen, die ihn in einer Angelegenheit vertreten soll, wenn er nicht mehr geschäftsfähig sein sollte, also nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen selbst zu treffen. Die Vorsorgevollmacht tritt somit erst bei Verlust der Handlungsfähigkeit in Kraft.
Mit der Vorsorgevollmacht kann eine Vertretung in allen Vermögensangelegenheiten, vor Behörden und Gerichten, im Falle vom Behandlungen und Operationen gegenüber Ärzten sowie bei der Unterbringung in einem Pflegeheim bestimmt werden. Für ihre Gültigkeit muss die Vollmacht im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registriert werden.

Zweite Säule: Gewählte Erwachsenenvertretung

Mit der gewählten Erwachsenenvertretung soll eine Lücke im geltenden Recht geschlossen werden. Im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht wird eine Person auch dann einen Erwachsenenvertreter bestimmen können, wenn sie nicht mehr voll handlungsfähig ist. Wenn eine Person an kognitiven Defiziten leidet, z.B. bei einer beginnenden Alzheimererkrankung, kann sie trotzdem rechtsgültig eine Erwachsenenvertretung bestimmen. Voraussetzung dabei ist aber, dass die Person die Tragweite der Bevollmächtigung zumindest (noch) in Grundzügen verstehen und sich entsprechend verhalten kann. Es muss beim Betroffenen daher die Entscheidungsfähigkeit vorliegen, was im Wesentlichen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit entspricht.
Die Auswahl des Bevollmächtigten geschieht dergestalt, dass im Beisein der gewählten Person, z.B. aus dem Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis, bei einem Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein eine Vereinbarung über die Vertretung abgeschlossen wird. In der Vereinbarung wird der Umfang der Vollmacht genau festgelegt. Es kann aber auch bestimmt werden, dass der Bevollmächtigte nur mit dem Vollmachtgeber gemeinsam entscheiden darf.
Um einen Missbrauch zu verhindern, wird ein Gericht jedes Jahr kontrollieren, ob der gewählte Vertreter seinen Aufgaben nachkommt und wie es dem Vertretenen geht. Auch die gewählte Erwachsenenvertretung setzt für ihre Rechtswirksamkeit eine Registrierung der Vereinbarung im ÖZVV voraus.

Dritte Säule: Gesetzliche Erwachsenenvertretung

Die bereits jetzt bestehende gesetzliche Vertretungsbefugnis durch die nächsten Angehörigen wird durch die Reform zur gesetzlichen Erwachsenenvertretung. Wenn keine Vorsorge-vollmacht vorliegt, kein Erwachsenenvertreter gewählt und auch kein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt wurde, kommt die gesetzliche Erwachsenenvertretung zur Anwendung.
Nach der geltenden Rechtslage zählen nur Eltern, Großeltern, volljährige Kinder und Enkel-kinder, Ehegatten, eingetragene Partner und Lebensgefährten zu den nächsten Angehörigen. Bei der neuen gesetzlichen Erwachsenenvertretung wird der Kreis der Angehörigen auf Geschwister, Nichten und Neffen erweitert.
Die gesetzliche Erwachsenenvertretung kommt gültig zustande, wenn sie bei einem Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein errichtet und im ÖZVV registriert worden ist. Voraussetzung für die Registrierung ist, dass mit einem ärztlichen Zeugnis nachgewiesen wird, dass beim Vertretenen die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit fehlt.
Will ein Angehöriger die Vertretungsbefugnis wahrnehmen, muss er den Betroffenen vor-weg davon informieren. Dieser kann von vornherein, aber auch zu einem späteren Zeit-punkt der Vertretungsbefugnis widersprechen. Dies kann auch dann geschehen, wenn die Entscheidungsfähigkeit verlorengegangen ist. Der Widerspruch kann sich auch auf einzelne Bereiche der gesetzlichen Vertretung beschränken. Wenn der Widerspruch einem Notar oder Rechtsanwalt vorgelegt wird, muss dieser im ÖZVV registriert werden.
Die gesetzliche Erwachsenenvertretung gilt für Geschäfte des täglichen Lebens, die Geltendmachung sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche oder Entscheidungen über medizinische Behandlungen einschließlich Operationen. Die Wünsche des Betroffenen sind bei den Vertretungshandlungen jedoch unbedingt zu berücksichtigen. Die gesetzliche Erwachsenenvertretung ist auf maximal drei Jahre befristet, kann jedoch verlängert werden. Zudem ist eine regelmäßige Kontrolle der Lebenssituation und des Vermögens des Betroffenen durch das Gericht vorgesehen.

Vierte Säule: Gerichtliche Erwachsenenvertretung

Die gerichtliche Erwachsenenvertretung soll die bisherige Sachwalterschaft ersetzen. Wenn kein Vorsorgebevollmächtigter, kein gewählter oder gesetzlicher Erwachsenenvertreter vorhanden ist, kann vom Gericht ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt werden.
Im Gegensatz zum Sachwalter wird der Aufgabenkreis des gesetzlichen Erwachsenenvertreters eingeschränkt. Bestellungen wird es zukünftig nur noch für bestimmte Aufgaben geben. Die Vertretung endet mit der Aufgabe bzw. spätestens drei Jahre nach der Bestellung.
Bevor ein Erwachsenenvertreter durch das Gericht bestellt werden kann, muss vorher ver-pflichtend ein „Clearing“ über einen Erwachsenenschutzverein stattfinden. Im Zuge dessen wird geprüft werden, ob die Vertretung tatsächlich notwendig ist oder ob es nicht andere Möglichkeiten der Vertretung gibt.


Von der gesetzlichen Erwachsenenvertretung jedenfalls ausgeschlossen sind die letztwillige Verfügung, die Vorsorgevollmacht, die Patientenverfügung, die Eheschließung, die Adoption oder die Anerkennung der Vaterschaft.

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