English

Stichwort suchen

Finden Sie Ihre Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

EU-Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit

27.03.2024

AutorIn

Monika Sturm

Partnerin

Paula Kalau

Associate

Die EU-Kommission hat erstmals am 9.12.2021 einen Vorschlag für eine Richtlinie hinsichtlich der Regulierung von Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit veröffentlicht. Mahr als drei Jahre später am 11.3.2024 haben schließlich die für Beschäftigung und Soziales zuständigen Ministerinnen und Minister der EU die vorläufige Einigung über die „Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit“ bestätigt.

Die EU ist damit der erste Gesetzgeber der Welt, der digitale Arbeitsplattformen reguliert. Die Richtlinie trägt zur Bestimmung des Status der Beschäftigten von digitalen Plattformen bei und regelt erstmalig auf EU-Ebene den Einsatz algorithmischer Systeme am Arbeitsplatz.

Plattformarbeit

Während der COVID-19-Pandemie hat die Plattformarbeit rasant zugenommen. Heute arbeiten über 28 Millionen Personen in der EU über digitale Arbeitsplattformen. Im Jahr 2025 wird diese Zahl voraussichtlich auf 43 Millionen ansteigen. Das Wachstum von digitalen Plattformen bringt für Unternehmen und Verbraucher viele Vorteile, hat aber dazu geführt, dass sich für viele Beschäftigte eine Grauzone in Bezug auf ihren Beschäftigungsstatus entwickelt hat.

Gemäß Artikel 2 der Richtlinie umfasst der Begriff „Plattformarbeit“ jede Arbeit, die über eine digitale Arbeitsplattform organisiert und in der Union von einer Person auf der Grundlage eines Vertragsverhältnisses zwischen der digitalen Arbeitsplattform und der Person ausgeführt wird, unabhängig davon, ob ein Vertragsverhältnis zwischen der Person und dem Empfänger der Dienstleistung besteht.

Plattformbeschäftigte: Arbeitnehmer oder Selbstständige?

Die Mehrheit der Plattformbeschäftigten in der EU – darunter Beschäftigte von Taxiunternehmen und Essenslieferdiensten – sind derzeit der Form nach selbstständig. Oftmals werden ihnen jedoch dieselben Regeln und Beschränkungen auferlegt wie Arbeitnehmern. Dies ist ein Indiz dafür, dass sie tatsächlich in einem echten Arbeitsverhältnis stehen und ihnen daher dieselben Rechte wie Arbeitnehmern zustehen.

Mit der Richtlinie wird nun gegen die unrichtige Einstufung von Plattformbeschäftigten vorgegangen. Kernstück der Richtlinie ist gemäß Artikel 4 die gesetzliche Vermutung über das Vorliegen eines echten Arbeitsverhältnisses. Dadurch wird für die Beschäftigten der Zugang zu Arbeitnehmerrechten erleichtert.
Für das Vorliegen eines echten Arbeitsverhältnisses müssen folgende Kriterien erfüllt sein: (i) es bestehen Obergrenzen für die Vergütung der Beschäftigten; (ii) ihre Arbeitsleistung wird, auch mit elektronischen Mitteln, überwacht; (iii) die Zuweisung von Arbeitsaufgaben wird kontrolliert ebenso wie (iv) die Arbeitsbedingungen; (v) es besteht keine freie Wahl der Arbeitszeiten; und (vi) die Freiheit der Beschäftigten zur Organisation der eigenen Arbeit ist beschränkt. Die Mitgliedstaaten können nach nationalem Recht weitere Kriterien einführen.

Der Plattformanbieter kann sich jedoch von der Vermutung, dass ein echtes Arbeitsverhältnis vorliegt, frei beweisen. Das bedeutet, dass der Plattformanbieter in einem Gerichtsverfahren darzulegen hat, warum im konkreten Fall gerade kein echtes Arbeitsverhältnis vorliegt.

Verwendung von Algorithmen am Arbeitsplatz

Die Richtlinie sieht vor, dass Beschäftigte über den Einsatz automatisierter Überwachungs- und Entscheidungssystemen informiert werden müssen. Ferner dürfen digitale Arbeitsplattformen bestimmte Arten personenbezogener Daten nicht verarbeiten, wie beispielsweise personenbezogene Daten über den emotionalen oder psychischen Zustand von Plattformbeschäftigten, Daten über private Gespräche, Daten zur Vorhersage tatsächlicher oder potenzieller gewerkschaftlicher Aktivitäten und Daten zur Ableitung der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Migrationsstatus, der politischen Meinung, der religiösen Überzeugungen oder des Gesundheitsstatus eines Beschäftigten.

Die Richtlinie stellt auch sicher, dass automatisierte Entscheidungen unter menschlicher Aufsicht und Bewertung getroffen werden, wobei das Recht der Beschäftigten auf eine Erklärung und Überprüfung der Entscheidung gewährleistet sein muss.

Anmeldung von Plattformarbeit

Artikel 11 der Richtlinie sieht eine Pflicht für digitale Arbeitsplattformen als Arbeitgeber vor, den zuständigen Arbeits- und Sozialschutzbehörden des Mitgliedstaats, in dem die Arbeit ausgeführt wird, die von Plattformbeschäftigten geleistete Arbeit zu melden und einschlägige Daten an diese Behörden weiterzugeben. Diese Regelung ist ein erster Schritt der Gewährleistung der Transparenz von Plattformarbeit.

Kündigungsschutz

Artikel 18 enthält einen Kündigungsschutz für Plattformbeschäftigte. Plattformanbieter müssen nunmehr nach Aufforderung der Beschäftigten hinreichende Gründe für die Kündigung vorlegen und diese rechtfertigen.

Ausblick

Nach der förmlichen Annahme der Richtlinie durch das Europäische Parlament und den Rat haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. 
Die Tragweite und Auswirkung der Richtlinie hängen jedoch von den jeweiligen Umsetzungen in das nationale Recht der Mitgliedstaaten ab.

AutorIn

Monika Sturm

Partnerin

Paula Kalau

Associate