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„Bauverbotszonen“: Die Lösung für den Baulandüberhang?

10.11.2025

AutorIn

Josef Peer

Partner

Lukas Reichmann

Associate

Dass Grundstücke, die seit vielen Jahren als Bauland gewidmet sind, dennoch unbebaut bleiben, ist in Österreich kein neues Phänomen. Ein aktuelles Beispiel findet sich in der Gemeinde Umhausen im Tiroler Bezirk Imst: Dort wurden bereits vor mehr als 15 Jahren mehrere Flächen als Bauland ausgewiesen, die bis heute nicht bebaut wurden. Um diesem Baulandüberhang und den damit verbundenen Preissteigerungen entgegenzuwirken, begründen immer mehr Gemeinden sogenannte Bauverbotszonen. Ziel solcher „Bauverbotszonen“ ist es, ungenutztes, aber bereits gewidmetes Bauland einer aktiven Steuerung durch die Gemeinde zu unterziehen. Auch der Gemeinderat der Gemeinde Umhausen hat im Örtlichen Raumordnungskonzept 2020 solche „Bauverbotszonen“ festgelegt.

Eine betroffene Grundeigentümerin bekämpfte daraufhin die Abweisung ihres Bauantrages. Das Landesverwaltungsgericht Tirol („LVwG“) legte den Fall dem Verfassungsgerichtshof („VfGH“) vor. Dieser sah jedoch keinen Anlass, die zugrunde liegenden Verordnungen aufzuheben.

Hintergrund und Ausgangsverfahren

Die Beschwerdeführerin erwarb im Jahr 2018 ein Grundstück, das zu diesem Zeitpunkt als Bauland – Wohngebiet gewidmet war. In der Folge fasste der Gemeinderat der Gemeinde Umhausen den Beschluss, dieses Grundstück gemäß § 35 Abs 2 des zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Verordnungen gültigen Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 („TROG 2016“) als „Bauverbotsfläche“ auszuweisen. Diese Kennzeichnung bewirkt, dass auf den betroffenen Flächen – trotz aufrechter Baulandwidmung – nur noch Bauvorhaben zulässig sind, die auch im Freiland errichtet werden könnten. Der Antrag der Grundeigentümerin auf Erteilung einer Baubewilligung für ein Wohnhaus wurde in der Folge unter Hinweis auf die „Bauverbotszone“ abgewiesen.

Im Zentrum des Verfahrens steht somit die Frage, ob die Ausweisung einer Bauverbotszone nach dem TROG 2016 ein zulässiges Mittel zur Bewältigung eines regionalen Baulandüberhangs darstellte. Das in der Folge angerufene LVwG äußerte Bedenken an der Gesetzmäßigkeit der zugrunde liegenden Verordnungen und stellte von Amts wegen den Antrag, ein Gesetzesprüfungsverfahren beim VfGH einzuleiten und die Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes und des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Umhausen hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Grundstückes als gesetzwidrig aufzuheben.

Die Bedenken des LVwG

Nach Ansicht des LVwG erfolgten sowohl die Fortschreibung des Raumordnungskonzeptes als auch die Änderung des Flächenwidmungsplanes – insbesondere die Festlegung der „Bauverbotszonen“ – ohne ausreichende Grundlagen. Auch eine differenzierte Auseinandersetzung mit den konkreten Gegebenheiten der betroffenen Grundstücke habe nicht stattgefunden. Zudem komme die zeitlich unbefristete Kennzeichnung als „Bauverbotsfläche“ faktisch einer Rückwidmung gleich, ohne dass den betroffenen Eigentümer:innen eine Entschädigung gewährt werde. Dies stelle nach Ansicht des LVwG einen unverhältnismäßigen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentum dar. Darüber hinaus führte das LVwG aus, dass weder im Raumordnungskonzept noch im Flächenwidmungsplan klare Kriterien definiert seien, wann ein „Bedarf“ für die Aufhebung der Bauverbotszone vorliege.

Kernaussagen des VfGH

Der VfGH wies den Antrag des LVwG als unbegründet ab (VfGH 23.9.2025, V 81-82/2025). Nach Auffassung des VfGH hat die Gemeinde eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Grundlagenforschung durchgeführt und einen erheblichen Baulandüberhang von rund 19 Hektar im Wohngebiet festgestellt. Entgegen den Bedenken des LVwG Tirol ergibt sich allerdings aus dem örtlichen Raumordnungskonzept, unter welchen Voraussetzungen das „Bauverbot“ aufgehoben werden soll. Im örtlichen Raumordnungskonzept wird nämlich bestimmt, dass Flächen nach Vorliegen weiterer Voraussetzungen bebaut werden dürfen. Das Konzept unterscheidet dabei mehrere Kategorien von Bauverbotszonen mit jeweils abgestuften Anforderungen – von einem reinen Bedarfsnachweis (ZV1) bis zur nachweislichen Baulandeignung, Erschließung und Grundstücksstruktur (ZV3). Diese differenzierte Regelung verdeutliche, dass die Gemeinde den planerischen Ermessensspielraum sachgerecht genutzt habe.

Eine – vom LVwG aufgeworfene – verfassungsrechtlich unzulässige Rückwidmung sah der VfGH nicht. Vielmehr sei die Maßnahme ein zulässiges, verhältnismäßiges Steuerungsinstrument. Das öffentliche Interesse an der Reduktion des erheblichen Baulandüberhanges rechtfertige zwar den Eingriff in das Eigentum. Entscheidend sei jedoch, dass Eigentümer:innen die Möglichkeit haben, bei Vorliegen eines konkreten Bedarfs die Aufhebung des „Bauverbots“ zu beantragen. Gerade diese Möglichkeit sichere – so der VfGH – die Verhältnismäßigkeit der Regelung.

Bedeutung über den Einzelfall hinaus?

Die auf den ersten Blick durch den VfGH vermeintlich bestätigte Zulässigkeit der sogenannten „Bauverbotszone“ sowie ihre mediale Darstellung als weitreichende, allgemein verbindliche oder gar „grundsatzändernde“ Entscheidung des VfGH relativieren sich bei näherer Betrachtung. Der VfGH hat zwar die Kennzeichnung der „Bauverbotsfläche“ zur Reduzierung des Baulandüberhanges als im öffentlichen Interesse liegend beurteilt. Nach der rechtlichen Beurteilung ergibt sich die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen (und somit auch deren Zulässigkeit) aber insbesondere aus dem zwingenden Mechanismus ihrer Aufhebung:

Die Kennzeichnung – und damit das mit ihr verbundene „Bauverbot“ – ist nämlich dann aufzuheben, sobald die in den entsprechenden Verordnungen definierten Voraussetzungen erfüllt sind und ein konkreter Bedarf für eine widmungsgemäße Nutzung besteht. Im Raumordnungskonzept der betroffenen Gemeinde waren hierfür klare Kriterien vorgesehen, etwa der Bedarfsnachweis, der Nachweis der Baulandeignung oder die Sicherstellung der Verkehrserschließung. Diese konkrete Ausgestaltung bewirkt einen sachgerechten Ausgleich zwischen öffentlichem Interesse (insbesondere der Reduktion von Baulandüberhängen) und den Interessen der Eigentümer:innen.

Die vom VfGH in der Entscheidung herangezogenen Grundsätze sind darüber hinaus auch keineswegs neu, sondern fügen sich in seine bestehende Judikaturlinie zum Verhältnis zwischen Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan ein. Sieht der Verordnungsgeber im Flächenwidmungsplan die verpflichtende Erlassung eines Bebauungsplans vor, so bewirkt dies – solange ein solcher nicht erlassen ist – nach der Rechtsprechung des VfGH ein unzulässiges faktisches Bauverbot für das betreffende Grundstück. Gleiches gilt konsequenterweise auch für die Aufhebung einer Bauverbotszone: Liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung – etwa durch den Nachweis eines konkreten Bedarfs – vor, ist die Kennzeichnung zwingend aufzuheben. Zudem muss für eine verfassungskonforme Ausgestaltung einer „Bauverbotsfläche“ die Möglichkeit, den erforderlichen Bedarfsnachweis zu erbringen, auch Dritten offenstehen (also ohne unmittelbares Zutun der Gemeinde). Andernfalls entstünde das zuvor angesprochene faktische, dauerhafte Bauverbot, das in dieser Form nicht als verhältnismäßig im Sinne der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie angesehen werden könnte.

Vor diesem Hintergrund ist auch der konkrete Fall zu bewerten. Die Feststellung des VfGH, dass die maßgebliche Verordnung verfassungskonform ist, bedeutet nicht, dass ein konkreter, belegbarer Bedarf der Grundstückseigentümer:innen ausgeschlossen wäre. Im Gegenteil: Gerade die Möglichkeit, durch den Nachweis eines solchen Bedarfs die Aufhebung der Kennzeichnung als „Bauverbotsfläche“ zu erwirken, begründet erst die Verfassungskonformität der Regelung.

Die „Bauverbotszone“ bleibt im Ergebnis ein temporäres und dynamisches Instrument der Raumordnung, das eine situationsgerechte Steuerung ermöglicht, nicht jedoch ein dauerhaftes Mittel zur Einschränkung von Eigentumsrechten. Der VfGH bestätigt in seiner Entscheidung auch damit kein neues Grundsatzverständnis, sondern präzisiert die bereits bekannte verfassungsrechtliche Balance zwischen öffentlichem Planungsinteresse und individueller Eigentumsfreiheit.

Fazit und Ausblick

Dass der VfGH die vorliegende „Bauverbotszone“ als verfassungskonform beurteilt, stellt bei näherer Betrachtung keine weitreichende oder grundlegend neue Entscheidung dar. Vielmehr handelt es sich um eine konsequente Weiterführung der bisherigen Rechtsprechung. Ausschlaggebend ist, dass der VfGH die Verhältnismäßigkeit – und damit auch die Zulässigkeit – der Maßnahme im vorgesehenen Mechanismus ihrer Aufhebung erkennt. Eine – medial teilweise kommunizierte – „Weichenstellung“ für die Tiroler Raumordnungspolitik ist daher nicht abzuleiten. Vielmehr bleibt es dabei, dass Bauverbotszonen nur bei sorgfältiger Grundlagenforschung, nachvollziehbarer Bedarfsprüfung und verhältnismäßiger Ausgestaltung Bestand haben können.

Für die Praxis bedeutet dies (nach wie vor): Die Gemeinden müssen bei der Erlassung entsprechender Verordnungen nachvollziehbar dokumentieren, auf welcher sachlichen und rechtlichen Grundlage sie handeln. Auch wenn die Ausweisung einer „Bauverbotsfläche“ grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegen kann, muss die Aufhebung geboten sein, sobald ein konkreter Bedarf für eine widmungsgemäße Nutzung nachgewiesen wird.

Grundstückseigentümer:innen wiederum sollten aktiv prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bauverbotszone bereits vorliegen und gegebenenfalls entsprechende Schritte gegenüber der Gemeinde setzen. Diesbezüglich kann auch das Informationsfreiheitsgesetz eine Möglichkeit bieten, die erforderlichen Voraussetzungen und deren Eintritt bei der Gemeinde abzufragen.

AutorIn

Josef Peer

Partner

Lukas Reichmann

Associate