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Ab in die Zukunft: Virtuelle Gesellschafterversammlungen nun dauerhaft möglich!

21.09.2023

AutorIn

Peter Blaschke

Rechtsanwalt

Während der Pandemie war es erforderlich, Wege zu suchen, um weiterhin Gesellschafterversammlungen abzuhalten. Das Resultat war die mit § 1 COVID-19-GesG geschaffene Möglichkeit der Abhaltung virtueller Versammlungen. Die Vorteile dieser virtuellen Versammlungen waren unübersehbar, sodass bereits vor dem Auslaufen des § 1 COVID-19-GesG am 30. Juni 2023 der Ruf nach einer dauerhaften Verankerung von virtuellen Versammlungen im Gesellschaftsrecht laut wurde. Diesem Ruf ist der Gesetzgeber mit dem am 14. Juli 2023 in Kraft getretenen Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz (VirtGesG) gefolgt.

Anwendungsbereich

Gemäß § 1 Abs 1 VirtGesG gilt dieses für Kapitalgesellschaften (AG, GmbH), Genossenschaften, Vereine, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, kleine Versicherungsvereine und Sparkassen („Gesellschaften“). Bei all diesen Gesellschaften kann in Zukunft eine virtuelle Haupt- bzw Generalversammlung („virtuelle Versammlung“) stattfinden.

Versammlungen von Organen, wie zB Vorstand oder Aufsichtsrat, sind vom VirtGesG nicht erfasst. Hier bleibt es somit bei der bisherigen Rechtslage, wonach virtuelle Versammlungen dann zulässig sind, wenn alle Teilnehmer der Versammlung dem zustimmen.

Kein Automatismus – Änderungsbedarf im Gesellschaftsvertrag

Damit auf der Basis des VirtGesG virtuelle Versammlungen abgehalten werden können, ist eine entsprechende Änderung der Satzung, bzw des Gesellschaftsvertrags („Gesellschaftsvertrag“) erforderlich. Diese ist mit der für eine Änderung des Gesellschaftsvertrags jeweils vorgesehenen Mehrheit zu beschließen. Einstimmigkeit oder erhöhte Mehrheitserfordernisse sind nicht vorgesehen. Wird der Gesellschaftsvertrag nicht geändert, sind keine virtuelle Versammlungen möglich und es sind weiter Präsenzversammlungen durchzuführen.

Gestaltungsmöglichkeiten

Der geänderte Gesellschaftsvertrag kann folgende Möglichkeiten vorsehen:

  1. virtuelle Versammlung über eine akustische und optische Zweiwegverbindung in Echtzeit (Videokonferenz);
  2. hybride Versammlung, dh als Präsenzversammlung mit virtueller Teilnahmemöglichkeit;
  3. Ermächtigung des Einberufungsorgans jeweils zu entscheiden, in welcher Form die Versammlung abgehalten wird.

Wird die Entscheidung dem jeweiligen Einberufungsorgan überlassen, hat es die Interessen der Gesellschaft und der Teilnehmer angemessen zu berücksichtigen. Bei der Durchführung einer virtuellen oder hybriden Versammlung hat das einberufende Organ den Teilnehmern den barrierefreien Zugang zu dieser zu ermöglichen.

Sowohl die virtuelle Versammlung als auch die hybride Versammlung kann „einfach“ oder „moderiert“ durchgeführt werden (die Festlegung erfolgt im Gesellschaftsvertrag oder kann dem einberufenden Organ überlassen werden). Bei einer moderierten Versammlung besteht keine Zweiwegverbindung, bei der sich alle Teilnehmer jederzeit zu Wort melden können, sondern die Versammlung wird übertragen. Es müssen aber schriftliche Wortmeldungen (zB per Chat, E-Mail oder in einem eigenen Portal) möglich bleiben. Zudem muss es einem Teilnehmer auf dessen Wunsch auch möglich sein, sich mündlich zu Wort zu melden. Bei hybriden Versammlungen müssen virtuelle und reale Teilnehmer gleichbehandelt werden.

Börsenotierte Gesellschaften

Bei börsenotierten Gesellschaften sind folgende Besonderheiten zu beachten:

  1. Die Satzungsbestimmung, mit der virtuelle/hybride Versammlungen ermöglicht werden, ist zwingend auf 5 volle Geschäftsjahre zu befristen. Danach ist eine neuerliche Beschlussfassung erforderlich.
  2. Wurde eine virtuelle Versammlung durchgeführt, kann eine Minderheit von 5 % des Grundkapitals verlangen, dass die nächste Hauptversammlung in einer Form durchgeführt wird, die eine physische Teilnahme ermöglicht. Der entsprechende Antrag muss bis zum Ende des Geschäftsjahrs, in dem die virtuelle Versammlung stattgefunden hat, gestellt werden.
  3. Die Gesellschaft hat zwei besondere Stimmrechtsvertreter zur Verfügung zu stellen. Diese können von den Aktionären mit der Stellung von Beschlussanträgen, der Ausübung des Stimmrechts und der Erhebung eines Widerspruchs beauftragt werden.
  4. Die Details der organisatorischen und technischen Teilnahmevoraussetzungen müssen spätestens am 21. Tag vor der Hauptversammlung bereitgestellt und auf der Website abrufbar sein.
  5. Es ist ein elektronischer Kommunikationsweg zur Verfügung zu stellen, auf dem Aktionäre schon vorab Fragen und Beschlussanträge an die Gesellschaft richten können.
  6. Die Satzung kann vorsehen oder den Vorstand dazu ermächtigen, dass die Aktionäre ihre Stimmen schon vor der Hauptversammlung auf elektronischem Weg abgeben können.

Fazit

Es ist erfreulich, dass der Gesetzgeber dem Ruf nach der Möglichkeit virtueller Versammlungen gefolgt ist. Damit besteht insbesondere für mittelgroße bis große GmbHs und Aktiengesellschaften mit einem internationalen Gesellschafterkreis die Möglichkeit, General- und Hauptversammlungen unkompliziert durchzuführen.
 

AutorIn

Peter Blaschke

Rechtsanwalt