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Windkraftanlagen auf der Überholspur oder doch weiterhin im Stau der Genehmigungsverfahren?

07.09.2023

AutorIn

Josef Peer

Rechtsanwalt

Rechtliche Spannungsfelder durch die Verfahrenseffizienz iSd § 4a UVP-G bei Windkraftanlagen 

Mit dem neu geschaffenen § 4a UVP-G soll im Lichte der Verfahrenseffizienz eine Überholspur für Windkraftanlagen ermöglicht und die Raumordnungskompetenz der Länder bzw Gemeinden aufgeweicht bzw diese zu einer effektiven überörtlichen und örtlichen Windenergieraumplanung animiert werden. In Bundesländern, in denen es eine effektive überörtliche Windenergieraumplanung gibt, jedoch keine Konkretisierung auf Gemeindeebene im Flächenwidmungsplan (örtliche Windenergieraumplanung) stattfand, soll zukünftig der Flächenwidmungsplan nicht als Zulässigkeitskriterium für die Projekterrichtung herangezogen werden. Fehlt in einem Bundesland neben der überörtlichen auch eine örtliche Windenergieraumplanung, können Projekte aber auch gänzlich ohne diese raumordnungsrechtlichen Instrumente genehmigt werden, wenn die Standortgemeinde dem Vorhaben zustimmt. 

Ausgangslage

Grade bei Windkraftanlagen sind raumordnungsrechtliche Vorgaben ausschlaggebend für eine positive Projektverwirklichung und oftmals aufgrund der Verfahrensdauer und der unterschiedlichen Beteiligten (Land/Gemeinde) Hemmschuh für die Umsetzung. Bei UVP-pflichtigen Windkraftanlagen kommt diesbezüglich noch ein kompetenzrechtliches Spannungsfeld hinzu, da ein UVP-pflichtiges Projekt nach der Grundregel lediglich eines einzelnen Genehmigungsbescheids bedarf, in dem über die restlichen – in den einzelnen Bundes- und Landesmateiren vorgesehenen – Bewilligungen konzentriert mitentschieden wird.

Dem Bundesgesetzgeber ist eine solche Konzentrationsregelung durch den Kompetenztatbestand des Art 11 Abs 1 Z 7 B-VG eröffnet. Dieser sieht vor, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen für Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, Bundessache in Gesetzgebung und Landessache in Vollziehung sind. Art 11 Abs 1 Z 7 B-VG erlaubt in diesem Zusammenhang nämlich die Mitanwendung jener Rechtsvorschriften vorzusehen, deren Einhaltung sonst von anderen Behörden wahrzunehmen sind. Dem Bundesgesetzgeber kommt demgegenüber jedoch keine Befugnis zu, auch materiell in die Angelegenheiten landesrechtlicher Zuständigkeiten einzugreifen. Vielmehr hat er sich mit der Mitanwendung dieser Kompetenzbereiche zu begnügen, die eine exakte und idente Miteinbeziehung voraussetzen. Ein Eingriff in die materielle Landeskompetenz durch deren inhaltliche Gestaltung liegt nämlich bereits dann vor, wenn einzelne Regelungselemente weggelassen werden (Schmelz/Schwarzer, UVP-G-ON 1.00 § 3 UVP-G, Rz 105 ff).

Der im Zuge der UVP-G-Novelle (BGBl. I Nr. 26/2023) neu eingeführte § 4a UVP-G ist jedoch dazu in der Lage, ein Spannungsverhältnis zwischen der Berücksichtigung einzelner Kompetenztatbestände und den jeweiligen Vorgaben der Raumordnung zu bewirken. In diesem Zusammenhang trifft § 4a UVP-G drei Kernaussagen, deren Regelungsinhalt sowohl die Landes-, als auch die Gemeindeebene berühren:

(i) Aktuelle überörtliche Windenergieraumplanung

§ 4a Abs 1 UVP-G bestimmt zunächst einleitend, dass Windkraftanlagen im Anwendungsbereich des UVP-G vorrangig auf dafür planungsrechtlich bestimmten Flächen auf überörtlicher Ebene für Windkraftanlagen (aktuelle überörtliche Windenergieraumplanung) des jeweiligen Bundeslandes, in Einklang und nach Maßgabe der in § 4 EAG stehenden Ausbauziele zu realisieren sind. 
Der Gesetzgeber fordert in diesem Zusammenhang eine raumordnungsrechtliche Rahmenvorgabe auf überörtlicher Ebene in Form einer Festlegung von bestimmten Zonen, an denen zukünftig Vorhaben der Windenergie realisiert werden sollen. Wesentlich ist dabei, dass der Bundesgesetzgeber von den Ländern dabei konkrete positiv Vorgaben, somit Ausweisung von Flächen auf denen Windkraftanlagen realisiert werden können, fordert. Die konkrete Ausweisung im Zuge der Flächenwidmung erfolgt in weiterer Folge als Verordnung der Gemeinde mittels eines Flächenwidmungsplans, der sich selbst im Rahmen der Vorgaben der überörtlichen Raumplanung zu orientieren hat.

(ii)  Flächenwidmungsplan kein Zulässigkeitskriterium

§ 4a Abs 2 UVP-G regelt den Fall, dass in einem Bundesland bereits eine aktuelle überörtliche Windenergieraumplanung iSd UVP-G vorhanden ist, aber die erforderliche Konkretisierung durch den Flächenwidmungsplan der Gemeinde auf örtlicher Ebene fehlt. In einem solchen Fall ist der Flächenwidmungsplan nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung bei der Projektverwirklichung mitzuberücksichtigen.

Durch § 4a Abs 2 UVP-G ist es nun möglich, ein Vorhaben in einer ausgewiesenen Zone zu genehmigen, zu errichten und zu betreiben, selbst wenn hierfür keine raumordnungsrechtlich erforderliche Widmung vorliegt. 

(iii) Überörtliche Windenergieraumplanung und Flächenwidmungsplan kein Zulässigkeitskriterium

In einem letzten Fall regelt § 4a Abs 3 UVP-G den Umstand, dass neben der erforderlichen Konkretisierung im Flächenwidmungsplan (örtliche Windenergieraumplanung), auch die im Bundesland aktuell überörtliche Windenergieraumplanung fehlt. 

Selbst in einem solchen Fall ist eine Umsetzung des Vorhabens möglich, sofern lediglich die Zustimmung der Standortgemeinde auf deren Gemeindegebiet die Windkraftanlage errichtet werden soll, vorliegt.   

Kompetenzrechtliche Aspekte 

Vermag der Bundesgesetzgeber mit § 4a UVP-G zwar eine Verfahrenseffizienz für die Errichtung von Windkraftanlagen vor Augen gehabt haben, wurde die weitrechend kompetenzrechtliche Wirkung dieser Regelung jedoch vergleichsweise weniger berücksichtigt. 

So greift der Regelungsinhalt des § 4a Abs 2 UVP-G wohl zumindest indirekt in das verfassungsgesetzliche Recht der Gemeinde auf Selbstverwaltung gem Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG (örtliche Raumplanung) und § 4a Abs 3 UVP-G darüber hinaus auch in die Planungskompetenz der Länder ein. 

Der Bundesgesetzgeber argumentiert vor diesem Hintergrund, dass eine Regelung der Verfahrenseffizienz für Windkraftanalgen bei fehlender Energieraumplanung unverzichtbar ist, um die Klimaziele zu erreichen. Aufgrund in der Praxis oftmals fehlender Planungsausweisungen der Bundesländer, wird von der Bedarfskompetenz des Art 11 Abs 1 Z 7 B-VG Gebrauch gemacht, dem ein umfassender Genehmigungsbegriff zu Grunde liegt. Der Bundesgesetzgeber ist sohin nicht auf die bloße Anordnung der Mitanwendung landesrechtlicher Bestimmungen begrenzt, sondern kann auch materielle Genehmigungskriterien festlegen (Madner, Umweltverträglichkeitsprüfung, in Holoubek/Potac [Hrsg], Öffentliches Wirtschaftsrecht Band II [2019] 1222 Fn. 56). Der Ausschluss von landerechtlichen Genehmigungspflichten erfordert unter Umständen auch die Abänderung von mitanzuwendendem Landesrecht, sofern dadurch dem Art 11 Abs 1 Z 7 B-VG Rechnung getragen werden kann. 

Ein direkter Eingriff in die materielle Sachlage steht dem Bundesgesetzgeber demgegenüber jedoch nicht zu. Ob ein solcher vorliegt, wird letztendlich der Verfassungsgerichtshof im Rahmen der Kompetenzgerichtsbarkeit des Art 138 Abs 1 Z 3 B-VG zu lösen haben. 

Auswirkungen auf die Praxis

Für Windkraftanlagenbetreiber bzw. Projektgesellschaften ermöglicht § 4a UVP-G durchaus spannende Möglichkeiten, die auch zu einer „Beschleunigung“ beitragen können. Insbesondere in Bundesländern in denen Windkraftanlagen bisher eher „skeptisch“ gesehen wurden und eben gerade keine effektive überörtliche Windenergieraumplanung vorliegt, besteht nunmehr die Möglichkeit, aktiv durch einen Schulterschuss, mit der jeweiligen Standortgemeinde, auch gegen raumordnungsrechtliche Widerstände des Landes Windenergieanlagen voranzutreiben.

Genauso eröffnet § 4a UVP-G die Möglichkeit, in windkraftfreundlichen Bundesländern allfällige raumordnungsrechtliche Widerstände der Standortgemeine durch § 4a Abs 2 UVP-G aufzuweichen.

Vor diesem Hintergrund und der bekannten Dauer von Widmungsverfahren, kann es für Projektentwickler auch zielführend sein, aktiv die UVP-Pflicht eines Vorhabens anzustreben und gerade in den Genuss dieser neuen Bestimmung des § 4a UVP-G zu kommen.

Abzuwarten bleibt, welchen konkreten Effekt diese bundesgesetzliche Bestimmung auf die einzelnen Bundesländer und Gemeinden hat. Einerseits ist denkbar, dass es zu einem Wettlauf zwischen den Bundesländern im Hinblick auf die Einrichtung von überörtlichen Windenergieraumplanungen kommt. Andererseits wird es wohl auch Gemeinden und Bundesländer geben, die den § 4a UVP-G generell hinsichtlich seiner kompetenzrechtlichen Zulässigkeit hinterfragen werden. 

Fazit

Trotz möglicher rechtlicher Unsicherheiten stellt aus unserer Sicht § 4a UVP-G ein Instrument dar, um die Errichtung von Windkraftanlagen voranzutreiben und zu beschleunigen und jedenfalls Druck auf die Bundesländer und Standortgemeinden auszuüben, sich intensiv mit dem Thema Windkraft auseinander zu setzen. Es liegt jetzt an der Praxis dieses Instrument mit Leben zu erfüllen. 

AutorIn

Josef Peer

Rechtsanwalt