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VfGH bestätigt Verfassungskonformität der Verhängung hoher Geldstrafen durch die FMA

08.01.2018 - Lesezeit: 2 Minuten

Zwei Normprüfungsanträge des Bundesverwaltungsgerichts („BVwG“) an den Verfassungsgerichtshof („VfGH“) waren die große Hoffnung des Kapitalmarkts, die Befugnisse der FMA zur Verhängung hoher Geldstrafen bei Verwaltungsstraftaten zu beschränken. Mit Erkenntnis vom 13.12.2017 wies der VfGH die Anträge des BVwG als unbegründet ab und bestätigte die Verfassungsmäßigkeit und damit die Zulässigkeit der Strafkompetenz der FMA.   

Anlass der Anrufung des VfGH durch das BVwG waren Beschwerden zweier Kreditinstitute über von der FMA verhängte hohe Geldstrafen gegen die Kreditinstitute selbst, nämlich in der Höhe von EUR 209.000,– wegen unzureichender Verfahren und Strategien bei der Risikobewertung zur Vermeidung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung und EUR 953.700,– wegen insgesamt 19 Verwaltungsübertretungen von Vorschriften betreffend Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Grundlage der Befugnis der FMA zur Verhängung dieser Strafen war § 99d Bankwesengesetz („BWG“), der vorsieht, dass neben den Verantwortlichen gemäß § 9 VStG auch der Verband selbst bestraft werden kann. In Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen sieht § 99d Abs 3 BWG die Möglichkeit der Verhängung von Strafen im Höchstausmaß von bis zu 10% des jährlichen Gesamtnettoumsatzes des betroffenen Kreditinstituts vor. Im gegenständlichen Fall bedeutete dies einen Strafrahmen von bis zu EUR 6.991.479,06 beziehungsweise EUR 3.135.494,83.

Das BVwG vertrat in seinen Normprüfungsanträgen unter Berufung auf Art 91 Bundes-Verfassungsgesetz „(B-VG“) die Ansicht, dass Verwaltungsübertretungen, die mit einem derart hohen Höchstmaß möglicher Geldstrafen bedroht sind, nicht von Verwaltungsbehörden, sondern von ordentlichen Strafgerichten zu verhängen wären. Art 91 B-VG ist dem Hauptstück der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugeordnet und normiert die Zuständigkeit der Geschworenen- und Schöffengerichtsbarkeit, wenn die zu verhängende Strafe ein bestimmtes Maß überschreitet. Der VfGH selbst hatte in der Vergangenheit nicht nur Bestimmungen mit ähnlicher Regelungstechnik des Strafrahmens (etwa „Geldstrafe bis zum Fünfzigfachen des Verkürzungsbetrags“ [VfSlg. 12.547/1990]) wegen Verstoßes gegen Art 91 B-VG aufgehoben, sondern auch Strafdrohungen, die eine bestimmte Höchstgrenze überschreiten, dem Kernbereich der ordentlichen Strafgerichtsbarkeit zugeordnet (etwa eine Strafdrohung von (damals) 2 Mio Schilling (entspricht EUR 145.000,–) [VfSlg. 12.282/1990]). Die Unabhängigkeit der mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 eingerichteten Verwaltungsgerichte, die von der FMA verhängte Geldstrafen überprüfen können, heilt nach Ansicht des BVwG nicht die Unzuständigkeit der Verwaltung für die Abhandlung derartiger Strafverfahren. Eine Parallele zu Geldbußen im Bereich des Kartellrechts, die ebenfalls beträchtliche Höhen erreichen können und von der Bundeswettbewerbsbehörde („BWB“), einer Verwaltungsbehörde, verhängt werden, besteht nach Ansicht des BVwG ebenfalls nicht. Während Geldbußen im Kartellrecht vom Obersten Gerichtshof („OGH“) als „Sanktion mit strafrechtsähnlichem Charakter“, jedoch im Grunde als „zivilrechtliche Strafe“ qualifiziert wurden (OGH 12.09.2007, 16 Ok 4/07), handelt es sich bei den gemäß § 99d BWG zu verhängenden Geldstrafen aufgrund der ausdrücklichen Einordnung des Gesetzgebers eindeutig um Verwaltungsstrafen.

Der VfGH folgte diesen Argumenten in seiner Entscheidung vom 13.12.2017 nicht und erklärte ausdrücklich, damit von seiner bisherigen Rechtsprechung abgehen zu wollen. In einer eher rudimentären Begründung rechtfertigte der VfGH sein Vorgehen im Wesentlichen mit zwei Argumenten: (i) eine Zuständigkeitsabgrenzung zwischen dem gerichtlichen Strafrecht und dem Verwaltungsstrafrecht kann nicht ausschließlich nach dem Kriterium der Strafdrohung erfolgen und (ii) überdies hätte das „Rechtsschutzgefüge der Bundesverfassung durch die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz mit der Novelle BGBl. I 51/2012 insgesamt eine tiefgreifende Änderung erfahren“, sodass die früher geäußerten Bedenken des VfGH zur Abgrenzung der Strafkompetenz von Verwaltungsbehörden und ordentlichen Strafgerichte bei nicht mehr aufrechterhalten werden können.

Im Ergebnis bestätigte der VfGH damit zwar die Verfassungskonformität des § 99d BWG mit Art 91 B-VG, beschäftigte sich jedoch nicht mit weiteren verfassungsrechtlichen Bedenken im Bereich des Finanzmarktaufsichtsrechts und dessen Schnittstelle zum Verwaltungsstrafrecht. Bereits im Jahr 2017 diskutierte sich eine Expertengruppe öffentlich in einem Symposium unter dem Titel „Verfassungs- und verfahrensrechtliche Aspekte im Finanzmarktaufsichtsrecht – Reformmöglichkeiten“ möglichen Verbesserungsbedarf in diesem Bereich. Neben der Schwierigkeit der Abgrenzung des ordentlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts wurde von den Experten insbesondere die Unzulänglichkeit der geltenden Verwaltungsverfahrensgesetze mit der Bestrafung juristischer Personen thematisiert. Es bleibt wohl spannend in diesem Rechtsbereich.