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„Harte“ oder „weiche“ Bilanzgarantie und deren Folgen der Haftung der Verkäufer eines Unternehmens

10.10.2016 - Lesezeit: 2 Minuten

In Vertragsverhandlungen von Unternehmenskaufverträgen – dem Englischen folgend in der Praxis häufig als „Share Purchase Agreements“ („SPA“) genannt – sind häufig die als Gewährleistungen oder Garantien ausgestalteten Zusicherungen bestimmter Eigenschaften des verkauften Unternehmens von zentraler Bedeutung. Käufer haben ein Interesse, möglichst umfassende Zusicherungen über das ihnen noch überwiegend unbekannte Unternehmen zu erhalten. Verkäufer hingegen wollen nach Verkauf des Unternehmens eine möglichst abschätzbare, eingeschränkte Haftung für die Beschaffenheit des Unternehmens übernehmen; schließlich wird den Käufern im Vorfeld der Kaufentscheidung häufig ein umfassender Einblick in die wirtschaftliche, finanzielle und rechtliche Lage des zum Verkauf stehenden Unternehmens gewährt, um mögliche Risiken bereits im Vorfeld in die Kaufpreisberechnung einfließen zu lassen.

Eine besonders wichtige Rolle bei der Verhandlung des Zusicherungskatalogs spielen auch die bisherigen Jahresabschlüsse und Rechnungslegung des zum Verkauf stehenden Unternehmens, insbesondere die so genannte „Bilanzgarantie“ (wobei der Begriff insofern missverständlich ist als der Jahresabschluss nicht nur die Bilanz, sondern insbesondere auch deren Anhang und den Geschäftsbericht umfasst). Je nach Formulierung dieser Bilanzgarantie wird dabei üblicherweise die ordnungsgemäße Aufstellung der jeweiligen Jahresabschlüsse in Übereinstimmung mit den anwendbaren Rechnungslegungsvorschriften oder auch die Vollständigkeit und Richtigkeit der darin enthaltenen Positionen zugesichert. Im ersten Fall spricht man allgemein auch von einer „weichen“ Bilanzgarantie, während die Zusicherung auch der Vollständigkeit und Richtigkeit als „harte“ Bilanzgarantie qualifiziert wird. Der Unterschied zwischen einer weichen und einer harten Bilanzgarantie besteht im Umfang der Haftung des Verkäufers, der bei einer harten Bilanzgarantie bei jeder objektiven Unrichtigkeit der garantierten Bilanz besteht.

Von wesentlicher Bedeutung für den Umfang der Haftung des Verkäufers ist daher die Formulierung dieser Bilanzgarantie. Dies führt auch ein kürzlich in Deutschland zur Auslegung einer Bilanzgarantie ergangenes Urteil des OLG Frankfurt am Main (OLG Frankfurt am Main, 07.05.2015, 26 U 35/12) wieder vor Augen, das für erhebliche Diskussionen gesorgt hat. Das OLG Frankfurt am Main qualifizierte eine Garantie, dass der Jahresabschluss (hier für das Geschäftsjahr 2007) „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung nach den gesetzlichen Vorschriften unter Beachtung der Bilanzierungs- und Bewertungskontinuität erstellt worden sei und ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft“ vermittle, als harte Bilanzgarantie. Die Formulierung, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Gesellschaft vermittelt werde, wurde hierbei als ausschlaggebend für die Qualifikation als harte Bilanzgarantie erachtet. Das OLG Frankfurt am Main wandte bei der Auslegung einen objektiven Maßstab an unter Außerachtlassung des subjektiven Verständnisses der Vertragsparteien. Der Verkäufer haftete damit nach Ansicht des Gerichts auch für unbekannte und Eventualverbindlichkeiten, selbst solche, die ihm unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt zum Zeitpunkt der Aufstellung nicht erkennbar waren.

Diese Entscheidung ist für die Praxis insofern wegweisend, als damit die Wichtigkeit einer klaren und eindeutigen Formulierung des gewünschten Umfangs der Bilanzgarantie aufgezeigt wurde. Inwieweit diese Entscheidung auch in Österreich Auswirkungen zeigt, bleibt abzuwarten, da es eine österreichische Rechtsprechung zu dieser Frage noch nicht gibt. Dennoch ist zu erwarten, dass gegebenenfalls auch die österreichischen Gerichte – nicht zuletzt aufgrund der eher dürftigen Rechtsprechung zur Auslegung von Unternehmenskaufverträgen – auch den Blick auf die Entscheidungspraxis des Nachbarlands richten. Die Vertragsparteien eines Unternehmenskaufvertrags sind daher gut beraten, der Formulierung von Zusicherungen, insbesondere von Bilanzgarantien, eine erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen und durch einen eindeutigen Wortlaut klarzustellen, in welchem Umfang eine Zusicherung, gegebenenfalls ergänzt durch Haftungsbeschränkungen wie Haftungshöchstgrenzen, erfolgen soll.