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Beschränkte Parteistellung von Nachbarn im gewerberechtlichen Anzeigeverfahren

16.10.2016 - Lesezeit: 2 Minuten

Mit seinem Erkenntnis vom 12.9.2016, Ro 2015/04/0018, hat der VwGH entschieden, dass – abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung – Nachbarn bei einem Anzeigeverfahren gemäß § 81 Abs 3 iVm Abs 2 Z 5 und Z 9 iVm § 345 Abs 6 GewO eine beschränkte Parteistellung hinsichtlich der Frage zukommt, ob die Voraussetzungen für dieses Verfahren überhaupt vorliegen.

Mit dieser Entscheidung passt der VwGH seine Rechtsprechung an jene des VfGH an, wonach in verfassungskonformer Interpretation die zitierten Bestimmungen dahingehend auszulegen sind, dass Nachbarn eine solche beschränkte Parteistellung zu gewähren ist (VfGH 1.3.2012, B 606/11 betreffend § 81 Abs 3 iVm § 81 Abs 2 Z 9 GewO).

Aus der Sicht des Betriebsanlageninhabers, der – etwa durch den Austausch von Maschinen – seine Anlage auf den neuesten technischen Stand bringen will, wird es spätestens mit dieser Entscheidung fraglich, welchen Mehrwert ein solches Anzeigeverfahren hat.

Das Anzeigeverfahren, das auf die GewO-Novelle 1997 zurückgeht, steht ganz im Zeichen der Verfahrensbeschleunigung und Verwaltungsvereinfachung. Dieser Gedanke spiegelt sich etwa auch in § 345 Abs 6 GewO wider. Die Behörde hat beantragte Anzeigen binnen zwei Monaten nach ihrer Erstattung mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen, wenn die geforderten Voraussetzungen gegeben sind (eine Änderung also etwa emissionsneutral ist). Emissionsneutralität besteht nur dann, wenn auch die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung der in § 81 Abs 1 GewO genannten Interessen (also auch Nachbarinteressen) von vornherein ausgeschlossen werden kann (VwGH 24.4.1990, 89/04/0194). Sind die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, hat die Behörde innerhalb von zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige die Änderung mit Bescheid zu untersagen. Abweichendes gilt es bei einer nachbarneutralen Änderung gemäß § 81 Abs 2 Z 7 GewO zu beachten.

Wendet ein Nachbar nunmehr in einem Anzeigeverfahren ein, dass von den Anlagenänderungen Auswirkungen auf sein nachbarrechtliches Immissionsschutzinteresse bewirkt werden, dann bedarf es deswegen in aller Regel eine entsprechende Aussage auf fachlicher Ebene (etwa Lärmgutachten). Hierdurch kann es im Ergebnis zu einer deckungsgleichen Überlagerung der an sich „beschränkten“ Nachbarrechte im Anzeigeverfahren an jene Rechte kommen, die ohnehin auch im regulären Änderungsverfahren gegeben sind.

Eine weitere Untiefe ergibt sich daraus, wie Nachbarn in das Anzeigeverfahren einzubinden sind. Kommt es zu keiner qualifiziert kundgemachten mündliche Verhandlung, bei der Nachbarn Einwendungen über die Wahl des Verfahrenstyps erheben können, dann würden sie ihre Parteistellung auch dann nicht verlieren (Präklusion), selbst wenn sie sich dem ihnen gegenüber bekannten Änderungsprojekt nicht oder nicht negativ äußern.

Der gesetzgeberische Ansatz, wonach Nachbarrechte im Anzeigeverfahren zur Erzielung einer möglichen Verfahrensbeschleunigung beschnitten hätten werden sollen, hat sich letztlich als Bumerang herausgestellt. Werden nachbarrechtliche Schutzinteressen strittig, können die Grenzen zwischen Anzeigeverfahren und regulärem Änderungsverfahren verschwinden. Ein Mehrwert des Anzeigeverfahrens ist in solchen Fällen kaum bis gar nicht mehr erkennbar. Die Entscheidung, ob eine mündliche Verhandlung anberaumt wird, obliegt zwar im Ermessen der Behörde, kann und sollte jedoch vom Antragsteller im Einzelfall angedacht und angeregt werden. Gibt es keine nachbarschaftlichen Einwendungen gegen die Wahl des Verfahrenstyps, dann schafft dies aufgrund der eingetretenen Präklusion nicht nur Rechtssicherheit; vielmehr behielte das Anzeigeverfahren in solchen Fällen wegen seiner kurzen (Entscheidungs-)Fristen auch seine Existenzberechtigung.

Es bedarf jedenfalls von Seiten des Betriebsanlageninhabers reiflicher Überlegungen, ob für das konkret geplante Änderungsprojekt das Anzeigeverfahren tatsächlich ein probates Mittel zur Zielerreichung sein könnte. Andernfalls kann es im Verfahren und auch noch danach zu bösen Überraschungen kommen.