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COVID-19: Finance Update – 3., 4. und 5. COVID-19-Gesetz

06.04.2020 - Lesezeit: 6 Minuten

AutorIn

Florian Kranebitter

Partner

Im Kontext der aktuellen COVID-19-Pandemie hat das österreichische Parlament am 3.4.2020 das 3., 4. und 5. COVID-19-Gesetz verabschiedet. Einige Punkte aus diesen Gesetzen sind auch für die Finanzierungspraxis von besonderer Relevanz.

Verschiebung der Fälligkeit von Zahlungen bei Kreditverträgen bei Verbraucherkreditverträgen und Kreditverträgen mit Kleinstunternehmen

Für Verbraucherkreditverträge, die vor dem 15.3.2020 abgeschlossen wurden, gilt, dass Ansprüche des Kreditgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen 1.4.2020 und 30.6.2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet werden, wenn der Verbraucher aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einkommensausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist, wobei beim Kriterium der Zumutbarkeit insbesondere auf die Aufrechterhaltung des eigenen Lebensunterhalts und des Lebensunterhalts für Unterhaltsberechtigte abgestellt wird. Klargestellt ist auch, dass der Kreditnehmer während dieser Drei-Monats-Frist nicht mit den Zahlungen in Verzug ist und für diese Zeit auch keine Verzugszinsen anfallen. Im Gegenzug wurde die Frist für die Inanspruchnahme von Sicherheiten auch um eine Drei-Monats-Frist verlängert.

Kündigungen wegen Zahlungsverzug oder wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers sind binnen der Drei-Monats-Frist ausgeschlossen. Diese Bestimmung ist auch einvernehmlich nicht abdingbar, sonstige abweichende einvernehmliche Regelungen (zB Teilleistungen, Zins- und Tilgungsanpassungen oder Umschuldungen) sind hingegen zulässig.

Gemäß Artikel 37 4. COVID-19-Gesetz (§ 2 Abs 5 ff) „soll“ der Kreditgeber dem Verbraucher ein Gespräch über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen anbieten, wobei dafür auch der Einsatz von Fernkommunikationsmitteln ausdrücklich für zulässig erklärt wird. Kommt eine einvernehmliche Regelung für den Zeitraum nach dem 30.6.2020 nicht zustande, so verlängert sich die Vertragslaufzeit um drei weitere Monate, wobei die wechselseitigen Leistungen um diesen Zeitraum hinausgeschoben werden.

Bemerkenswert ist, dass die vorstehenden Regelungen nicht nur auf Verbraucherkreditverträge, sondern auch auf Kreditverträge mit Kleinstunternehmen (Art. 2 Abs. 3 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, Amtsblatt vom 20.5.2003, L 124/39) anwendbar sind, sofern der Kreditvertrag vor dem 15.3.2020 abgeschlossen wurde und das Unternehmen infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind, die Leistungen nicht erbringen kann oder dem Unternehmen die Erbringung der Leistungen ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre.

Erleichterung bei Geschäften, Versammlungen und Beschlussfassungen die bestimmten Formpflichten unterliegen

Einen nicht unerheblichen Anwendungsbereich im Kontext von Finanzierungen nehmen formpflichtige Maßnahmen ein; zu denken ist hierbei insbesondere an den Bereich von formpflichtigen Sicherheitenbestellungen oder sonstigen Maßnahmen wie beispielsweise Registereintragungen oder Umgründungsmaßnahmen, die regelmäßig aufschiebende oder auflösende Bedingungen bei Finanzierungstransaktionen sind. Das 4. COVID-19-Gesetz bringt diesbezüglich vorübergehend erhebliche Erleichterungen.

Gemäß dem neuen § 90a Notariatsordnung (NO) (vgl Artikel 34 4. COVID-19-Gesetz) bedarf ein Rechtsgeschäft, eine Erklärung oder eine rechtserhebliche Tatsache zur Wirksamkeit der Form eines Notariatsakts oder einer sonstigen öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde, so können zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 die für die Errichtung der Urkunde erforderlichen notariellen Amtshandlungen unter sinngemäßer Anwendung von § 69b Abs 2 und 3 sowie § 79 Abs 9 NO auch unter Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit (§ 69b NO) vorgenommen werden. Vergleichbare Vereinfachungen waren bisher im Wesentlichen nur bei der Einmann-GmbH-Gründung anwendbar.

In dieselbe Kerbe schlägt auch Artikel 35 4. COVID-19-Gesetz mit dem § 1 des Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Gesetzes geändert wird, wonach zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 Versammlungen von Gesellschaftern und Organmitgliedern einer Kapitalgesellschaft, einer Personengesellschaft, einer Genossenschaft, einer Privatstiftung, eines Vereins, eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, eines kleinen Versicherungsvereins oder einer Sparkasse auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt und Beschlüsse auch auf andere Weise gefasst werden können. Die Bundesministerin für Justiz ist ermächtigt, durch Verordnung noch zu spezifizieren welche Kommunikationswege für Versammlungen und Beschlussfassungen zulässig sind, um eine möglichst hohe Qualität der Rechtssicherheit bei der Willensbildung zu gewährleisten.

Einfluss auf laufende und künftige Finanzierungen

Die COVID-19-Gesetze der österreichischen Bundesregierung haben auf laufende und künftige Finanzierungen gerade auch im Hinblick auf den direkten oder indirekten Einsatz der Finanzmittel und die vereinbarten Ressourcen für die Bedienung der Kredite erhebliche Auswirkungen. Für viele Wirtschaftsbereiche werden gesetzlich Stand-Stills, Moratorien oder Stundungen für einen Zeitraum von im Wesentlichen bis 1.6.2020 vorgesehen. Die Darstellung aller dieser Änderungen würde den Umfang dieser Übersicht sprengen, sodass wir uns im Folgenden auf die überblicksartige Darstellung einzelner gesetzlicher Maßnahmen fokussieren, die auch im Kontext von Finanzierungsverträgen von Bedeutung sind:

Ausschluss von
Konventionalstrafen
vor dem 1.4.2020 vereinbarte Konventionalstrafen sind insofern nicht anwendbar, als in Folge der COVID-19-Pandemie der Verpflichtete entweder in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist oder die Leistung wegen der Beschränkungen des Erwerbslebens nicht erbringen kann (Artikel 37 § 4 4. COVID-19-Gesetz); ob einzelne Bestimmungen in Finanzierungsdokumentationen als Konventionalstrafen zu qualifizieren sind, wird daher zu prüfen sein.
Verlängerung der Insolvenzantragspflicht bei (bloßer) ÜberschuldungBei einer nach Inkrafttreten des 4. COVID-19-Gesetzes eingetretenen Überschuldung (nicht hingegen bei Zahlungsunfähigkeit) besteht bis zum Ablauf des 30.6.2020 keine Verpflichtung zur Insolvenzantragspflicht (Artikel 37 § 9 4. COVID-19-Gesetz). Liegt nur Überschuldung nicht hingegen Zahlungsunfähigkeit vor, ist ein Verfahren entsprechend auch nicht auf Antrag eines Gläubigers einzuleiten. Default und Covenant Klauseln in Finanzierungsverträgen nehmen oft auf Antragspflichten bzw einen Insolvenzstatus Bezug; eine Prüfung der Auswirkung dieser Gesetzesänderung in Bezug auf diese Klauseln wird daher erforderlich sein.
Ausnahme für Kredite aus dem Anwendungsbereich des EigenkapitalersatzrechtsEin Kredit im Sinne des § 1 EKEG liegt nicht vor, wenn ein Geldkredit nach Inkrafttreten des 4. COVID-19-Gesetzes bis zum Ablauf des 30.6.2020 für nicht mehr als 120 Tage gewährt und zugezählt wird und für den die Gesellschaft weder ein Pfand noch eine vergleichbare Sicherheit aus ihrem Vermögen bestellt hat (Artikel 37 § 13 4. COVID-19-Gesetz). Diese Gesetzesänderung schafft damit ua einen erweiterten Spielraum für Co-Finanzierungen.
Gebührenbefreiung für Pfandrechtseintragungen bis 1.7.2020Pfandrechtseintragungen zur Besicherung von Darlehen, die ausschließlich zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten von Unternehmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und den dadurch verursachten wirtschaftlichen Auswirkungen aufgenommen werden, sind von den Gerichtsgebühren befreit, sofern der Antrag, mit dem die Eintragung begehrt wird, noch vor dem 1.7.2020 bei Gericht eingelangt ist. Die Befreiung gilt auch für Pfandrechtseintragungen, die vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung beantragt wurden (Artikel 37 § 16 4. COVID-19-Gesetz).

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Florian Kranebitter

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