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Die Novelle der Wiener Bauordnung bringt vor allem Änderungen hinsichtlich Klimaschutz und Kurzzeitvermietungen

08.01.2024

AutorIn

Maximilian Reither

Associate

Die vieldiskutierte Novelle der Bauordnung für Wien wurde am 13. Dezember 2023 kundgemacht. Sie bringt Änderungen vor allem in den Bereichen Klimaschutz, Einschränkung der Kurzzeitvermietungen, Bestandschutz, Mobilität und der Reduzierung von Pflichtstellplätzen. Die Novelle beinhaltet einige innovative Neuerungen, die für die Immo- und Baubranche mit zusätzlichen Kosten sowie einen erhöhten administrativen Aufwand einhergehen.

Voller Fokus auf den Klimaschutz 

Mit der Novelle 2023 kommt es zu Erleichterungen für das Anbringen von Fassaden- und Dachbegrünungen bei Bestandsgebäuden. Des Weiteren sind die Errichtung von Fotovoltaikanlagen, sofern sie unter anderem nicht eine Engpassleistung von mehr als 15 kWp aufweisen (siehe § 60 Abs 1 lit j BO für Wien) und der Einbau von Erdwärmesonden (außerhalb von Grünland-Schutzgebieten und Bausperren) bewilligungsfrei. Mit der Änderung des § 118 Abs 3b BO für Wien wurde die Verpflichtung zum Einsatz von solaren Energieträgern erhöht, die herzustellende Leistung bei Wohnneubauten wurde nun auf 1 kWp/150m² verdoppelt. Hinzu kommt eine Verpflichtung zur Installierung von Fotovoltaik-Modulen bei Neubauten von Wohngebäuden und Zubauten. Als Novum in der Novelle 2023 gilt die Verpflichtung zur Entsiegelung von Innenhöfen bei bewilligungspflichtigen Bauführungen und größeren Renovierungen. Dabei wird allerdings noch Auslegungsbedarf bestehen, wie eine Entsiegelung konkret gewährleistet werden soll, beispielsweise bei einem vermieteten Innenhof.

Neuerungen des § 69 BO für Wien bringen Chancen für die Baubranche

Der neu geschaffene § 69 Abs 2 Z 5 BO für Wien sieht vor, dass künftige Abweichungen vom Bebauungsplan nunmehr zusätzlich auch unter der Voraussetzung möglich sind, dass diese in dauerhafter Weise dem Klimaschutz oder der Klimawandelanpassung dienen. Insofern besteht die Möglichkeit, mit innovativen Vorhaben, die dem Klimaschutz nützen, vom jeweiligen Bebauungsplan abzuweichen. 

Einschränkung gewerbliche Nutzung von Wohnraum/Kurzzeitvermietung

Durch die Novelle 2023 sind sowohl die Definition als auch die Nutzungsmöglichkeiten einer Wohnung neu geregelt worden. Demnach sind neben der Nutzung einer Wohnung zu Wohnzwecken nur Nutzungen erlaubt, die üblicherweise in Wohnungen ausgeübt werden, sowie die Beschränkung der kurzfristigen Vermietung auf maximal 90 Tage pro Jahr, wenn sowohl eine Ortstaxe entrichtet als auch der Wohnsitz nicht dauerhaft aufgegeben wird. Eine gewerbliche Nutzung beispielsweise für kurzfristige Beherbergungszwecke stellt eine solche Tätigkeit nicht dar.

Eine über die 90 Tage hinausgehende Kurzzeitvermietung ist nur mit einer Ausnahmebewilligung zulässig, die auf höchstens fünf Jahre befristet erteilt werden kann. Zur Verhinderung der Zweckentfremdung gilt künftig bereits das Anbieten einer Wohnung (bspw auf Internetplattformen wie Willhaben) über die 90 Tage hinaus ohne Vorliegen einer Ausnahmebewilligung als Verwaltungsübertretung. Dabei drohen Geldstrafen von bis zu EUR 50.000.--. 

Verschärfungen bei Abbrüchen (Altbauschutz)

Durch die Änderungen des § 60 Abs 1 lit d BO für Wien hat für Abbrüche von vor 1945 errichteten Gebäuden bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Abbruchreife die schuldhafte Vernachlässigung der Erhaltungspflicht außer Betracht zu bleiben; dies erstreckt sich auch auf den Rechtsnachfolger, wenn dieser von der schuldhaften Vernachlässigung Kenntnis hatte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben musste. Bei der Frage „Sanierung oder Abbruch“ sind künftig auch öffentliche Förderungen zu berücksichtigen. Überdies wurde das wirtschaftliche Ertragspotential nunmehr als Maßstab für die wirtschaftliche Abbruchreife des Gebäudes ausdrücklich gesetzlich verankert. Außerdem ist künftig für Altbauten auch ein Bauwerksbuch („Gebäudepickerl“) zu führen.

Besondere Stellung: Wiener UNESCO-Welterbestätten

In der novellierten Bauordnung für Wien spielt zudem das Thema UNESCO-Welterbestätte eine größere Rolle. Hierfür wurde in mehreren Bestimmungen die besondere Stellung der Wiener UNESCO-Welterbestätten ausdrücklich berücksichtigt, unter anderem durch den neu geschaffenen § 69 Abs 1 Z 5 BO für Wien, der die Beeinträchtigung von UNESCO-Welterbestätten als Ausschlusskriterium für Abweichungen von Bestimmungen des Bebauungsplans statuiert. 

Das Fahrrad auf der Überholspur

Auch in puncto Mobilität kommt es zu Neuerungen: So wurden etwa die Anforderungen an Fahrradabstellplätze stark nachgebessert. Dabei ist bei Neubauten je 30 m² Wohnnutzfläche ein Fahrradstellplatz zu errichten und für jeden zehnten Fahrradabstellplatz ein Abstellplatz für Lastenräder oder Fahrradanhänger sowie eine angemessene Anzahl von Ladeplätzen für Elektrofahrräder zu errichten.

Reduzierung der Pflichtstellplätze

Angelehnt an das „Züricher Modell“ wird durch die Novelle der Bauordnung für Wien ein Zonenmodell eingeführt, das zur Reduktion von Pflichtstellplätzen bei Bauprojekten führt. Für die Festlegung der Zonen wurden die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz und die Nähe zum Stadtzentrum herangezogen. Demnach sind künftig innerhalb der ersten Zone nur 70 Prozent und innerhalb der zweiten Zone nur 80 Prozent der Pflichtstellplätze zu errichten. In der dritten Zone sind, wie bisher generell, 100 Prozent der Pflichtstellplätze notwendig. Durch die Errichtung von zusätzlichen Ladepunkte für E-Fahrzeuge und Car-Sharing Angebote können ergänzend zum Zonenmodell weitere Pflichtstellplätze reduziert werden (sogenannte Kompensationsmaßnahmen).

Fazit

Der Ausbau von Fotovoltaikanlagen, die Förderung der Begrünung und auch der Trend zum Fahrrad treffen durchaus den Puls der Zeit. Darüber hinaus ermöglicht die Änderung des § 69 BO für Wien neue Möglichkeiten bei zukunftsorientierten Bauvorhaben, von den Bestimmungen des Bebauungsplans abzuweichen. Durch die Entsiegelung der Innenhöfe, dem erhöhten Altbauschutz oder auch die neuen Bestimmungen zur Wiener UNESCO-Welterbestätte kommt einiges an administrativem Aufwand und Kosten auf die Immo- und Baubranche zu. Eines kann aber schon jetzt vorweggenommen werden: Die Novelle 2023 wird in Wien einen bleibenden (sichtbaren) Eindruck hinterlassen. 
 

AutorIn

Maximilian Reither

Associate