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Das Gesetzespaket zum Ausbau erneuerbarer Energien – großes Potential für Energiegemeinschaften

24.03.2021 - Lesezeit: 5 Minuten

AutorIn

Florian Kranebitter

Partner

Michael Hecht

Partner

Als wesentlicher österreichischer Beitrag zur Klima- und Energiewende mit dem Ziel, Österreichs Strombedarf bis zum Jahr 2030 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen zu decken, wurde die Regierungsvorlage zum Entwurf des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespakets (EAG-Paket) veröffentlicht. Die Rahmenbedingungen für die neuen Energiegemeinschaften im regionalen und überregionalen Bereich zu nützen, bieten Chancen, enthalten aber auch zahlreiche Herausforderungen in der praktischen Umsetzung. Das Gesetzespaket soll noch vor dem Sommer 2021 in Kraft treten.

Mit dem EAG-Paket, mit dem unter anderem die europäische Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (RED II) umgesetzt und die Einhaltung der nationalen Referenzwerte für erneuerbare Energien gemäß Governance-Verordnung sichergestellt werden soll, wird das Ziel verfolgt, den Gesamtstromverbrauch in Österreich ab dem Jahr 2030 (bilanziell) zu 100% aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Der Anteil an erneuerbaren Energiequellen soll um 27 TWh ausgebaut werden, wobei mit einem Anteil von 11 TWh ein Schwerpunkt auf der Photovoltaik (gefolgt von 10 TWh Wind, 5 TWh Wasserkraft und abgeschlagen 1 TWh Biomasse) liegt.

Das Gesetzespaket schafft mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) ein zentrales neues Gesetz für Förderungen von erneuerbaren Energiequellen im Rahmen eines Marktprämienmodells und durch Investitionszuschüsse. Darüber hinaus sieht das EAG die Einrichtung einer EAG-Förderstelle, Grundlagen für Energiegemeinschaften, Regelungen für Monitoring und Transparenz einschließlich Bestimmungen zu Herkunftsnachweisen vor. Geändert werden mit dem EAG-Paket unter anderem auch das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) und das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010).

Förder- und Marktprämienmodelle als wesentlicher Motor 

Ein wesentlicher Aspekt des EAG-Pakets sind die finanziellen Stützungsmaßnahmen, wobei pro Jahr ein Volumen von einer Milliarde Euro angepeilt wird. Diese Stützungsmaßnahmen erfolgen entweder als einmalige Investitionszuschüsse oder als laufende, variable Marktprämien für die Stromproduktion zum Ausgleich zwischen den Produktionskosten von Strom aus erneuerbaren Quellen und dem durchschnittlich erzielbaren Marktpreis für Strom. Marktprämien sollen in der Regel für eine Dauer von 20 Jahren gewährt werden. Die Marktprämien werden für Photovoltaik und Biomasseanlagen im Rahmen von Ausschreibungen wettbewerblich vergeben, für Wind- und Wasserkraftanlagen sowie für kleinere Biomasseanlagen und Anlagen auf Basis von Biogas hingegen auf Basis eines Antragssystems. Ab dem Jahr 2024 kann das Antragssystem für Windkraftanlagen durch ein Ausschreibungssystem abgelöst werden, wenn dadurch effizientere Ergebnisse erreicht werden sollten. Investitionszuschüsse werden für die Neuerrichtung und Erweiterung von Photovoltaikanlagen und Stromspeicher sowie für die Neuerrichtung von Windkraftanlagen bis 1 Megawatt (MW) nach Maßgabe der jeweiligen Reihung und der vorhandenen Fördermittel gewährt.

Die Aufbringung der Fördermittel wird insbesondere durch die Einhebung einer Erneuerbaren-Förderpauschale sowie eines Erneuerbaren-Förderbeitrages erfolgen. Alle an das öffentliche Elektrizitätsnetz angeschlossenen Endverbraucher (eine Ausnahme gilt für Pump-speicherkraftwerke) haben die Erneuerbaren-Förderpauschale und den Erneuerbaren-Förderbeitrag zu leisten. Einkommensschwache Haushalte, die ein Anrecht auf eine Befreiung von der GIS-Gebühr haben, sollen von den Ökostrom-Beiträgen generell befreit sein.

Keine Abnahmegarantie

Das EAG ist vom Prinzip der Direktvermarktung getragen. Eine zentrale Stelle, die die eine Abnahme des erzeugten Stroms garantiert, besteht nicht. Der Anlagenbetreiber bzw Investor muss sich somit selbst um die Vermarktung des erzeugten Stroms kümmern. Kleine Anlagenbetreiber (unter 500 kW) sind von diesem Prinzip ausgenommen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit eines Zuweisungsverfahrens für gescheiterte Direktvermarktungen: Erzeuger von erneuerbarem Strom, die nachweisen, dass drei Stromhändler den Abschluss eines Abnahmevertrags für Strom aus einer nach EAG geförderten Anlage abgelehnt haben, haben gegenüber dem Bilanzgruppenkoordinator einen Anspruch darauf, dass ihnen für die jeweilige Anlage ein Stromhändler zugewiesen wird.

Energiegemeinschaften als Herzstück des EAG-Pakets

Bei den Energiegemeinschaften handelt es sich um die Verbindung eines oder mehrerer Stromerzeuger und Stromverbraucher zum Zweck der Erzeugung, dem Verbrauch, der Speicherung und dem Verkauf von erneuerbarer Energie. Weiters können Energiegemeinschaften im Bereich der Aggregierung tätig sein und für ihre Mitglieder Energiedienstleistungen, wie beispielsweise Ladedienstleistungen für Elektrofahrzeuge, erbringen.

Die Energiegemeinschaften werden in „regionale“ Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften („EEGs“) einerseits und in „überregionale“ Bürgerenergiegemeinschaften („BEGs“) andererseits unterschieden. Die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Besonderheiten dieser Formen sind in der Tabelle am Ende dieses Blog-Beitrags dargestellt.

Energiegemeinschaften sind in ihrer Grundkonzeption primär auf eine Bürger- und nicht auf eine Unternehmerbeteiligung ausgerichtet. So sind bei den EEGs große Unternehmen und Elektrizitäts- und Erdgasunternehmen im Sinne des ElWOG 2010 und GWG 2011 grundsätzlich von einer Mitgliedschaft ausgeschlossen. Eine ausdrückliche Ausnahme besteht bei EEGs für Erzeuger, die elektrische Energie in ein Netz abgeben (zB Windpark-, Photovoltaik- oder Wasserkraftprojekte): Diese dürfen an EEGs beteiligt sein, sofern sie nicht von Versorgern, Lieferanten oder Stromhändlern im Sinne des ElWOG 2010 kontrolliert werden.

Die Herausforderungen für Neuprojekte aber auch die Einbeziehung bestehender Anlagen in das Regime von BEGs und EEGs sind vielfältig. Wesentliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Optimierung bestehen insbesondere in folgenden Bereichen:

  • Wahl der Gesellschaftsform;
  • (gesellschafts-)rechtliche bzw. vertragliche Einbeziehung der anderen Stakeholder (wie beispielsweise Anlagenhersteller und -betreiber, Grundstücks- bzw. Gebäudeinhaber, „gemeinnützige Stakeholder“);
  • externe und interne Finanzierungsvarianten sowie (Anlagen-)Leasingoptionen. 
 Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEGs)
(§§ 79 ff EAG sowie 16c, 16d, 16e ElWOG 2010 )
Bürgerenergiegemeinschaften (BEGs) 
(§§ 16b, 16d, 16e ElWOG 2010)
 
„Verbrauchernähe“Lokal & regional: Verbindung der Verbrauchsanlagen der Teilnehmenden mit den Erzeugungsanlagen über ein Mittelspannungsnetz (Regionalbereich) oder Nieder-spannungs-Verteilernetz (Lokalbereich) im gleichen Netzbereich.Überregional: Kann sich über das gesamte österreichische Marktgebiet/Bundesgebiet erstrecken. Kann demnach Konzessionsgebiete verschiedener Verteilernetzbetreiber betreffen.
Gründung & FormMindestens zwei oder mehrere Mitglieder oder Gesellschafter. Organisation als Verein, Genossenschaft, Personen- oder Kapitalgesellschaft, Eigentümergemeinschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz oder eine ähnliche Vereinigung mit Rechtspersönlichkeit.
HauptzweckErbringung ökologischer, wirtschaftlicher oder sozialgemeinschaftlicher Vorteile für ihre Mitglieder oder die Gebiete, in denen sie tätig ist („Gemeinnützigkeit“). Somit keine vorrangige Ausrichtung auf finanziellen Gewinn. Ergibt sich die Gemeinnützigkeit nicht schon aus der gewählten Gesellschaftsform, ist die „nicht vorrangige Ausrichtung auf Gewinn“ in der Satzung festzuhalten.
TätigkeitErzeugung, Verbrauch, Speicherung, Ver-kauf von erneuerbarer Energie. Erbringung von Aggregierungs- und anderen Energiedienstleistungen (§ 79 Abs 1 EAG).Erzeugung, Verbrauch, Speicherung, Verkauf elektrischer Energie. Erbringung von Aggregierungs- und anderen Energiedienstleistungen, wie etwa Energieeffizienzdienstleistungen oder Ladedienstleistungen für Elektrofahrzeuge (§ 16b Abs 1 ElWOG 2010). Keine Einschränkung auf den Be-reich der erneuerbaren Quellen.
Beteiligung & MitgliedschaftMitglieder bzw Gesellschafter können natürliche Personen, Gemeinden, Rechtsträger von Behörden in Bezug auf lokale Dienst-stellen und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts oder kleine und mittlere Unternehmen sein. Im Fall von Privatunternehmen darf die Teilnahme nicht deren gewerbliche oder berufliche Haupttätigkeit sein (§ 79 Abs 2 EAG); somit sind große Unternehmen und allgemein Elektrizitäts- und Erdgasunternehmen im Sinne des ElWOG 2010 und GWG 2011 ausgeschlossen; aber: die Teilnahme von Erzeugern, die elektrische Energie in ein Netz im Lokal- oder Regionalbereich abgeben, ist zulässig, vorausgesetzt diese Erzeuger werden nicht von einem Versorger, Stromhändler oder Lieferanten im Sinne des ElWOG 2010 kontrolliert (§ 16c Abs 1 ElWOG 2010)

Mitglieder bzw Gesellschafter können natürliche sowie juristische Personen und Gebietskörperschaften sein (§ 16b Abs 2 El-WOG 2010).


Beschränkung der Entscheidungsbefugnisse auf Mitglieder, die nicht in großem Umfang kommerziellen Tätigkeiten nachgehen und für die die Energiewirtschaft nicht der primäre Bereich der Geschäftstätigkeit ist; große und mittlere Unternehmen sowie jene Unternehmen, die die Funktion eines Elektrizitätsunternehmens im Sinne des § 7 Abs 1 Z 11 ElWOG 2010, sind von einer Kontrolle ausgeschlossen (§ 16b Abs 3 ElWOG 2010).

Eigentums-
verhältnisse 
an Erzeugungs-
anlagen
Eigentümer können die Gemeinschaft selbst, deren Mitglieder, Gesellschafter oder Dritte sein. Die Betriebs- und Verfügungsgewalt über die Erzeugungsanlagen hat (mit Ausnahme des Eigenverbrauchs von Mitgliedern, die eine Erzeugungsanlage einbringen) bei der Energiegemeinschaft zu liegen. Hinsichtlich der Betriebsführung und Wartung kann sich die Gemeinschaft eines Dritten bedienen. Es sind insbesondere Contract- und Leasingmodelle zulässig.
ÜberschussenergieGemeinschaft kann mit einem Stromhändler einen Abnahmevertrag für die nicht verbrauchte Überschussenergie abschließen, alternativ kann diese auch den einzelnen Mitgliedern entsprechend ihrem ideellen Anteil zugeordnet werden. 
Stromproduktion- & -verbrauch: Innen- & Außenverhältnis
 
Die innerhalb einer Energiegemeinschaft erzeugten und verbrauchten Strommengen bleiben außerhalb des Bilanzgruppensystems; die für Stromhändler oder Lieferanten geltenden Vorschriften des ElWOG 2010 kommen im Innenverhältnis nicht zur Anwendung. Weiters sind die im EAG, ElWOG 2010 und GWG 2011 enthaltenen Vorschriften betreffend Herkunftsnachweise, Strom- oder Gaskennzeichnung und Rechnungslegung im Innenverhältnis nicht anzuwenden.
Verhältnis EG & NetzbetreiberDie Energiegemeinschaft hat für jede Erzeugungsanlage einen Netzzugangsvertrag mit dem Netzbetreiber abzuschließen. Bei bereits bestehenden Netzzugangsverträgen kann die Energiegemeinschaft anstelle des Eigentümers der Erzeugungsanlage in die Vertragsverhältnisse mit dem Netzbetreiber eintreten. zunächst kann eine Erzeugungsanlage jeweils nur einer Gemeinschaft angehören (ab dem 1.1.2022 soll auch die Mitgliedschaft mit einer Verbrauchs- oder Erzeugungsanlage an mehr als einer BEG oder EEG zulässig sein). Es besteht ein Rechtsanspruch von Netzbenutzern gegenüber Netzbetreibern, an Energiegemeinschaften teilnehmen zu dürfen. Verteilernetzbetreiber sind entsprechend zur Zusammenarbeit verpflichtet, um Energieübertragungen innerhalb von Energiegemeinschaften als auch die Einspeisung von Überschussmengen zu erleichtern. Energiegemeinschaften könne auch selbst Eigentümer- und Betreiber eines Verteilernetzes sein.

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